„Was willst du noch von mir?“ fuhr dieser Muffin an. „Willst du mich etwa noch teeren und federn?“ – „Ähm…’tschuldigung“, erwiderte Muffin zaghaft. „Ich wollte nur nachsehen, ob ich helfen kann, schließlich war es mein Hund, der sie so Übel zugerichtet hat.“ Der Bär schwieg beleidigt. Nach einer Weile hielt er ihm aber die Tatze hin und sagte: „Gestatten, Yeti ist mein Name und ich bin ein wilder Schneebär aus den Bergen.“ – „Sehr angenehm, Herr Schneeyetibär“, versetzte Muffin freundlich, „ich bin der Muffin und ich bin ein wilder Wauzi aus Johanneskirchdorf.“
Kluges Geschwätz
„Was ist Yeti eigentlich für ein komischer Name?“ fragte Muffin vorsichtig, als er am Abend mit dem Schneebär und Arnold am Lagerfeuer in Yetis Höhle saß.
„Was ist Muffin für ein komischer Name?“ fragte der Bär ärgerlich zurück.
„Ähm“, begann Muffin verlegen, „also eigentlich ist Muffin ein ganz normaler Hundename“, und mit wichtiger Miene fügte er hinzu, „Muffin ist chinesisch und bedeutet: außergewöhnlich gutaussehender und saukluger Hund.“
Yeti begann lauthals zu Lachen und schlug sich dabei mit seinen Tatzen immer wieder auf die dicke Bären-Plauze. „Muffin ist chinesisch“, rief er dabei amüsiert und kugelte schließlich wie ein Verrückter in der Höhle herum. Fragend schaute Muffin Arnold an, der aber außer einem ‚Börps’ nichts dazu zu sagen hatte.
„Was ist so lustig?“ erkundigte sich Muffin irgendwann ärgerlich.
„Also erstens“, begann Yeti jetzt ernst, „ist Muffin amerikanisch und nicht chinesisch. Und zweitens bedeutet es: dicker, kleiner Hundekuchen.“ Arnold kicherte.
„Du bist wohl noch nie aus deinem langweiligen Bergnest ’rausgekommen, hä?“ fuhr Muffin den Schneebären an. „Sonst wüsstest du nämlich, dass Muffin ein chinesischer Ehrenname für tolle Hunde ist.“ – „Hunde sollen in China eine Delikatesse sein“, bemerkte Yeti.
„Du meinst sicher, dass Hunde in China nur Delikatessen fressen“, verbesserte ihn Muffin.
„Nein, ich meine, dass Chinesen Hunde mampfen!“ erwiderte der Bär.
„Der macht nur Spass“, sagte Muffin jetzt zu Arnold, der ihn entsetzt anglotzte.
„Ach so“, begann Yeti gereizt, „dann hat mein chinesischer Vetter wohl gelogen. Pass’ nur auf, dass der dich nicht in die Tatzen bekommt.“ – „Wie du meinst“, lenkte Muffin jetzt ein und zwinkerte Arnold zu. „China ist ja zum Glück weit weg.“ Der Yetibär schaute ihn prüfend an.
„China“, begann er dann ruhig, indem er mit seiner Pfote nach Norden zeigte, „ist gleich dahinten.“ – „Du bist ein richtiger Spaßvogel-Bär“, erwiderte Muffin lachend. „Dahinten ist Johanneskirchdorf, und das ist sicher nicht in China!“ – „Du hättest in der Hundeschule mal besser aufpassen sollen“, raunzte Yeti ihn an. „Das weiß doch jeder Welpe, dass der Himalaya in China ist.“ Nun war Muffin schon irritiert, schließlich hatte er ja nicht mal die Welpenschule geschafft. Hilflos blickte er zu Arnold: „Was sagst du denn dazu? Du bist doch unser Musterschüler.“ Arnold war nämlich schon in der zweiten Hundeklasse und nach Papas Angaben ganz besonders gelehrig. „Na los, Streber“, ermunterte Muffin den Neufundländer, „zeig’ dem dummen Zottelpelz doch mal, was du alles kannst.“ Natürlich hatte Arnold keinen blassen Schimmer, was Muffin von ihm wollte, dennoch wollte er nicht wie Doof dastehen. Und während ihn die beiden erwartungsfroh angafften, erhob er sich langsam zu seiner vollen Größe, stellte sich mitten in die Höhle und...jagte seinem Schwanz hinterher.
Muffin hielt sich die Pfötchen vor die Augen. ‚Ist das peinlich’, dachte er, ‚jetzt ist der schon so groß und benimmt sich immer noch wie ein Babywelpe.’
Der Schneebär schaute der lächerlichen Darbietung derweil äußerst beeindruckt zu. „Nun“, sagte er dann zu Muffin, als Arnold seine Nummer beendet hatte, „der scheint tatsächlich mehr auf dem Kasten zu haben als du.“
Ein fauler Schneebär
„Habt ihr was dagegen, wenn ich euch ein Stückchen begleite?“ fragte Yeti am nächsten Morgen, als Muffin und Arnold sich auf den Weg machen wollten.
„Meinetwegen“, knurrte Muffin verschlafen. Eigentlich war er ganz froh einen ortskundigen Begleiter zu haben, obwohl der Schneebär äußerst ungeschickt zu sein schien. Muffin hatte nämlich zufällig beobachtet, wie Yeti bei einem nächtlichen Geschäft, beinahe in eine Felsspalte gestürzt wäre. Dabei war er (mit heruntergelassenen Hosen!) mindestens 100 Pfötchen weit einen Berghang hinabgesaust, bevor er glücklicherweise noch rechtzeitig seinen Eispickel in den gefrorenen Boden rammen konnte. „Da hast du aber noch mal Glück gehabt“, hatte Muffin ihn erleichtert vor der Höhle empfangen, doch der Schneebär winkte nur lässig ab: „Das passiert mir ständig…und eigentlich ist’s auch ganz lustig.“ Glücklicherweise konnte Muffin gerade noch verhindern, dass Arnold ihm diese „lustige“ Rutschpartie nachmachte, da der Neufundländer bereits fröhlich (und mit heruntergelassenen Hosen!) am Abhang stand.
„Wir müssen aber über den Gipfel vom Himalaya rüber, wenn wir nach Johanneskirchdorf wollen“, erklärte Muffin dem Bären ihre Reiseroute. Yeti musste sich schwer beherrschen, um nicht laut loszulachen. „Über den Gipfel vom Himalaya?“ wiederholte er amüsiert.
„Über den Gipfel vom Himalaya!“ versetzt Muffin ernst.
„Weißt du überhaupt, was der Himalaya ist?“ fragte der Bär.
„Der Himalaya“, begann Muffin wie ein kluger Streberwuffi, „ist der höchste Berg auf der ganzen Welt. Sein Name bedeutet ‚Schneehaus’ und noch nie, niemals, nimmer hat ein Wuffi da sein Pfötchen draufgesetzt.“ Yeti quiekte vor Vergnügen, und obwohl Arnold gar nicht wusste, worum es überhaupt ging, quiekte er fröhlich mit.
„Der Himalaya ist ein Gebirgszug“, erklärte der Schneebär schließlich ernst. „Was du meinst ist der Mount Everest oder der Tschomolangma, wie wir gebildeten Schneebären den riesigen Berg nennen.“ Muffin schwieg, jetzt war er vollkommen verwirrt. „Aber, wenn das nicht der Himalaya-Berg ist, kann auf der anderen Seite unmöglich Johanneskirchdorf sein“, sagte er nach einer Weile betrübt.
„Ich weiß nicht, wo Johannesdingsdorf ist“, erwiderte Yeti etwas ungeduldig, „auf jeden Fall nicht auf der anderen Seite vom Tschomolangma, da ist nämlich China.“ – „Und China ist bestimmt nicht in Johanneskirchdorf“, bemerkte Muffin scharfsinnig.
„Aber“, sagte Yeti jetzt aufmunternd, „vielleicht kann man Johannesdingsdorf ja vom Tschomolangma-Gipfel aus sehen. Von dort oben kann man nämlich alles sehen.“ – „Warst du denn schon mal da?“ fragte Muffin bewundernd.
„Nein“, erwiderte der Schneebär flapsig. „Da oben wohnt nämlich ein fürchterliches Gespenst!“ – „Ein Gespenst?“ wiederholte Muffin ungläubig. „Mama sagt, dass auf dem Himalaya niemand wohnt, weil da die Todeszone ist.“
„Du bist ja wirklich ein saukluger Wuffi“, versetzte Yeti spöttisch. „Dann hat Mama bestimmt vergessen dir zu sagen, dass Berg-Gespenster sich in der Todeszone am wohlsten fühlen.“
Während ihrer Unterhaltung hatten sich die Drei gerade mal fünfzig Pfötchen weit von Yetis Höhle entfernt und standen jetzt vor einer riesigen Steilwand, die direkt in den Himmel führte.
„Es wird langsam Zeit für unsere erste Rast“, sagte der Schneebär, als er den gefährlichen Felsen hinaufschaute. „Was haltet ihr davon, wenn wir zurück zur Höhle gehen und uns mit einem heißen Eierpunsch aufwärmen?“ Und während Arnold wie ein Irrer nickte und so tat, als würde er ganz schlimm frieren unter seinem kuscheligen Neufundländer-Pelz war Muffin nicht so begeistert. „Wenn wir jetzt wieder zurückgehen, kommen wir nie auf dem Gipfel an“, sagte er mürrisch, folgte den beiden aber schließlich trotzdem wortlos.