Forsetas. Carsten Dohme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carsten Dohme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698333
Скачать книгу
tätschelte sie Rufus den Kopf.

      Der Special Agent öffnete den Rucksack, sah hinein und lächelte zufrieden. Er wandte sich zu den übrigen Männern um. »Wir sacken jetzt den gesamten Kram aus dem Schuppen ein und dann Abmarsch. Um Mr Boyle können wir uns immer noch kümmern.«

      FORSCHUNGSSCHIFF KELDYSH

      2.

      Richard kehrte im Schutz der Dunkelheit zu seinem Forschungsschiff, der Keldysh, zurück, die 11 Seemeilen südlich vor der Küste auf 51° 25' Nord 8° 33' West vor Anker lag. Das Schiff war ein Gemeinschaftsunternehmen des North American Institute Of Maritime Research, kurz NAIM, und der Royal Canadian Navy. Sah man genau hin, konnte man die übermalten Embleme am Rumpf des ehemaligen Eisbrechers der Coast Guard noch erkennen.

      Die Einrichtung wurde aus staatlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Mitteln als institutseigene Gesellschaft der University of Victoria gegründet. Ihre Aufgabe bestand in erster Linie in der Untersuchung der unzähligen Flugzeug-,

      Schiffs- und U-Bootwracks vor der kanadischen Küste und den Risiken, die von ihnen für das Ökosystem der Meere, Küsten und den zivilen Schiffsverkehr ausgingen. In Zeiten des Kalten Krieges war es üblich gewesen, dass sich Russen und Amerikaner mit ihren U-Booten gern mal durch den arktischen Ozean jagten und den Kanadiern dabei ihren Schrott hinterließen. Dieser Nachlass machte inzwischen nicht nur mehr Umweltschützer nervös. So lag es in der Natur der Sache, dass die Militärs, Geheimdienste und Politiker ihrem Treiben besondere Aufmerksamkeit schenkten und zu ihren Auftraggebern gehörten.

      Die NAIM finanzierte das Schiff in erster Linie aus Forschungs- und Drittmitteln. Das bedeutete, dass die Crew normalerweise aus zivilen Personen bestand, im Ernstfall jedoch der Marine unterstellt werden konnte. Das war im wahrsten Sinne des Wortes ein Minenfeld, durch das sich der Leiter des Instituts, Paul Cunningham, erst einmal geschickt hindurchmanövrieren musste.

      Richard hingegen rannte für gewöhnlich einfach erst mal durch und formulierte seine Fragen erst dann, wenn der Sprengstoff bereits hochgegangen war. Er tat, was er für richtig hielt. Meist kam er damit durch, weil er das »Grundproblem« dabei löste. Er gehörte zu der Spezies von Wissenschaftlern, deren Motivation aus ihrer kindlichen Neugier genährt wurde. Wenn er loszog und in seinen Gastvorlesungen und Vorträgen von seinen Unternehmungen berichtete, hatten die Zuhörer bald das Gefühl, in eine Fortsetzung von Indiana Jones geraten zu sein. Weder Karrierestreben noch Geld trieben ihn an, sondern die Suche nach dem Abenteuer. Cunningham hatte ihm einmal vorgeworfen, er habe die Welt seiner »Was ist Was«-Bücher niemals verlassen, sei lebensmüde und benötige dringend einen Therapeuten. So wie 2005, auf einer Expedition zu einem havarierten russischen Atom-U-Boot in der Baffin Bay. Damals kam ein US-amerikanisches Team von Wissenschaftlern an Bord. Die Männer waren schweigsam und erstaunlich gut durchtrainiert – Navy Seals. Selbst Richard konnte ihnen nicht entlocken, welches Ziel ihre Forschungsarbeiten im Detail verfolgten. Nachdem der Mannschaft der Keldysh der Zugang zu weiten Teilen ihres eigenen Schiffs verwehrt wurde, kabbelte sich Richard mit den Jungs das erste Mal richtig. Noch während der laufenden Arbeiten tauchten im Internet Bilder eines amerikanischen Atom-U-Bootes auf, das nur wenige Meilen vor der kanadischen Küste die Eisdecke durchbrach. Kanada betrachtete diese Aktion als eine Verletzung seiner Hoheitsgewässer und verwies die Amerikaner vorerst von Bord. An Richard blieb der Verdacht kleben, dass die Veröffentlichung der Fotos auf sein Konto ging. Beweisen konnte man es ihm allerdings nie.

      Nun ließ Cunningham ihm nicht einmal die Zeit, die durchnässte Kleidung zu wechseln, geschweige denn, eine warme Dusche zu nehmen. Richard kippelte vor dem abgenutzten Stahlrohrrahmenschreibtisch auf einem grauen kunstleder-bezogenen Metallstuhl vor und zurück und fummelte mit einem maßstabgetreuen Modell der Keldysh herum.

      »Hör auf zu kippeln und stell das wieder hin! Wir brechen ab.«

      »Was brechen wir ab?«

      »Die Expedition zur Lusitania ist beendet.«

      »Das kannst du nicht machen.«

      »Befehl von oben.«

      »Nun sei doch nicht so einsilbig, verdammt. Wir haben jetzt endlich die Beweise, dass sich Konterbande auf der Lusitania befunden hat.«

      »Tut mir leid, Richard. Eine Sondereinheit der Briten, genauer gesagt der SAS, war bereits an Bord und hat alles, was mit der Lusitania in Zusammenhang stand, beschlagnahmt.«

      »Wann?«

      »Die sind vor einer halben Stunde wieder weg.«

      »Das lassen sich die Amis gefallen?«

      »Falsche Frage. Ist das nicht ein eindeutiges Indiz für deine Theorie, dass die Tommies etwas verheimlichen wollen, wenn sie es wagen, ein amerikanisches Schiff auf Expedition zur Lusitania außerhalb der Dreimeilenzone zu kapern und zu plündern? Ich soll dich übrigens von einem Lieutenant des SIS grüßen. Sei froh, dass der dich da oben auf den Klippen nicht erwischt hat.«

      »Was meinst du? Welche Klippen?«

      »Lass gut sein. Wir haben neue Order bekommen.« Cunningham deutete auf einen Aktendeckel vor sich.

      Richard zog das Dossier vom Tisch. »Forsetas, der germanische Gott der Winde. Windkraftanlagen in der Nordsee. Nicht mein Metier. Kann das nicht jemand anderes machen?«

      »Reinschauen, sagte ich. Ich habe sonst niemanden. Außerdem will ich dich aus der Schusslinie haben.«

      »Ich wollte nächste Woche meine Söhne besuchen.«

      »Dein Urlaub ist gestrichen. Nimm sie mit.«

      »Das ist nicht dein Ernst? Ich habe sie drei Monate nicht gesehen, und jetzt soll ich sie vier Wochen mit einem Haufen schrulliger Wissenschaftler auf diesem Kahn hier einbuchten. Ich wollte Ferien in Dänemark machen und nicht meine Kinder zwangsinternieren.«

      »Da mache ich mir keine Sorgen, Richard. Bisher hast du

      deine Unternehmungen immer noch zu einem Abenteuer für alle Beteiligten gemacht. Denen wird schon nicht langweilig werden. Wie geht´s den beiden überhaupt?«

      »Gut … nehme ich an. Viel bekomme ich ja nicht mit.«

      »Spielt der Kleine noch Fußball? Wie heißt er noch?«

      »Jackson. Ja, er ist Torwart. Sie nennen ihn ›die Katze‹,

      weil er jedem Ball hinterherhechtet.«

      »Und der Große? Freddy? Fotografiert er noch?«

      »Mit wachsender Begeisterung. Er hat mir zu Weihnachten eine digitale Spiegelreflexkamera aus dem Kreuz geleiert.«

      »Na, perfekt, dann kann er ja die Fehltritte seines Vaters dokumentieren.«

      »Ha, ha, ha.«

      »Ganz der Daddy. Was ist, wenn ich dir sage, dass dort das U-Boot vor der Küste liegt, das angeblich die Lusitania versenkt haben soll. Und wir sollen es untersuchen.«

      »Wo?«