Strümpfig, in dunkelblauen Jogginganzügen geleitete sie Fräulein Neko über einen überdachten Holzweg zu einem modernen Gebäude. Am Eingang wurden sie von einer Frau begrüßt, die jede von ihnen mit Namen ansprach und irgendwie, fand Sophie, komisch aussah. Lange betrachtete sie die Frau in ihrem rosafarbenen Kostüm. Diese Frau blinzelte nicht, dachte sie überrascht. „Das ist ja ein Roboter!“, entfuhr es ihr. Stolz nickte Fräulein Neko und erklärte: „Ja, eines der neusten Modell für den Empfang.“
Mit trippelnden Schritten führte sie die Freundinnen weiter und öffnete die Tür zu einem großen offenen Raum. „Da hinten ist Masaru“, rief Suki und winkte nach hinten. Neben ihr baute sich eine Animefigur auf. „Willkommen Suki-san“ Verblüffung spiegelte sich auf ihrem Gesicht. „Das ist ja … aus der …“, stotterte sie verdattert. Auch vor den anderen materialisierte sich eine Figur. „Diese Avatare werden sie herumführen und Ihnen alles erklären“, informierte sie ein schwarzhaariger Mann, der plötzlich neben Fräulein Neko aufgetaucht war. „Ich bin Herr Kumigashi und so was wie der Abteilungsleiter“, stellte er sich mit einer leichten Verbeugung vor. Interessiert betrachtet Sophie ihren Avatar. Leicht durchscheinend passte er sich ihren Bewegungen an. „Wo sind die Sensoren versteckt?“, fragte sie Herrn Kumigashi interessiert, nachdem Onta, Alba und Lulu den Karaoke-Bereich aufgesucht hatten. Mit einem wissenden Lächeln antwortete Herr Kumigashi: „In ihrem Anzug sind Sensoren eingearbeitet, die alle Ihre Biodaten sammeln.“ Ah, so desu, dachte Sophie auf Japanisch. Sie nickte Suki zu, die sich daraufhin ihrem Avatar zuwandte und sagte: „Wir würden gerne den Drei-D-Raum betreten.“
„Wahnsinn“, stöhnte Onta drei Stunden später, als sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Treffpunkt machten. „Wirklich der absolute Wahnsinn“, stimmte ihr Lulu zu. „Wie lange es wohl dauert, bis diese Art der Technologie bei uns auf den Markt kommt?“, rätselte Sophie laut und schaute Suki an. „Vielleicht kommt sie hier nach Europa gar nicht“, erwiderte sie mit einem Achselzucken. „Wir hatten bei uns zu Hause schon so viele technische Neuerungen, die es hier gar nicht gibt“, wisperte sie mit einem leisen Bedauern in der Stimme. Hatte Suki etwas Heimweh? Mit mitfühlendem Blick schauten sich ihre Freundinnen an. „Schau mal da vorne sind schon deine Eltern“, rief Onta und hakte sich bei Suki unter. So schnell es ihre Getas und Kimonos zuließen, gingen sie zu Herrn und Frau Asoko. „Na, hattet ihr einen schönen Tag“, fragte Sukis Vater. Ein einstimmiges „Ja“, ließ ihn erleichtert aufatmen. Kichernd näherten sich Masaru und Jette der Gruppe. „Jetzt fehlt nur noch Chiyoko“, murmelte Herr Asoko und schaute sich besorgt um. „Da ist sie“, rief Suki und deutete auf einen rot lackierten Schirm, der sich zwischen den bunten Blättern der Gruppe näherte. Beschwingt näherte sie Sukis Großmutter den Wartenden. „Oh, ihr wartet auf mich?“, fragte sie mit einem koketten Lächeln, als sie den Schirm schloss. Da hatte wohl jeder von uns einen schönen Tag gehabt, dachte Sophie und grinste die anderen an. Wie schon am Morgen trippelte die Gruppe in einer geordneten Reihe zurück zum Bus.
„Es war ein wunderschöner Tag. Vielen Dank“, verabschiedeten sich die Lulu und Alba als erstes. „Wie ein Tag in Japan“, meinten Onta und Sophie, als sie am Haus der Asokos angekommen waren. „Das freut mich meine Lieben“, erwiderte Herr Asoko und strahlte die beiden an. „Danke schön“, flüsterte auch Suki zum Abschied und „Vielen Dank für das neue Metronom“, fügte sie hinzu und klopfte stolz auf ihre Tasche. Sophie und Onta grinsten sich an. „Na, habe ich es nicht gesagt“, flüsterte Onta, als sie sich im Atelier von Frau Asoko umzogen. „Ja, hast du“, pflichtetet ihr Sophie bei und zog mit einem Seufzer der Erleichterung ihre Turnschuhe an.
Unter Hackern
Der Wind wirbelte die Blätter durch die Luft und ließ sie gegen die großen Fenster des Klassenzimmers klatschten. Es war Montag: Geschichtsstunde, Aufstieg des Empires.
Gedankenverloren blickten Onta nach draußen, während neben ihr Sophie versuchte sich auf die Zeitraffersimulation zu konzentrieren. „Ist das langweilig“, wisperte Onta gähnend und schaute sich im Raum um. Die meisten ihrer Mitschüler schauten auf ihre Monitore. „Ich finde es spannend“, flüsterte Suki. Onta schaute sie zweifelnd an. „Du meinst, dich interessiert der Aufstieg des englischen Reiches zum Empire?“, fragte die Halbirin leise zurück. Suki nickte langsam, während sie bedächtig über die Tastatur strich. „Aber natürlich“, antwortete sie mit ernst verstellter Stimme. „Allerdings, finde ich Tobias neuen Blog-Eintrag - noch eine Ecke interessanter“, gluckste sie sybillisch lächelnd.
Jetzt hatte sie Ontas Aufmerksamkeit! Schnell schaute sie sich um und dann fiel es ihr auf. Alle, außer ihr, schauten gebannt auf ihre Monitore und lasen. Mit flinken Fingern gab sie die Adresse: „Die grüne Schüttelkugel“ ein. Ontas Augen huschten über den Monitor. Soso, die Geschichte die Sorokin erzählt hatte, stimmte also. Der Sohn des Oberstaatsanwalts war tatsächlich hier auf die Schule gegangen und war vor sechs Jahren beim Dealen erwischt und verwiesen worden. Das Bild eines Grabsteins zeigte einen weinenden Engel und den Namen Sebastian Sigrun sowie das Todesdatum. Der Sohn des Oberstaatsanwalts war nur siebzehn Jahre alt geworden.
„Wie kam er nur an die schulinternen Dokumente?“, fragte Sophie leise und scrollte runter. „Frag ihn doch einfach nachher“, schlug Suki vor und klimperte mit ihren schwarzen Wimpern. „Genau“, schloss sich Onta an und ließ ihre Augenliedern dramatisch flattern. „Ihr seid Komikerinnen“, murmelte Sophie unwirsch und wechselte wieder zu der Geschichtssimulation zurück.
Auf dem Weg zum Informatikunterricht war Tobias umringt von den anderen Schülern. „Ein Magier, verrät niemals alle Geheimnisse“, hörte Sophie ihn prahlen. Ein Magier, pah, dachte sich Sophie. Der Magier ist einfach ein begabter Hacker oder hatte Hilfe von anderer Seite, vermutete sie missmutig. Mit einer wenig eleganten Bewegung ließ sie sich auf ihren Platz gleiten.
„In diesem Jahr beschäftigen wir uns intensiv mit Späh- und Suchprogrammen“, verkündete Herr Suse und schaute betont nicht in Tobias Richtung. Süß der wurde ja rot, genoss Sophie den leichten Farbwechsel des IT-Freaks. „Heißt dass, wir sollen auch ein Spähprogramm entwickeln? So einen … einen Trojaner oder Keylogger?“, fragte Claudia ganz unschuldig, während sie ihre Haarsträhne an ihrem Zeigefinger entlangzwirbelte. Eine Pause entstand und Sophie konnte Herrn Suse tief durchatmen. „Ja in der Tat, sollt ihr in diesem Schuljahr probieren ein Spähprogramm zu entwickeln. Im nächsten Jahr müsst ja ihr, die achte Klasse abwehren“, erklärte er mit fester Stimme. „Mafalda war gut, doch jetzt heißt das Ziel, dass ihr eine Programm entwickelt, das sich auf bestimmten Computern einniestet, gezielt Inhalte sucht und sie zurücksendet, ohne entdeckt zu werden“, fügte er mit funkelnden Augen hinzu. „Aber ist so etwas nicht schrecklich ungesetzlich“, forschte Tobias unschuldig nach. Herr Suses Kopf fuhr herum. „Tja, euer Programm dient ja nur eurer schulischen Weiterentwicklung, damit ihr im nächsten Jahr entsprechende Abwehrprogramme schreiben könnt, die vielleicht auch die beiden Schulserver vor unerlaubtem Zugriff schützt“, erklärte der Informatiklehrer und blieb vor Tobias Tisch stehen und schaute ihn mit einem haifischartigem Lächeln an. Grinsend wandte sich Sophie ab, wobei nicht nur sie Mühe hatte, ein Prusten zu unterdrücken. Herr Suse stapfte wieder zu seinem Pult. „Und da ich weiß, dass dies nicht so einfach ist, bekommt ihr Mentoren aus der Oberstufe.“ Alle blickten auf. Mentoren? Oberstufe? Lächelnd blickte der dickliche Lehrer seine Schüler an. „Ihr werdet in zweier Teams arbeiten und jedes Team wird von einem Mentor betreut. Ich unterrichte euch die theoretischen Grundlagen und euer Mentor die Anwendung.“ Ein Raunen ging durch die Klasse. „Ihr werdet euren Mentor heute Nachmittag zur Laborzeit treffen, sie haben euch bereits eine Nachricht geschickt“, erläuterte Herr Suse und tippt auf seinen Monitor. Sophie öffnete gespannt ihr Konto. „Heute Nachmittag, Studierzimmer 311“, stand dort nüchtern. Kein Absender, keine Hallo. Sophie runzelte ihre Stirn. Raum 311 war doch ihr Studierzimmer! Und wer würde ihr Partner sein?
Nachdenklich und leicht nervös traf sie sich mit den anderen in der Mensa. „Ach dieser neue Spanischlehrer ist einfach zu süß“, schwärmte Onta und ließ tatsächlich einen Teil des Zucchiniauflaufs