Düsteres Erbe. Rita Renate Schönig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita Renate Schönig
Издательство: Bookwire
Серия: Regional Krimi - Seligenstadt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738080254
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      „Ansonsten“, fuhr Helene fort, „war Hannes ein recht griesgrämiger Mensch. Freunde hatte der wohl nicht. Außer vielleicht den Sepp Richter, von gegenüber. Die zwei müssen früher mal ganz dick gewesen sein.“ Mit zusammengelegten Zeigefingern tippte sie sinnierend auf ihren Lippen. „Aber nachdem die Maria also Hannes‘ Schwester gestorben war, kühlte das gute Verhältnis stark ab, soweit ich das von meinen Friedel erfahren habe. Er glaubte, es könnte daran gelegen haben, dass der Sepp ein Auge auf die Maria geworfen hatte, bis sie dann mit diesem Ami zusammen war.“

      „Aha“, bemerkte Nicole. „Was war mit Frau Häusler?“

      „Die Wilhelmine? Die war Hausfrau und im christlichen Verband der katholischen Frauen und Vorbeterin bei Beerdigungen und anderen kirchlichen Anlässen. Hab ich dir aber auch schon erzählt. Sie lebte sehr zurückgezogen. Hab sie nur ab und an in der Stadt gesehen, beim Einkaufen und da huschte sie durch die Straßen, so, als ob sie nicht gesehen werden wollte.“

      „Frau Krämer ließ verlauten, dass Edeltraud die Tochter der beiden nicht ganz richtig im Kopf sei. Und Karl Neumann sagte, dass sie seit dem Tod ihrer Eltern – die sollen bei einem Brand ums Leben gekommen sein – in einer betreuten Einrichtung lebt. Weißt du etwas darüber?“

      „Mein Friedel erzählte, dass die Schwester vom Johannes epileptische Anfälle gehabt hätte und, dass die Edeltraud das wohl geerbt hätte. Die Häuslers hätten dann jedes Mal den Pfarrer gerufen, der die halbe Nacht an ihrem Bett saß und sie gesundbetete. Dass sie geistig nicht ganz auf der Höhe sei, bezweifelte mein Friedel. Er meinte, dass man sie mit den richtigen Medikamenten bestimmt gut hätte behandeln können. Aber solche Anfälle wurden auch Teufelskrankheit genannt.“ Helene zeichnete bei dem Ausdruck imaginäre Gänsefüßchen in die Luft. „Du kannst dir vorstellen, was das in einer erzkatholischen Familie wie die der Häuslers bedeutete. So etwas durfte rein gar nicht an die Öffentlichkeit. Der Hannes hätte auch schon frühzeitig auf die Vormundschaft von Edeltraud durch diesen Anwalt bestanden, sagte mein Friedel.“

      „Mein Gott, ein Priester, als eine Art Teufelsaustreiber“, schlussfolgerte Nicole. „Wo bin ich hier nur hingeraten? Reinstes Mittelalter.“

      „Keine Angst. Soweit ich weiß wurden hier die letzten Hexen im Mittelalter verbrannt“ Helene grinste.

      „Na, da bin ich ja beruhigt.“

      „Was hat man damals über die Brandursache herausbekommen?“, fragte Nicole wieder ernst.

      „Es hieß, in der Wohnstube wäre wohl ein Holzscheit auf den Teppich gefallen, während der Hannes und die Mine ihren Mittagsschlaf hielten. Jede Hilfe kam zu spät.“

      „Und die Tochter, die Edeltraud? Wo war die zur Zeit des Brandes?“

      „Ja, das war seltsam. Die Edeltraud wäre im Garten unter dem Apfelbaum gesessen und in einem Buch gelesen.“

      „Die las?“, wiederholte Nicole, mit gerunzelter Stirn, „während hinter ihr das Haus brennt?“

      „Tja, jedenfalls fand man sie dort. Der Sepp nahm sie nach dem Brand mit zu sich nach Hause, bis sie den Platz in diesem Heim bekam, in dem sie heute noch lebt. Am besten du fragst ihn.“

      Helene sah gebannt zu, wie schnell Nicole die Angaben in ihren Computer tippte. „Nicht schlecht, so ein Ding. Sollte ich mir vielleicht auch anschaffen.“

      „Einen Laptop? Wozu?“

      „Glaubst du ich bin zu alt dazu?“, fragte Helene leicht pikiert.

      „Nein, so habe ich das nicht gemeint. Du und alt? Du bist die flotteste 68-jährige, die ich kenne. Außerdem, man ist nie zu alt um etwas Neues zu lernen.“

      „Genau. So bleibe ich fit im Kopf. Könntest du mir beibringen, wie man damit umgeht?“

      „Na ja.“ Nicole bedachte ihre wenige Freizeit, die bei ihrem aufreibenden Job blieb, sagte dennoch: „Klar. Aber um effektiv damit arbeiten zu können brauchst du unbedingt auch einen Internetzugang.“

      „Einen was?“

      „Eine Verbindung zum weltweiten Web. Das ist so etwas, wie ein großes Lexikon; nur brauchst du kein Buch zur Hand zu nehmen. Alles was du wissen willst, gibst du in eine Suchmaschine ein.“

      „Suchmaschine? Oh je.“ Helene seufzte. „Das hört sich doch alles sehr kompliziert an.“

      „Gerade sagtest du, du willst deinen Geist auf Trapp halten.“ Nicole drückte die Hand ihrer mütterlichen Freundin. „Ich werde dir helfen, beim Antrag auf Internetanschluss und Virenschutzprogramm und so weiter.“

      „Virenschutz?“

      Nicole lachte. „Keine Angst. Bei einem Infekt sind bestenfalls alle deine Daten verloren. Deine eigene Gesundheit ist davon nicht betroffen. So, jetzt muss ich aber. Harald und Lars warten bestimmt schon.“

      ***

      „Schorsch, komm mol riwer“, brüllte Sepp Richter ins Telefon. „Isch muss mit dir redde. Die Polizei war bei mer. Die komme bestimmt noch amol. Mer misse uns abspreche, was mer dene saache.“

      „Ja, hab ich gesehe. Misch un de Herbert, de Karl und die Gundel hawe se aach vernomme. Die Gundel konnt natürlich ihrn Mund widder net halte und hat gleich von dene Anfäll von der Edeltraud verzählt. Awer ich bin gleich bei dir. Ich komm durch en Gadde.“

      Schorsch ging über seine Terrasse durch den Garten und durch ein schmiedeeisernes Türchen, das zum Grundstück von Josef Richter führte und nie abgeschlossen wurde. Der stand am Küchenfenster und warf seinem Nachbarn den Schlüssel für die Haustür zu.

      „Also, mir derfe nur des verzähle was unbedingt nötisch is.“

      Schorsch nickte. „Aber mir hawe den doch net um die Eck bracht. Mer hawe doch nur geholfe den im Gadde zu vergrabe.“

      „Ja un. Moanste die glawe uns? Hawe mer Beweise?“ Sepp stöhnte. „Ich will net die nächste fufzeh Johr im Zuchthaus verbringe, aach wenn’s heut net mehr so schlimm soi soll, wie des früher war. Die hätte heut sogar Fernseh und derfe ohne Kette im Hof spaziern gehe.“

      „Ja, moanst de ich will in de Knast?“ Schorsch guckte seinen Freund irritiert an. „Wie kommst de jetzt uf fufzeh Johr? Wie lang haste noch vor zu lebe?“

      „Na, wenn die Elfi noch kann, dann tät ich schon gern so hunnert wärn.“

      „Doi Dochter werd sich freue. Meinst de net, dass die aach gern amol mit ihrm Mann alloa wär.“

      „Warum?“ Sepp hob verwundert den Kopf. Dann sagte er nachdenklich: „Ich tät schon gerne wisse, was domols werklich passiert is und ob der Hannes den Ami umgebracht hat odder ob’s en Unfall gewese war. Du net?“

      Schorsch nickte und die beiden starrten eine Weile Löcher in die Luft. „Hast du net amol verzählt, die Maria hätt immer alles in e Buch geschriewe und des hätt jetzt die Edeltraud?“ , setzte Schorsch der Stille ein Ende.

      „Ja. Ich hab se doch selbst mit dem Buch in de Hand domols im Gadde gefunne.“

      „Jesses na.Warum sinn mer do net schon längst druf gekomme? Mer fraache die Edeltraud, ob se uns amol do noi gucke lässt?“

      „Schlofende Hunde weckt mer net. Außerdem hats bis jetzt koan Grund gewe.“ Sepp griff nach dem Schnaps, der auf dem Tisch stand. Er zitterte aber so sehr, dass ein Teil der hochprozentigen Flüssigkeit auf der gestickten Tischdecke landete. Schorsch nahm seinem Freund die Flasche ab und goss ihre beiden Gläser randvoll. Sie leerten diese mit einem Zug.

      „Was mache mer jetzt?“, fragte Sepp nach einigen Minuten.

      „Mer müsse zur Edeltraud und mer müsse unbedingt in des Buch gucke.“

      „Ja, vielleicht host de recht. Awer, wie solle mer do hiekomme? Du host schon seit a paar Johr koa Auto mehr un e Taxi bis Nauheim is bestimmt mordsmäßisch deuer.“

      „De Herbert. Der fährt