„Was ist denn?“, fragte Amandra unwillig im Halbschlaf und räkelte sich. Irgendetwas hatte sie aus ihrem schönen Traum gerissen.
Dieses Etwas zwitscherte und flatterte und tirrilierte über ihrem Kopf ganz aufgeregt und furchtbar nervig, wie ein lästiges Insekt. Amandra versuchte, das Tier mit abwehrenden Handbewegungen zu verscheuchen. Plötzlich schrak sie auf. Schlagartig wurde ihr klar, wo sie sich befand und was geschehen war.
„Oh jeh!“, rief sie entsetzt, „ich bin eingeschlafen, wie schrecklich, wie peinlich!“
In diesem Moment erwachte auch Emelda und sah ihre Freundin verwirrt an.
„Was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus, als sei die der Leibhaftige begegnet.“
„Es ist schrecklich“, antwortete Amandra, „ich bin eingeschlafen.“
Wenn eine Elfe eine Wache übernahm, dann bedeutete das, dass diejenigen, die man bewachte, sich darauf verlassen mussten, dass der oder die Wachende seine Aufgabe erfüllte. Schließlich vertrauten sie ihm im Ernstfall ihr Leben an.
Für Amandra war es daher Ehrensache, eine Wache, die sie übernommen hatte, bis zur letzten Minute durchzustehen und vor allem: wach zu bleiben und aufzupassen, dass den anderen nichts passieren konnte. Nun war sie eingeschlafen. Amandra war untröstlich und klagte fortwährend über ihr Versagen.
„Jetzt lass das mal gut sein“, versuchte Emelda, ihre Freundin zu beruhigen.
„Es war für uns alle sehr viel in letzter Zeit. Du bist auch erschöpft und irgendwann muss man mal ruhen. Mach dir deswegen jetzt bitte keine Vorwürfe mehr.“
„Das tu ich aber“, bemerkte Amandra. Tränen flossen ihr über die Wangen.
Emelda, die durch den Schlaf wieder zu Kräften gekommen war, nahm Amandra in den Arm und versuchte, sie zu trösten. Es war vergeblich.
„Ohne dich wäre ich gar nicht mehr da. Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du das Gift aus meinem Körper herausgeholt hast. Im Übrigen, was macht eigentlich der Piepmatz hier, der uns geweckt hat? Und was ist das für eine Wolke da hinten?", fragte Emelda bei einem Blick über den Rand ihrer Behausung.
Amandra war noch zu sehr mit sich und ihrem Versagen beschäftigt, als dass sie sich mit einer Wolke hätte befassen können. Sie wollte am liebsten vor Scham und Wut im Boden versinken. Emelda allerdings, kaum, dass sie von ihrer Verwundung genesen war, übernahm wieder das Kommando.
„Das sieht nicht gut aus, was da auf uns zukommt, Mandy und ich wäre wirklich sehr erfreut, wenn du bald wieder bei der Sache wärst.“
Amandra hatte den besorgten Ton in Emeldas Stimme gehört und schaute nun auch in die Richtung, in der Emelda die Staubwolke ausgemacht hatte.
Fünf Punkte waren am Horizont zu erkennen und sie wurden schnell größer.
„Wenn das mal nicht Gifhars sind“, stellte Emelda fest.
„Ich fürchte, du hast Recht....“, antwortete Amandra und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„....und da sitzt auch noch was drauf.“
„Oh Gott, unsere ganz speziellen Freunde. Wenn ich etwas heute nicht gebrauchen kann, dann diese Ratten.“
„Der Kristall“, rief Amandra entsetzt. „Wir müssen den Stein in Sicherheit bringen. Er darf denen auf keinen Fall in die Hände fallen. Dann wäre Fasolânda und das ganze Königreich in Gefahr.“
13 Sinja und Gamanziel - Party in der Baumhöhle
Gamanziel staunte nicht schlecht, als Sinja ihr erzählte, wie sie den Nauron und seinen Reiter in den Wald befördert hatte.
„Du bist ja innerhalb kürzester Zeit zu einer Kämpferin geworden.
Ehrlich gesagt habe ich mir am Anfang Sorgen um dich gemacht.
Als ich nach meinem Absturz wieder aufgewacht bin, dachte ich, sie hätten dich gekriegt und du wärst hinüber.“
„Das dachte ich von dir auch“, antwortete Sinja.
„Wie ich sehe, war meine Furcht unbegründet. Du kannst ganz gut auf dich selbst aufpassen.“
„Ja, sieht so aus!“
In diesem Moment hörten sie ein blechernes Klappern aus dem vorderen Raum.
„Ah, die Jungs sind wieder da“, stellte Gamanziel fest.
„Es wird auch langsam Zeit, dass wir mal etwas zwischen die Zähne bekommen. Du musst doch sicher einen höllischen Hunger haben?“
„Das darfst du gerne weitererzählen!“
„Ich verspreche dir, dass es uns hier an nichts fehlen wird. Ich hab ihnen erzählt, dass du Vegetarierin bist.“
„Na dann lass uns mal sehen!“
„Ja, komm' mit. Außerdem sollte ich dir endlich Ferendiano und Doriando vorstellen. Cichianon kennst du ja schon.“
Bei Gamanziels letzten Worten meinte Sinja ein verschmitztes Lächeln in ihrem Mundwinkel entdeckt zu haben. Hatte sie ihre Zuneigung zu dem Elfenjungen bemerkt? Na, und wenn schon. Dann wusste sie es eben.
Als sie den vorderen Raum betraten, fanden sie nicht nur die drei Elfenjungs dort vor, sondern auch einen reich gedeckten Tisch. Es waren verschiedene Obst- und Käsesorten, sowie Salate aufgetischt, die die drei aus den Pflanzen und Kräutern des Waldes gezaubert hatten.
Brote, frisch aus dem Ofen und Gebäck wurden gereicht, ebenso wie Säfte aus einheimischen Früchten und von allem gab es mehr als genug.
„Endlich was zu futtern“, freute sich Sinja, die seit dem kargen Mahl am Berg nur noch ein paar Blätter und Kräuter aus dem Rucksack gegessen und daher erheblichen Hunger hatte. Die Anstrengungen der letzten Zeit taten ein Übriges.
„Na dann mal guten Appetit. Lasst es euch schmecken“, sagte einer der beiden Elfenjungs. Auch wenn das meiste, das auf dem Tisch stand, für Sinja neu war, war sie allein von der Fülle und dem Aussehen der Speisen so begeistert, dass sie für die beiden Elfenjungs zunächst wenig Interesse zeigte.
„Ich hoffe, ihr findet mich nicht allzu unhöflich, aber ich muss jetzt erstmal was in den Bauch haben. Danach können wir gerne über alles Mögliche reden.“
Die Elfen hatten Verständnis und somit war das Buffet eröffnet.
Sinja wusste gar nicht mehr, wie viel Platz in ihrem Magen war, aber heute brachte sie es in Erfahrung.
Es gab etwas, das aussah und schmeckte wie grüne Bananen, Früchte in Form einer Birne, dunkelrot, es gab blaue, rote und gelbe Trauben und ein Gebäck, das aussah und schmeckte wie Schokoplätzchen. Weiße und dunkle Brote lagen in Körben auf dem Tisch und in einer Schale wurde eine Creme serviert, die an unsere Nougatcreme erinnerte, nur noch ein kleines bisschen leckerer schmeckte. Dazu gab es hellen und dunklen Käse, grünen, roten und weißen, stinkig und mild, weich und hart. Säfte, Milch, Kakao und Limonade standen in Karaffen und Krügen auf dem Tisch. Kurzum, alles was das Herz begehrte. Ein richtiges Fest.
Sinja aß und trank und naschte von allem, bis sie das Gefühl hatte, gleich platzen zu müssen.
„So feiern wir Elfen, Sinja Wagemut“, rief Cichianon ihr zu.
„Puh, jetzt reicht’s aber mal! Gleich macht’s bumm und die liebe Sinja fällt um“, reimte sie zur Freude ihrer neuen Freunde, „aber bevor ich vom Stuhl falle, fände ich es schon noch gut, zu wissen, wer wer ist und wem wir dieses tolle Essen verdanken.“
„Nun“, sagte Gamanziel, „der junge Mann mit dem dunklen Haar zu deiner Rechten ist Ferendiano und der blonde Pferdeschwanz