Sprit bitte - vollgetankt habe ich schon.. Maik Ottleben. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Maik Ottleben
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086591
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aber in Wahrheit ist es wohl einfach pure Freundlichkeit seitens der Kundin.

      Wie überall gibt es auch hier Ausnahmen, die diese Regel bestätigen, diese sind allerdings wirklich nur genau das: Ausnahmen.

      Die in meiner Jugend gelernten Worte "Bitte" und "Danke" scheinen seit der Jahrtausendwende ohnehin immer mehr aus der Mode zu kommen.

      Ich habe vor einiger Zeit während einer normalen 9-Stundenschicht versucht, die Nutzung dieser beiden Worte durch Kunden zu zählen. Da das Ergebnis jedwede vorherige pessimistische Schätzung bereits nach kurzer Zeit zu unterbieten begann, wurde der Versuch jedoch vorzeitig abgebrochen. Eine Weiterführung des Experiments hätte mich nur vollends deprimiert.

      Eine kurz im Internet durchgeführte Recherche zu dem Thema hatte ergeben, dass meine Krankenkasse die Behandlung derart durch Dummheit selbst herbeigeführter Depressionen wohl nicht übernehmen würde.

      Leider hört Kundenfreundlichkeit nicht bei einem ungenutzten "Danke" auf...

      Jeder kennt den Spruch "Der Kunde ist König." und hat ihn in der einem oder anderen Situation sicher auch schon benutzt.

      Ich nehme mich da selbst auch nicht aus, denn früher gehörte ich auch zu den Menschen, die im Geschäft der Meinung sind, dass sich die Sonne um sie dreht und alle Verkäufer und Berater nur als Monde um mich zu kreisen hätten.

      Inzwischen bin ich davon kuriert, denn ich kenne nun beide Seiten der Medaille und weiß, wie unsagbar glücklich man über Kunden ist, die diesen Spruch anbringen.

      Es gibt kaum etwas Schöneres für einen Kassierer, als Kunden, die sich ein dutzend Mal neu entscheiden, den gesamten Betrieb aufhalten und dann so tun, als wären sie der Mittelpunkt des Universums.

      Als Kassierer denke ich in solchen Momenten gerne wieder an die besagte Guillotine und die Französische Revolution zurück.

      Ich weiß nicht, wie oft ich den Spruch zu hören bekomme, aber es vergeht keine Woche, in der es nicht ein paar Mal vorkommt. Manchmal antworte ich mit einem "in Deutschland wurde die Monarchie abgeschafft" oder "Wir sind eine Republik.", oft ignoriere ich es aber auch einfach nur. Es kommt ohnehin fast immer von Menschen, deren Benehmen man mit Worten beschreiben möchte, für die es bei einigen isolierten Völkern dieser Welt wahrscheinlich nicht mal einen entsprechenden Wortlaut gibt.

      Sie sind laut, vulgär und haben durch ihren Status als Kunde das Recht, mich wie einen Leibeigenen aus dem finstersten Mittelalter zu behandeln, wobei ihre Intelligenz in der Regel nicht einmal dazu ausreicht, um mit dem Begriff Mittelalter etwas anfangen zu können.

      Sie entscheiden sich ungeachtet der sich stetig verlängernden Schlange hinter ihnen mindestens dreimal bei der Zigarettensorte neu und haben dabei noch alle Zeit der Welt, um über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Packungsgrößen Referate zu halten. Referate, die in puncto Spannung und Länge einer Etatdebatte im Bundestag in Nichts nachstehen.

      Begeht man den groben Fehler und bittet sie, sich doch endlich zu entscheiden oder schlimmer noch, sich wenigstens mal ein wenig zu beeilen, geht der Spaß meistens erst richtig los.

      Hat man Glück, bekommt man nur den oben zitierten Spruch oder ein "ich habe doch Zeit" zu hören. Ist der Kunde allerdings - was bei uns leider eher die Regel als die Ausnahme an einem Samstagabend ist - bereits bei einem Blutalkoholpegel jenseits der messbaren Promillewerte, geht es rund.

      Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Beleidigungen ein Gehirn fähig ist, dass ansonsten in dermaßen alkoholisierten Zustand keinen auch nur annähernd deutsch artikulierten Satz mehr zu Stande bringt.

      Hier ergeben sich für den geplagten Kassierer in der Regel drei Alternativen der Interaktion, von denen er je nach Situation das kleinere Übel wählen kann.

      Möglichkeit a) Er ruft direkt die Polizei an, die dann recht schnell dafür Sorge trägt, dass der inzwischen meist sehr lautstark unartikulierte Laute von sich Gebende den Rest der Nacht an einem Ort verbringen kann, an dem er garantiert nicht gestört wird und vor allem auch niemand anderen stören kann.

      Hat man sich für das Telefonat entschieden, heißt es nur noch die Minuten bis zum Eintreffen der Herren in Uniform halbwegs gut zu überstehen.

      Man kann den Schreihals beispielsweise so lange ignorieren und sich austoben lassen oder alternativ auch selbst zur Tat schreiten und ihn zur Tür hinaus befördern. Hierbei ist allerdings peinlich genau darauf zu achten, dass die Tür auch geöffnet ist und zur gleichen Zeit kein LKW am Eingang vorbeifährt. Dieser würde das Problem zwar dauerhaft lösen, dafür haben Arbeitgeber meistens etwas gegen die dadurch entstehende Sauerei direkt vor ihrem Ladenbereich.

      Normalerweise ist der Anruf bei der Polizei allerdings auch nur die letzte Wahl, die man trifft, schließlich gibt es noch Variante b und c, die beide meist mehr Spaß bringen und zudem eine willkommene Möglichkeit bieten, aufgestauten Stress abzubauen oder wieder aktives Training der eigenen Selbstbeherrschung zu betreiben.

      Möglichkeit b besteht dementsprechend auch darin, den Betrunkenen selbst derart laut anzuschreien, dass er freiwillig den Rückzug antritt. Hilfreich hierbei ist nicht nur ein großes Lungenvolumen, sondern auch die Bereitschaft, dies wenn nötig bis zu Letzt auszureizen. Oftmals ist es erstaunlich, wie weit Menschen zurückprallen, wenn man sie aus nur einem Meter Distanz mit voller Hingabe anschreit.

      Kassierer, die in ihrer Freizeit Apnoe-tauchen betreiben oder Wärmflaschen aufblasen, bis diese platzen, sollte sich allerdings doch etwas zurückhalten - geplatzte Trommelfelle brauchen ewig, bis sie verheilen.

      Selbstverständlich empfiehlt sich diese Maßnahme nur bei einzelnen Personen (bei Gruppen steht einem in der Regel der eigene Selbsterhaltungstrieb im Wege) und auch dann nur, wenn sie die eigene Größe und das eigene Kampfgewicht nicht deutlich überbieten können.

      Variante c hingegen ist für genau diese Situationen quasi ideal.

      Man ignoriert den Störenfried so weit wie möglich und tut seine Arbeit. Hierbei ist allerdings dringend darauf zu achten, dass man versucht, eben jene Person so höflich wie es noch machbar ist, dazu zu bewegen, den Shop zu verlassen.

      Der Spagat zwischen völliger Ruhe, der ohnehin sinnlosen Diskussion mit einem Betrunkenen und dem Drang das Ganze mittels Pfefferspray und Baseballschläger vorzeitig zu beenden ist allerdings nicht immer einfach. Gehen sie aber davon aus, dass jeder Buddhist sie danach für ihre Selbstbeherrschung und innere Stärke bewundern wird.

      Das Schwierigste an allen drei Varianten ist es ohnehin, ruhig zu bleiben und die eigene Atmung zu kontrollieren, denn schließlich möchte man in der Zeit, in der man sich nun mit dem Betrunken auseinander setzen muss, nicht zu tief einatmen - vor allem dann nicht, wenn man danach noch mit dem Auto fahren muss.

      Intermezzo 1

      Es war mitten in der Woche, irgendwann so gegen halb drei morgens im November.

      Meine Brötchen waren gebacken, die Bleche voller Croissants standen backfertig da. Bald würden die neuen Tageszeitungen geliefert werden, die ersten Pendler würden kommen und die Arbeit ihren gewohnten Gang gehen - reine Routine, wie ich sie wohl schon tausend Mal gemacht hatte.

      Dann betraten die drei jungen Männer den Verkaufsraum und würden eine bleibende Erinnerung hinterlassen.

      Ich hatte sie auf Anfang bis Mitte zwanzig geschätzt und auf Grund der Kleidung und des Umgangs relativ schnell als Studenten und somit schon fast als "normale und langweilige“ Kunden abgehakt.

      Sie fanden schnell und sicher unser Schnapsregal und begannen eine intensive Beratung, was man denn nun noch trinken wolle.

      Um zumindest ein wenig zu ihrer Ehrenrettung beizutragen, sollte ich wohl erwähnen, dass sie auf mich einen zumindest leicht angeheiterten Eindruck machten.

      Nach fast zehn Minuten intensiver Diskussionen über die Vorteile von Wodka, die Nachteile von Whisky und wieso man sowieso alles mischen könnte, einigten sie sich unerwartet auf den guten, alten Jägermeister. Wahrscheinlich