sähe einen Leichenwagen vor sich hinaufdampfen. Ein halbes
Dutzend Gaslampen von der Straße aus hätten den Eingang nicht
hell genug gemacht, und so kann man sich denken, daß es bei
Scrooges kleinem Talglicht ziemlich dunkel blieb.
Scrooge aber ging hinauf und kümmerte sich keinen Pfifferling
um all das.
Dunkelheit ist billig, und das Billige liebte Scrooge. Aber ehe er
seine schwere Tür zumachte, ging er durch die Zimmer, um zu
sehen, ob alles in Ordnung sei.
Er erinnerte sich des Gesichts noch gerade genug, um das zu
Er erinnerte sich des Gesichts noch gerade genug, um das zu
wünschen.
13
Wohnzimmer, Schlafzimmer, Rumpelkammer, alles war, wie es
sein sol te.
Niemand unter dem Tisch, niemand unter dem Sofa; ein kleines
Feuer auf dein Rost, Löffel und Teller bereit und das kleine
Töpfchen Haferschleim (Scrooge hatte den Schnupfen) auf dem
Feuer. Niemand unter dem Bett, niemand im Alkoven, niemand
in seinem Schlafrock, der auf eine ganz verdächtige Weise an der
Wand hing. Die Rumpelkammer wie gewöhnlich. Ein alter
Kaminschirm, alte Schuhe, zwei Fischkörbe, ein dreibeiniger
Waschtisch und ein Schüreisen.
Vollkommen zufriedengestellt, machte er die Tür zu, schloß sich
ein und schob noch den Riegel vor, was sonst seine Gewohnheit
nicht war, So gegen Überraschung sichergestel t, legte er seine
Halsbinde ab, zog seinen Schlafrock an und die Pantoffeln, setzte
die Nachtmütze auf und nahm dann vor dem Feuer Platz, um
seinen Haferschleim zu essen.
Es war wirklich ein sehr kleines Feuer, in einer so kalten Nacht
so gut wie gar keins. Er mußte sich dicht daran setzen und sich
darüber hinbeugen, um das geringste Wärmegefühl von dieser
Handvoll Kohlen zu erhaschen. Der Kamin war vor langen
Jahren von einem holländischen Kaufmann gebaut worden und
ringsum mit seltsamen holländischen Fliesen mit Bildern aus der
biblischen Geschichte belegt. Da sah man Kain und Abel,
Pharaos Töchter, die Königin von Saba, Engel durch die Luft auf
Wolken gleich Federbetten herabschwebend, Abraham,
Belsazar, Apostel in See gehend auf Butterschiffen, Hunderte
von Figuren, seine Gedanken zu beschäftigen, und doch kam das
Gesicht Marleys wie der Stab des alten Propheten und
verschlang alles andere. Wenn jede glänzende Fliese weiß
gewesen wäre und die Macht gehabt hätte, aus den vereinzelten
Fragmenten seiner Gedanken ein Bild auf ihre Fläche zu zaubern,
auf jeder wäre ein Abbild von des alten Marley Ges icht
erschienen.
»Dummes Zeug!« brummte Scrooge und schritt durch das
Zimmer.
Nachdem er einige Male auf und ab gegangen war, setzte er sich
wieder. Als er den Kopf in den Stuhl zurücklegte, fiel sein Auge
wie durch Zufall auf eine Klingel, eine alte, nicht mehr gebrauchte
Klingel, die zu einem jetzt vergessenen Zwecke mit einem
Zimmer im obersten Stockwerk des Hauses in Verbindung
stand. Zu seinem großen Erstaunen und mit einem seltsamen,
unerklärlichen Schauer sah er, wie die Klingel sich zu bewegen
begann: erst bewegte sie sich so wenig, daß sie kaum einen Ton
von sich gab, aber bald schel te sie laut und mit ihr jede andre
Klingel des Hauses.
Das mochte eine halbe Minute gedauert haben, oder eine ganze,
aber es kam ihm vor wie eine Stunde. Die Klingeln hörten
gleichzeitig auf, wie sie gleichzeitig angefangen hatten. Dann
vernahm man ein Rasseln tief unten, als ob jemand über die
Fässer in des Weinhändlers Keller eine schwere Kette schleppe.
jetzt erinnerte sich Scrooge gehört zu haben, daß Gespenster
Ketten schleppen.
Die Kellertür flog mit einem dumpfdröhnenden Knall auf, und
dann hörte er das Klirren viel lauter auf dem Hausflur unten,
dann wie es die Treppe herauf und dann wie es gerade auf seine
Tür zukam.
»Es ist ja dummes Zeug«, sagte Scrooge. »Ich glaube nicht
dran.«
14
Aber er wechselte doch die Farbe, als es nun ohne zu verweilen,
durch die schwere Tür und in das Zimmer kam. Als es hereintrat,
flammte das sterbende Feuer auf, als riefe es: »Ich kenne ihn,
Marleys Geist!«, und die Glut sank wieder zusammen.
Dasselbe Ges icht, ganz dasselbe. Marley mit seinem Zopf,
seiner gewöhnlichen Weste, den engen Hosen und hohen
Stiefeln, deren Troddeln in die Höhe standen, wie sein Zopf, und
ebenso seine Rockschöße und das Haar auf seinem Kopf. Die
ebenso seine Rockschöße und das Haar auf seinem Kopf. Die
Kette, die er hinter sich herschleppte, war um seinen Leib
geschlungen. Sie war lang, ringelte sich wie ein Schwanz und war
(Scrooge betrachtete sie sehr genau) aus Geldkassen,
Schlüsseln, Schlössern, Hauptbüchern, Kontrakten und
schweren Börsen aus Stahl zusammengesetzt.
Sein Leib war so durchsichtig, daß Scrooge durch die Weste
hindurch die zwei Knöpfe hinten an seinem Rock sehen konnte.
Scrooge hatte oft sagen gehört, Marley habe kein Herz, aber
erst jetzt glaubte er es.
Nein, er glaubte es selbst jetzt noch nicht. Obgleich er das
Gespenst durch und durch und vor sich stehen sah, obgleich er
den erkältenden Schauer seiner totenstarren Augen fühlte und
selbst den Stoff des Tuches erkannte, das ihm um Kopf und
Kinn gebunden war und das er früher nicht bemerkt hatte, war er
dennoch ungläubig und sträubte sich gegen das Zeugnis seiner
Sinne.
»Nun«, sagte Scrooge, scharf und kalt wie gewöhnlich, »was
wol t Ihr?«
»Viel!« Das war Marleys Stimme.
»Wer seid Ihr?«
»Fragt mich, wer ich war.«
»Fragt mich, wer ich war.«
»Nun, wer