»Kraftgegenstände«, grunzt Thomas.
»Was sagt das Kissen?«
»Man nennt sie Kraftgegenstände und nicht magische Gegenstände«, erklärt Paolo seinem Vater.
»Dann heißen sie eben Kraftgegenstände.«
»Papa, ich bitte dich, das kannst du doch nicht machen«, bemüht sich Paolo noch einmal, seinen Vater umzustimmen.
»Und ob ich das kann.«
»Mama, sag doch auch mal was«, fleht Lara ihre Mutter an.
»Euer Vater hat vollkommen recht. Es ist das Beste für euch. Eure Oma würde es auch nicht wollen, dass ihr euch in Gefahr begibt.«
»Aber unsere Freunde brauchen unsere Hilfe. Weihnachten steht auf dem Spiel!«
»Ihr seid noch Kinder. Niemand kann irgendetwas von euch erwarten. Und Weihnachten findet wie jedes Jahr statt.«
»Uns passiert schon nichts«, sagt Paolo.
»Du hast es doch selbst vorgelesen. Rudi, dieser Pauwdie, hat sein Leben riskiert, um diese Nachricht durch den Spiegel zu stecken.«
»Unsere Freunde zählen doch auf uns«, flüstert Lara, die jetzt ebenfalls den Tränen nahe ist.
»Das sehe ich ganz anders. Eure Freunde müssen dieses Jahr ihre Probleme alleine lösen. Die Entscheidung steht fest. Her mit den Kraftdingern!«
»Papa, ich flehe dich an!«
»Jetzt ist aber Schluss! Rückt alles raus!«, schimpft ihr Vater streng, leert den Wäschebeutel aus und hält ihn den Kindern unter die Nase. »Alles kommt hier rein! Ohne Ausnahme!«
Paolo lässt den Kopf hängen und steckt dann sein Schutzamulett und die Luminova-Aufspürbrille in den Wäschesack. Lara streift die Übersetzerohrringe ab und gibt ihrem Vater außerdem den Blitzstein und die Lavahalskette. Die Mutter geht in die Küche und holt den magischen Adventskalender, um ihn zu den anderen Kraftgegenständen in den Wäschesack zu stopfen.
Alle stehen wie angewurzelt da und schauen sich gegenseitig an.
»Fehlt da nicht noch etwas?«, fragt ihr Vater und zeigt auf die kleine Feder in Laras Haaren.
Lara zieht frustriert die Feder heraus.
»Lara, tu das nicht! Kasimir hat gesagt, dass die kleine Feder uns helfen wird«, sagt Paolo entsetzt, der sich noch gut an die Fähigkeiten der Feder erinnern kann. Anstatt wie alle anderen Kraftgegenstände Energie zu entziehen, schenkt sie ihrem Benutzer Energie immer dann, wenn man sie verwendet. Außerdem konnte Lara mit der Feder alle Kräfte der anderen Kraftgegenstände heraufbeschwören. Die Feder ist sehr mächtig.
»Ich habe doch keine andere Wahl«, schluchzt Lara.
Thomas und Lanzelot rücken ganz eng zusammen und schauen mit großen Augen zu Vater Maring auf.
»Keine Sorge, ihr beiden dürft bleiben. Aber das alles hier und den magischen Adventskalender, schließe ich bis nach Weihnachten zu diesem Zepter in den Tresor ein. Wenn Weihnachten und der ganze Spuk vorüber sind, dann bekommt ihr alles zurück.«
»Aber was ist, wenn es gar kein Weihnachten mehr gibt?«
»Das ist doch totaler Blödsinn! Weihnachten kann niemand abschaffen.«
»Und was ist mit Kasimir und Rudi und all den anderen auf Ganesha, die unsere Hilfe brauchen?«
»Tut mir leid. Sie schaffen das bestimmt auch ohne euch.«
»Aber, aber ...«, schluchzt Lara, bekommt jedoch kein weiteres Wort heraus, da sie jetzt tatsächlich bitterlich anfängt zu weinen.
Sie rennt aus dem Badezimmer.
Paolo steht sprachlos da und schaut seinen Vater an.
»Tut mir sehr leid Paolo. Du wirst das eines Tages, wenn du einmal eigene Kinder hast, sicher verstehen.«
Paolo nickt stumm.
»Darf ich das behalten?«, fragt er und deutet auf Kasimirs Brief.
»Meinetwegen.«
Paolo verlässt geknickt das Badezimmer und Lanzelot und Thomas folgen ihm. Auf dem Weg zurück zu seinem Kinderzimmer lässt er die ganze Zeit über den Kopf hängen. Als er an Laras Tür vorbei kommt, hört er sie dahinter laut und verzweifelt weinen.
Lanzelot bleibt stehen.
»Ich werde ihr Trost spenden.«
»Viel Glück dabei«, flüstert Paolo und läuft weiter. In seinem eigenen Zimmer setzt er sich ratlos auf das Bett. Thomas klettert an Paolos Bein hoch und kuschelt sich an seine Seite. Den Beginn der magischen Adventszeit hat sich Paolo ganz anders vorgestellt. Unter diesen Umständen kann er sich gar nicht richtig auf Weihnachten freuen. Sofern es überhaupt ein Weihnachten geben wird. Wenn das stimmt, was Kasimir geschrieben hat, dann wird die Erde in Eis und Schnee versinken und die Magie der heiligen Weihnacht in den Herzen der Menschen erlöschen. Dann war es das mit Weihnachten. Paolo hat zwar noch nie etwas von dem Licht der Weihnacht oder der magischen Laterne gehört, aber er weiß eins: Wenn Kasimir es sagt, dann muss etwas Wahres dran sein. Paolo will ihm auf jeden Fall helfen. Leider hat er aber noch keine Ahnung wie. Denn der einzige Hinweis der ihnen weiterhelfen könnte, führt zu der kleinen Feder und die ist mit allen anderen Kraftgegenständen im Wäschesack gelandet. Und der befindet sich jetzt bestimmt schon im Panzerschrank in Papas Werkstatt.
Paolo blickt traurig aus dem Fenster. Die Sonne geht schon langsam auf und kleine Schneeflocken tanzen wie winzige Balletttänzerinnen im Garten hinter dem Haus herum.
»Schnee«, grunzt Thomas.
»Papa und Mama sind so gemein!«
»Eltern«, grunzt Thomas.
»Ja, du hast ja recht. Ich weiß, sie machen sich nur Sorgen um uns, aber ich bin trotzdem traurig«, murmelt Paolo.
Thomas kuschelt sich noch enger an seinen Freund. Das Kissen versteht es sehr gut, Trost zu spenden.
Lara kommt an diesem Tag nur zum Essen aus ihrem Zimmer und Paolo würde sich auch am liebsten den ganzen Tag einschließen. Es schneit bis in den Abend hinein und die Kinder der Nachbarschaft spielen draußen auf der Straße. Sie bauen Schneemänner und liefern sich eine Schneeballschlacht nach der anderen, aber Paolo hat keine Lust dazu. Er sitzt nur herum und überlegt, wie es Kasimir und Rudi wohl geht. Und er sucht nach einer Idee, um seinen Vater doch noch umzustimmen, damit sie die Kraftgegenstände wieder zurückhaben können. Aber ihm fällt nichts ein. Als es schließlich dunkel wird, liegt Paolo ohne Abendessen im Bett. Ihm ist der Appetit vergangen. Er blickt müde aus dem Fenster und schaut den Schneeflocken noch eine ganze Weile dabei zu, wie sie vom Himmel fallen. Irgendwann schläft er schließlich betrübt ein.
2. Kapitel - Spurensuche
Paolo hat keinen Grund, am nächsten Morgen früher aufzustehen, denn es gibt an seinem magischen Adventskalender kein Türchen, das er öffnen könnte. Darum schläft er noch tief und fest, als seine Mutter aufgeregt ins Zimmer stürmt.
»Paolo? Aufwachen! Es ist schon wieder etwas passiert!«
Paolo schafft es, langsam ein Auge zu öffnen und blinzelt seine Mutter an. Sie steht im Schlafanzug vor dem Bett und hat knallbunte Wollsocken an. Paolo erinnert sich noch gut daran, wie sie gestern den ganzen Nachmittag damit verbracht hat, für jedes Familienmitglied mindestens ein Paar Socken zu stricken. Dafür hat sie alle Wollreste zusammengekratzt, die noch übrig waren und dementsprechend sind die Strümpfe ganz schön bunt ausgefallen.
»Die Pauwdies waren wieder im Haus«, verkündet seine Mutter völlig aufgekratzt.
Sofort richtet