Rosenblut. Andreas Groß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Groß
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195186
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zu können.“

      „Kein Problem“, beruhigte Jäger. „Berichten Sie einfach von dem Ablauf der Ereignisse und auch den Dingen, wie Sie Ihnen gerade in den Sinn kommen.“

      „Das werde ich machen“, erwiderte Müller erleichtert. „Jedenfalls bin ich um die Uhrzeit zu ihr rüber gegangen. Aber auf mein Klingeln öffnete sie auch nach mehreren Minuten nicht. Das erschien mir seltsam, da sie immer Wert auf Pünktlichkeit legte und selten etwas vergaß. Erst nahm ich an, sie wäre eventuell eingeschlafen und würde das Läuten einfach nicht hören. Also hämmerte ich gegen die Tür und rief mehrmals ihren Namen. Aber wieder tat sich nichts. Dabei fiel mir noch eine Kleinigkeit auf, die mich stutzig machte.“

      „Was war das?“ Neugierig beugte sich Markus Jäger vor.

      „Sie müssen wissen, Herr Kommissar, Tanja hörte leidenschaftlich gerne Musik. Man wusste im Grunde immer, wenn sie zu Hause war, denn sie drehte ihre Anlage meistens sehr stark auf. Na ja, man konnte es selten überhören. Doch diesmal war alles still. Total ruhig. Und ich war mir sicher, dass sie nichts davon erzählt hatte, fortgehen zu wollen. Außerdem schien ihr meine Hilfe wichtig zu sein. Aus diesem Grund würde sie niemals außer Haus gehen, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen. In diesem Moment befürchtete ich schon, es könnte ihr etwas passiert sein. Da ich vor einiger Zeit von ihr einen Zweitschlüssel erhalten hatte, ging ich in meine Wohnung zurück und holte ihn.“

      „Sie muss zu Ihnen ein recht großes Vertrauen besessen haben“, bemerkte Jäger.

      „Das stimmt. Ich denke, sie hat mich als einen großen Bruder betrachtet.“ Ein bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht. „Als Freund bin ich für sie nie in Frage gekommen. Aber ich schweife ab, schließlich wollen Sie wissen, was dann passiert ist.“

      Jäger machte eine beruhigende Geste. „Machen Sie sich kein Sorgen. Ich werde Sie schon unterbrechen, wenn es für mich unwichtig wird.“

      Frank Müller knetete seine Finger. „Ich ... ich habe dann die Tür aufgeschlossen und bin hinein. Zuerst habe ich wirklich gedacht, sie wäre doch gegangen, aber dann ... Ich werde diesen Augenblick wohl nie mehr vergessen. Es war grauenvoll, sie auf dem Bett liegen zu sehen. Ich spürte sofort, dass sie ... tot war. Sie besaß einen relativ leichten Schlaf und hatte sich bei mir schon öfters darüber beschwert, bei dem kleinsten Geräusch aufzuwachen. Doch sie rührte sich nicht, als ich ihren Namen rief.“ Er leckte sich über die Lippen. „Und dann ging ich näher heran. Es war ... furchtbar. Ich ... ich sah ihr ... Gesicht ... Ich konnte nicht lange hinschauen und bin sofort in meine Wohnung zurück und habe die Polizei angerufen.“

      Tränen schossen dem Studenten in die Augen und rannen ihm über die Wangen. Er wischte sie mit dem Ärmel fort.

      Markus holte ein Taschentuch hervor und hielt es dem jungen Mann hin. Müller griff danach und wischte sich über das Gesicht.

      „Es tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Ich bin wirklich kein Weichei, aber ich ...“

      „Sie halten sich wirklich wacker“, versuchte Markus ihm Mut zu machen. „Ich kenne keinen Menschen, der in einer solchen Situation nicht weinen würde. Sie müssen sich bei mir nicht entschuldigen und auch nicht vor mir schämen. Alles, was hier geschieht, wird von mir vertraulich behandelt. Okay?“

      Müller nickte. „Okay.“

      „Gut“, sagte Jäger. „Ich werde leider Ihre Angaben überprüfen müssen. Bitte fassen Sie das nicht falsch auf, aber das gehört zur polizeilichen Routine. Wir müssen Sie als Verdächtigen ausschließen können. Schließlich war es für Sie leicht, in die Wohnung zu gelangen.“

      Müller kaute auf seiner Unterlippe. „Ich verstehe. Doch ich schwöre Ihnen, bei allem, was mir heilig ist, ich habe sie nicht getötet.“

      Jäger erhob sich von dem Stuhl und steckte Notizbuch und Stift wieder ein. „Sie müssen morgen bitte zu unserer Dienststelle im Grünen Weg kommen und Ihre Aussage zu Protokoll geben.“

      Müller nickte. „Das mache ich.“

      „Wenn Sie Hilfe brauchen ...“, begann Jäger. Müller schüttelte energisch den Kopf. „Dann kann ich Ihnen jetzt höchstens noch raten, sich mal hinzulegen. Selbst wenn Sie nicht müde sind, wird Ihnen die Ruhe guttun. Und wenn Ihnen noch etwas einfällt, was Ihnen wichtig erscheint, geben Sie uns sofort Bescheid.“

      Frank Müller erhob sich. „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt schlafen kann. Ich habe Angst, von ihr, von den ... blutigen Augen ... zu träumen. Sie hatte noch so viele Pläne.“

      Markus blieb an der Wohnungstür stehen. Der Student konnte sich glücklich schätzen, nicht bemerkt zu haben, dass die Augen verschwunden waren.

      „Wie weit war sie denn mit ihrem Studium?“

      Müller kratzte sich an der Schläfe. „Für Tanja lief es derzeit endlich gut. Sie war mitten in ihrer Masterarbeit, auf die sie sich voll konzentrierte. Sie sah es auch als ihre letzte Chance an, noch vor ihrem dreißigsten Geburtstag diesen Titel zu schaffen. In ihren Augen war der akademische Grad eines Bachelors lediglich zweitklassig. Nachdem sie schon ein Studium abbrechen musste, war sie halt sehr ehrgeizig darin, diesmal auf jeden Fall erfolgreich zu sein. Sie plante sogar, anschließend noch den Doktortitel zu machen, was sie als ihr größtes Ziel in den nächsten Jahren ansah.“ Er schluckte. „Ist es nicht grausam, auf eine derartige Weise aus dem Leben gerissen zu werden?“

      Markus neigte mitfühlend den Kopf. „Genau das ist es, was mich antreibt, den Mörder zu fassen. Dabei fällt mir noch eine Frage ein. Hatte Tanja einen Freund? Ich meine, keinen Verehrer oder eine gute Bekanntschaft, sondern jemanden, in den sie so richtig verliebt war?“

      Frank Müller schüttelte den Kopf. „Da gab es keinen. Zumindest ist mir niemand aufgefallen. Auch hat sie mir gegenüber nichts davon erwähnt. Klar kannte sie einige Männer, aber ein fester Freund fand sich nicht darunter. Sie traf sich meistens mit ein paar Freundinnen, von denen auch einige öfters bei ihr zu Besuch waren. Es schien so eine richtige Weiberclique zu sein.“

      Markus unterdrückte ein Grinsen, als er den abfälligen Ton in seinen Worten vernahm. Scheinbar war der junge Mann bei den anderen Frauen nicht so gut angekommen.

      „Kennen Sie zufällig einige von ihnen mit Namen? Ich würde mich gerne mal mit ihnen unterhalten.“

      Frank Müller zog die Augenbrauen zusammen. „Ich muss kurz nachdenken.“ Er legte einen Finger auf die Unterlippe. „Die Weiber sahen teilweise echt klasse aus. Moment, ich hab`s gleich. Da gab es eine Sabine, eine Anja und eine hieß Esther. Den Nachnamen kenne ich aber nur von einer. Sie hat mir wirklich gut gefallen. Sabine Lange heißt sie. Genau, das ist der vollständige Name. Über die anderen kann ich Ihnen wirklich nicht mehr sagen.“

      „Das ist schon in Ordnung“, erklärte Jäger. „Ein Name genügt mir. Die anderen werde ich schon herausfinden.“

      Er verabschiedete sich und atmete tief durch, als er in den Flur trat. Der Kerl tat ihm irgendwie leid. Auf den ersten Eindruck würde er ihn auch nicht für Tanjas Mörder halten. Dazu wirkte er viel zu sensibel. Und das als Eishockeyspieler. Aber auch an ihm selbst ging der Tod der Studentin nicht spurlos vorüber. Verdammt, er sollte sich wirklich Gedanken darüber machen, ob er sich nicht besser aus dem Berufsleben zurückziehen sollte. Es gab zu viele schöne Sachen, die er viel lieber machen würde. In diesem Moment wünschte er sich seinen Chef an seiner Seite. Raphael war noch viel stärker von diesem Jagdtrieb erfüllt. Außerdem konnte Wolf sich besser in Mörder hineinversetzen. Er ahnte häufig, wie sie vorgingen und was sie antrieb. Er erkannte auch in scheinbar unwesentlichen Details Hinweise, die anderen im ersten Moment unwichtig erschienen. Markus nahm sich vor, Raphael am nächsten Tag anzurufen. Irgendwie verspürte er in seinem Innern den Drang, Wolf über diesen Fall informieren zu müssen.

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