Der Wüstensklave. J. D. Möckli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. D. Möckli
Издательство: Bookwire
Серия: Wüstensklave
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742741554
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auch täuschen.«

      Mit großen Augen sieht Kai seinen Großvater an. »Du glaubst also, dass er früher ein freier Mensch war? Aber was hat das mit seinem jetzigen Verhalten zu tun? Und was soll ich denn jetzt machen?«

      »Ja, das tue ich. Und was das mit seinem jetzigen Verhalten zu tun hat? Nun, solange er sich erinnern kann, hat er wohl schlechte Erfahrungen gemacht und du weißt, welche ich unter anderem meine. Er hat gelernt, als Sklave zu leben, weil er nichts anderes kennt, aber da steckt irgendwo immer noch der freie Mann in ihm, selbst wenn er sich nicht an ihn erinnern kann. Darum hat er vermutlich auch schwerer mit dem Erlebten zu kämpfen, als es bei einem geborenen Sklaven der Fall wäre. Außerdem scheint durch das Fieber und die Erschöpfung der Schild, den er um sein Inneres aufgebaut hat, zu bröckeln. Das macht ihn verletzlicher, als jemals zuvor. Wie schon gesagt: Sei du selbst, sei für ihn da, wenn er dich braucht, und zeige ihm, dass er hier in diesem Haus kein Sklave ist. Ich bin mir sicher, mit der Zeit werden wir den wahren Yari kennenlernen, denn er ist immer noch da drin, das habe ich in seinen Augen erkennen können.«

      Während seiner Erklärung hat sich Ren vorgebeugt und die Hand auf Kais Arm gelegt. Jetzt sieht er ihn ernst an und wartet darauf, dass sein Enkel das Gesagte verarbeitet. Das dauert eine ganze Weile, in der sie einfach nur schweigend dasitzen.

      Dann lächelt Kai zuversichtlich: »Ich werde es versuchen. Und wer weiß, vielleicht hast du ja sogar recht, was Yaris Vergangenheit angeht.« Erleichtert, dass er nun eine mögliche Erklärung für dessen Verhalten hat, steht Kai auf. »Ich gehe jetzt ins Bett. Der Tag war verdammt anstrengend. Gute Nacht, Großvater. Danke, du hast mir wirklich sehr geholfen.« Er gibt dem alten Mann noch einen Kuss auf die Wange, bevor er aus der Küche geht.

      Lächelnd sieht Ren seinem Enkel nach. Es ist ewig her, dass er ihm ein Küsschen gegeben hat. Außerdem ist er unglaublich stolz darauf, wie sich der Junge Yari gegenüber verhält.

      Als Kai in sein von der großen Öllampe auf der Straße schwach erhelltes Zimmer kommt, blickt er unwillkürlich zu der Tür, die zu Yaris Zimmer führt. Sie ist geschlossen. Kurz zögert er, doch dann klopft er leise an. Da er nichts hört, verzichtet er darauf, sie zu öffnen. »Gute Nacht, Yari.« Er bekommt keine Reaktion.

      Nachdem Kai sich sein Schlafshirt und die Schlafshorts angezogen hat, kriecht er fröstelnd unter die Decke und kuschelt sich ein.

      Kapitel 4: Wüstenfisch

      Als Yari am nächsten Morgen aufwacht, steht auf dem Tisch vor dem Fenster ein Teller mit einem Brötchen und einem Apfel sowie zwei neue Flaschen Wasser. Er bleibt noch einen Moment auf der Seite liegen und genießt es, allein in einem richtigen Bett zu sein.

      Als sich sein Magen mit einem lauten Knurren zu Wort meldet, schlägt er die Decke zurück und steht vorsichtig auf, darauf bedacht, dass ihm nicht wieder schwindlig wird. Langsam geht er zum Tisch und setzt sich auf den alten Holzstuhl.

      Erstaunt blickt er auf den gut gefüllten Teller. Vom Bett aus hatte er nicht sehen können, dass auch etwas Fleisch darauf liegt. Ungläubig blickt er zur Tür, erwartet schon beinahe, dass jemand reinkommt und ihm verbietet, sich etwas davon zu nehmen. Dann nimmt er das Brötchen, bricht es auseinander und legt das Fleisch zwischen die beiden Hälften. Hungrig beginnt er hastig zu essen, trotzdem genießt er jeden einzelnen Bissen. Er weiß, dass die Japaner vor langer Zeit die ursprünglich europäischen Speisen in ihre Kultur adaptiert haben, als die große kulturelle Vermischung begann, er weiß aber nicht, woher er diese Erkenntnis hat.

      Nach einem Schluck Wasser greift er auch noch nach dem Apfel. Mit beiden Händen umfasst er ihn, fühlt die glatte Haut, die Festigkeit. Erst dann beißt er beherzt zu und wird von der Süße des Obstes überrascht. Den Geschmack auskostend isst er den Apfel auf.

      Als er fertig ist, steht Yari auf und zieht sich eine frische Hose und das andere Hemd an. Ihm fällt ein, dass sein neuer Besitzer ihm gesagt, hat dass er sich frei im Haus bewegen darf, also nimmt er den Teller, um ihn in die Küche zu bringen. Seine Hand zittert, als er die Türklinke herunterdrückt und die Tür öffnet.

      Langsam geht Yari durch das fremde Schlafzimmer auf die zweite Tür zu. Er ist darauf gefasst, dass diese verriegelt ist, doch sie lässt sich öffnen. Immer noch unsicher tritt er in den Flur, der nun durch das Tageslicht aus dem Wohnzimmer etwas erhellt wird. Nach einem tiefen Atemzug geht er zur Treppe.

      Im Erdgeschoss angekommen, muss er sich kurz orientieren. Links ist das Badezimmer und rechts müsste die Küche sein.

      Als er in den warmen Raum tritt, sieht er den alten Mann, der an einem großen Holztisch sitzt und Kartoffeln schält.

      Überrascht lässt dieser das Messer sinken. »Hallo, Yari. Geht’s dir etwas besser? Komm doch rein.« Besorgt blickt er Yari an, der trotz seiner leicht gebräunten Haut immer noch blass wirkt und unschlüssig im Raum steht, den leeren Teller in den Händen haltend.

      »Ich wollte nur den Teller herunterbringen.«

      Unsicher, was er jetzt tun soll, blickt sich Yari in der Küche um und bemerkt dadurch nicht, dass der alte Mann aufsteht, bis er ihm den Teller abnimmt. Erschrocken zuckt Yari zusammen. So ein Fehler darf ihm nicht noch einmal passieren.

      Natürlich bemerkt Ren, dass Yari zusammenzuckt, sagt aber nichts dazu. »Danke, das wäre nicht nötig gewesen. Aber da du schon mal da bist: Setz dich doch etwas zu mir.« Freundlich lächelnd deutet er auf einen der Stühle, bevor er zur Spüle geht, um den Teller abzuwaschen. Aus dem Augenwinkel sieht er, wie Yari sehnsüchtig zur Tür schielt. »Du musst nicht hierbleiben, wenn du nicht willst.«

      Ertappt sieht Yari ihn an. »Das ist es nicht, ich wollte eigentlich nur …«

      »Na los, geh schon«, unterbricht ihn der Ältere mit einem auffordernden Blick, was sich Yari nicht zweimal sagen lässt.

      Schnell geht er aus der Küche zum Badezimmer. Mit einer Hand dreht er das Schild um, bevor er den kleinen Raum betritt und die Tür hinter sich schließt. Durch das Verhalten des alten Mannes etwas sicherer geworden, steuert er die Badewanne an und zieht sich aus. Er hat das dringende Bedürfnis, sich gründlich zu waschen.

      Genießend lässt er das warme Wasser über seinen Körper laufen, bis ihm einfällt, dass er nicht nachgesehen hat, wo die Seife ist. Doch zum Glück liegt sie gut erreichbar auf einer kleinen Ablage.

      Als er fertig ist, stellt er sich an das kleine Waschbecken. Dort sieht er sich einen Moment lang ratlos um, bis er einen Zettel entdeckt, der an der Wand lehnt: Hallo, Yari. Im Schrank über dem Waschbecken findest du, was du brauchst.

      Neugierig öffnet er den Schrank. Darin befinden sich vier Ablagebretter. Drei sind mit ihren Namen beschriftet, das vierte scheint ein Gemeinschaftsfach zu sein. In dem Fach mit seinem Namen findet er einen Tonbecher, in dem eine Zahnbürste steht. Daneben liegen ein Kamm aus Holz und ein einfaches Rasiermesser sowie ein kleines Gefäß, das Zahnpasta enthält. Ungläubig blickt er auf die Sachen, die offensichtlich nur für ihn gedacht sind.

      Sich so sauber wie schon lange nicht mehr fühlend, verlässt Yari das Badezimmer und dreht das Schild wieder auf grün. Einen Moment lang überlegt er, ob er wieder in sein Zimmer gehen soll, doch dann geht er zur Küche, aus der er leise Stimmen hört:

      »Es ist unglaublich, aber Blacky hat es schon wieder geschafft, sich eine Schramme über dem Auge einzufangen.«

      »Du weißt doch, wie er ist. Hast du sie denn schon versorgt? He, Yari, setz dich ruhig zu uns.« Ren sitzt immer noch der Tür zugewandt am Tisch.

      Kai, der an der Anrichte lehnt und einen Becher in der Hand hält, dreht sich nun auch zu Yari um.

      Fragend blickt Yari ihn an. Erst, als Kai ihm zunickt, setzt er sich unsicher auf einen der Stühle. Er erstarrt, als Ren ihm ohne Vorwarnung die Hand erst auf die Stirn, dann an den Hals legt.

      »Gut, du scheinst kein Fieber mehr zu haben, wirkst aber noch ein wenig blass. Wie fühlst du dich denn?«

      Aufmerksam wird er von dem alten Mann