Er führt mich zu einem Parkplatz ganz in der Nähe. Ein dunkelgrüner Mustang glänzt uns zwischen den ganzen Autos entgegen und Ben drückt einen Knopf auf seinem Schlüssel, worauf die Lichter kurz aufleuchten.
„O, mein Gott, das ist deiner?", keuche ich staunend und fahre mit meinem Finger über die Motorhaube, bewundere den Oldtimer vor meinen Augen.
Ben nickt. „Eigentlich gehört er meinem Grandpa, aber er hat ihn mir überlassen, weil er kein Auto mehr fahren kann", erzählt Ben schmunzelnd und öffnet die Autotür der Fahrerseite. „Ich könnte mir so ein Auto niemals einfach so leisten."
Mit großen Augen sehe ich immer noch auf das grüne Wunder und öffne ebenfalls die Tür. „Dein Grandpa hat definitiv Geschmack", sage ich als wir im Auto sitzen.
Ben steckt den Schlüssel in das Zündschloss und schnallt sich an. „Da hast du so was von Recht. Ich liebe meine Corinna", meint er lächelnd und streicht über das Lenkrad.
„Du nennst dein Auto Corinna?", frage ich belustigt.
Er startet den Motor und fährt vom Parkplatz.
Selbst der Motor hört sich wahnsinnig gut an.
„Na ja, mein Neffe nennt das Auto immer Corinna, warum auch immer", erzählt er. „Und irgendwie ist das voll auf mich übergegangen. Wo entlang?"
„Hier vorne rechts." Ich schmunzele und hole mein Handy aus der Hosentasche.
Ich muss Aiden definitiv anrufen, wenn ich auf meinem Zimmer bin. Er hat es nicht verdient, dass ich ihn einfach ignoriere.
Als mein Handy angeht, poppen sofort sieben Nachrichten auf meinem Bildschirm auf, die mir sagen, dass er mich wirklich oft versucht hat anzurufen. Sofort rast mein Herz, weil ich die Situation zwischen ihm und mir noch viel schlimmer gemacht habe, indem ich seine Anrufe einfach ignoriert habe. Und das auch noch den ganzen Tag. Wenn ich er wäre, wäre ich wirklich rasend sauer.
„Was ist los?", fragt Ben, als er merkt, dass meine Laune am Boden ist.
Ich seufze. „Ach, es ist... Ich habe momentan Streit mit jemandem."
Nach einer kurzen Pause fragt Ben: „Mit Aiden?"
„Wieso glaubst du das?", frage ich mit gerunzelter Stirn und betrachte sein Profil, während er auf die Straße sieht.
„Keine Ahnung, es war nur geraten."
Ich lehne meinen Kopf an die Kopflehne und sehe aus dem Fenster. „Aiden und ich haben uns heute Morgen gestritten. Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich all seine Anrufe ignoriert habe."
Wieso erzähle ich ihm das? Ben muss denken, dass unsere Beziehung schlecht läuft, wenn ich ihm von unserem Streit erzähle und das möchte ich nicht. Denn es läuft eigentlich gut.
„Dann solltest du ihn am besten sofort anrufen, wenn du auf deinem Zimmer bist", rät er mir. "Jemanden zu ignorieren ist noch schlimmer, als sich zu streiten, finde ich. Ich habe das immer gehasst, wenn das meine Freundin gemacht hat."
"Du hast eine Freundin?"
"Hatte", korrigiert er mich. "Wir haben uns nach drei Jahren letzten Winter getrennt. Sie war unerträglich." Er stöhnt genervt.
"Klingt nach Liebe", sage ich ironisch.
"Es war Liebe! Aber sie war total nervig. Sie hat angefangen sich die Haare blond zu färben und hat sich für nichts anderes mehr interessiert, als irgendwelche Kosmetikscheiße von Laroel oder so was."
"Ich glaube, du meinst Loreal", korrigiere ich ihn amüsiert.
"Laroel, Loreal, ist doch alles derselbe Müll. Auf jeden Fall bedaure ich es keine Sekunde, dass sie mich irgendwann betrogen hat." Er schüttelt sich kurz. "Endlich nie wieder dieser ekelige Make-Up Geschmack im Mund beim Küssen."
Ich lache und zeige auf den Parkplatz auf dem Campus. "Hier vorne kannst du halten."
Ben hält neben dem Platz, wo Aiden sonst immer hält und stellt den Motor ab. Jetzt kann ich mir das schlechte Gewissen nicht mehr ausreden.
Ich könnte Aiden verschweigen, dass ich heute mit Ben unterwegs war.
Nein, auf gar keinen Fall.
Ben und ich sind nur Freunde und ich werde Aiden nichts verschweigen und ihn nicht hintergehen indem ich ihm Dinge verheimliche. Vielleicht findet er es auch gar nicht so schlimm, da ja Ben weiß, dass Aiden und ich ein Paar sind. Ich werde es ihm auf jeden Fall sagen, wenn ich ihn gleich anrufe.
Ben hatte recht, als er sagte, dass ignorieren noch viel schlimmer ist, als streiten. Wir sind immerhin keine Kindergartenkinder.
"Danke, dass du mich mitgenommen hast", sage ich zu Ben und er nickt.
"Das ist kein Problem. Ich danke dir für den lustigen Tag." Sein Lächeln ist warm und sympathisch, wie immer.
"Ja, es war wirklich lustig." Ich lächele und öffne die Autotür.
Als ich schon draußen stehe, sagt Ben noch: "Raven, sehen wir uns denn mal wieder? Natürlich nur zu einem freundschaftlichen Kaffee."
Ich bücke mich zu ihm ins Auto. "Vielleicht statte ich dir ja im Krankenhaus mal einen Besuch ab. Natürlich nur auf freundschaftlicher Basis", zitiere ich ihn und grinse neckisch.
Er lacht leise. "Okay, das wäre toll."
Auf dem Weg in mein Zimmer gehen mir die schlimmsten Dinge im Kopf herum.
Wieso habe ich das Gefühl, dass ich Aiden hintergehe, wenn ich mit Ben rede?
Ich hatte heute immerhin nicht einmal das Gefühl, dass Ben mich anmacht und er hat selbst ständig behauptet, dass es nur auf freundschaftlicher Basis läuft. Und ich habe ihm auch keinerlei Hoffnung gemacht.
Ein klein wenig Angst staut sich in mir an, denn ich kann wirklich nicht einschätzen, wie Aiden reagieren wird, wenn ich ihm sage, dass ich mit Ben unterwegs war.
Wir müssen einfach wie zwei normale Erwachsene reden. Ja, das ist das Beste.
Seufzend stecke ich den Schlüssel in das Schlüsselloch meiner Zimmertür und öffne sie. Ich schließe sie hinter mir und werfe mein Handy, Schlüssel und Geldbeutel auf mein Bett. Als ich mich gerade auf das Bett fallen lassen will, sehe ich jemanden am Fensterbrett gelehnt.
"Wow, du hast mich erschreckt", keuche ich und halte mir die Hand über das Herz, als ich Aiden entdecke, der mich mit verschränkten Armen betrachtet.
Sein Blick sieht nicht glücklich aus.
O, nein.
"Wie bist du hier reingekommen?", frage ich unsicher und merke, wie mein Puls sich beschleunigt.
"Aby", sagt er knapp und sieht mich mit leeren Augen an.
"O", mache ich und wippe unsicher auf meinen Füßen.
Ich höre Aiden tief einatmen und er sieht auf mein Bett, auf dem meine braune Tasche liegt. "Du hast deine Tasche bei mir vergessen."
Als Danke nicke ich ihm nur kurz zu.
"Ich habe dich unendlich mal angerufen."
"Ich weiß", sage ich leise und sehe schuldbewusst auf den Boden.
"Wieso bist du nicht rangegangen?"
"Ich wollte nicht", meine ich mit zuckenden Achseln.
Er seufzt. "Raven, du kannst nicht einfach abhauen und meine Anrufe ignorieren. Und das den ganzen beschissenen Tag lang."
"Es tut mir leid, aber ich war nun mal wütend auf dich."
"Dann solltest du mit mir darüber