Das Meer hier war aufgewühlt von enormen unterseeischen Strömungen, die das Wasser mit hoher Geschwindigkeit gegen die gut zweihundert Meter hohe, senkrechte und schroffe Steilwand trieben, dass die Brandung mit brüllendem Tosen wuchtig empor geschleudert wurde.
Als die Lavawelle über den Rand der Klippen hinwegschoss, sorgte ihre immense Eigengeschwindigkeit dafür, dass sie verzögert und in einem langgezogenen Bogen in die Tiefe stürzte und so erst rund einhundert Meter von der Küste entfernt auf die Wasseroberfläche traf.
Das Meer dort war durch etliche Untiefen bereits sehr tief, sodass die gewaltige Menge, noch immer mehr als eintausend Grad heiße Lava ungebremst auf Milliarden von Litern Meerwasser traf und große Teile davon innerhalb eines Wimpernschlages zum Verdampfen brachte. Ein brüllend lautes Zischen war zu hören und eine gewaltige Dampfwolke quoll explosionsartig über dem Meer auf, die sich immer weiter ausdehnte, weil beständig weitere Lava ins Meer strömte.
Auch diese Wolke erreichte schnell eine immense Eigengeschwindigkeit und schoss direkt über der Wasseroberfläche mit fast dreihundert Meilen in der Stunde aufs offene Meer.
Dort erhob sich eine kleine Insel, die einst über einen Damm mit dem oritaischen Festland verbunden gewesen war. Ihre Bewohner hatten seinerzeit ein großes Loch in ihn gesprengt, als klar war, dass die Insektenbestien Wasser mieden, um sich ein Überleben zu ermöglichen. Tatsächlich war die Insel klein und ihre Einwohnerzahl so gering gewesen, dass sie lange Zeit nicht ins Visier der Fremden geraten war. Doch reichten die Nahrungsmittel auf der Insel nicht aus, um alle zweihundertsieben Menschen zu ernähren, sodass sie gezwungen waren, ans Festland zu rudern, um Essbares aufzutreiben. Bei einem dieser Ausflüge wurden sie dann von einem Rudel Insektenbestien entdeckt. Zwar konnten sie fliehen und niemand kam zu Schaden, doch hatten sie jetzt die Aufmerksamkeit dieser Monster. Das Schicksal wollte es, dass schon wenig später ein Erdbeben dafür sorgte, dass sich Gesteinsbrocken vom Festland und vom Damm lösten und ins Meer rollten. Als die Bewohner die Schäden begutachten wollten, mussten sie entsetzt feststellen, dass die Felsen so unglücklich zum Erliegen gekommen waren, dass ein Übersetzen auf die Insel über den Damm wieder möglich und der Tod in Form dieser furchterregenden Bestien auch bereits erschienen war.
Das anschließende Gemetzel war kurz, aber gnadenlos grausam gewesen und hinterließ keine Überlebenden. Dafür aber ein schmackhaftes Schlachtfest für ihre Feinde.
Und obwohl dieser Tag schon mehr als ein Jahr zurücklag, kehrten immer wieder Gruppen von Insektenbestien hierher zurück und schienen sich – da kein lebendiges Opfer mehr zu finden war – an dem offensichtlich noch immer vorhandenen, schwachen Geruch nach Blut, Fleisch und Tod zu laben.
So auch heute.
Doch als die gut zwei Dutzend Kreaturen dieses Mal durch die Trümmer stapften, hörten sie ein tiefes Grollen und konnten alsbald auch die Lavawelle sehen, wie sie keine fünfhundert Meter von ihnen entfernt ins Meer stürzte. Der Neugier über ein außergewöhnliches Schauspiel folgte schnell die Gewissheit, dass mit der heranrauschenden Dampfwolke Gefahr drohte. Doch mehr als ein paar besorgte Schreie und einige gehetzte Schritte brachte keine von ihnen zustande, dann schoss die Wolke über sie hinweg. Immer noch weit über einhundert Grad heiß wurden die Insektenmonster quasi von ihr gekocht.
Für rund fünfzehn Sekunden war die Insel eingehüllt in einen dichten Nebel aus heißem Dampf, dann war der beständige Nachschub an Lava von der Steilküste verebbt und die Wolke wurde nicht weiter genährt.
Während sie mit unvermindert hoher Geschwindigkeit weiter aufs offene Meer zog und dort letztlich verschwand, lichtete sich der Nebel über der Insel und offenbarte ein grausames Bild von zwei Dutzend lebendig gekochten Insektenbestien. Ein gespenstisches Zischen lag in der Luft und feine Rauschwaden kräuselten sich gen Himmel. Der Gestank war ekelerregend.
Für einen Augenblick kehrte Ruhe ein.
Dann jedoch schwoll rasend schnell ein tiefes, donnerndes Dröhnen an, das einem infernalischen Ächzen wich, bevor die Steilküste auf einer Höhe von rund einhundert Metern förmlich explodierte, als ein großer Teil des gekenterten und schließlich auseinandergebrochenen Berges mit unbändiger Wucht von der Landseite gegen die Felswand krachte und sie mit einem irrsinnig lauten Knall zerfetzte.
Der Lavastrom trieb den gewaltigen Felsblock über die Kante der Steilküste und als er in die Tiefe kippte, erzitterte die gesamte Umgebung erbärmlich. Die Luft war erfüllt von einer Mischung aus Ächzen, Reißen und Dröhnen. Der Felsblock krachte ins Meer, rauschte in die Tiefe und bohrte sich in den Meeresgrund, noch bevor er vollständig über die zerfetzte Klippe gelangt war.
Ein monumentales Ächzen ertönte, als der Felsblock schließlich zum Erliegen kam und wie ein überdimensionaler Finger ins Meer führte. Weitere Lavamassen strömten über ihn hinweg und wirkten dabei wie Blutfäden, die aus einer offenen Wunde quollen.
Die gewaltige Masse aus Felsgestein, die schlagartig das Meerwasser verdrängt hatte, sorgte zusätzlich für eine neuerliche Flutwelle, die aufs offene Meer trieb, die kleine Insel mit unbändiger Wucht traf und über sie hinwegfegte.
Dann endlich trat wieder Stille ein, doch es war absolut nichts Lebendiges mehr an ihr…
Santara war einst ein blühender, pulsierender, lebender Planet.
Doch der Krieg zwischen seinen Bewohnern und ihren Invasoren hatte ihm das Herz und schließlich auch die Seele herausgerissen.
Santara starb – jeden Tag mehr und jeden Tag immer schneller.
Katastrophen wie diese an der oritaischen Ostküste waren Ausdruck des Todeskampfes des Planeten – und obwohl sie bereits furchtbar und gravierend waren, waren sie doch erst der Vorgeschmack auf das, was noch folgen würde.
Unwiderruflich…!?
I
Jäger und Gejagte
I
Mavis spürte eine leichte Erschütterung des Bodens und hörte einen leisen, weit entfernten Donner. Sofort wurde er aufmerksam, spannte seinen Oberkörper an und richtete sich in seinem Sitz ein wenig auf. Doch als er sich umschaute und in die Gesichter seiner Freunde und der anderen Anwesenden blickte, konnte er nirgendwo eine gleichartige Reaktion erkennen, sodass er sich plötzlich nicht mehr sicher war, ob er womöglich nur einer Einbildung erlegen war.
Vilo und neben ihm Kaleena, Jovis und schließlich Leira saßen links von ihm und aßen stumm von dem heißen, dickflüssigen Würzbrei, den auch er in einer Schale auf dem Schoss hatte. Er sah zwar alles andere als essbar aus, doch schmeckte er ziemlich gut. Seine Freunde wirkten angespannt und geschafft, aber nicht besorgt.
Links neben ihnen saßen Cosco, Dek und Captain Tibak, alle drei hatten Wasserbecher in den Händen und tranken stumm und mit gesenktem Blick daraus. Cosco wirkte sehr ernst und nachdenklich, doch das war auch kein Wunder, wusste er seinen Sohn doch in diesem Moment in Gefangenschaft auf Kimuri.
Mavis drehte seinen Kopf nach rechts und sah zunächst den jungen Chalek und Pater Matu. Wie auch Vilo und Kaleena aßen sie stumm von dem Würzbrei. Der Priester wirkte erschöpft, doch der Junge hatte wie stets ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Woher nimmt er in dieser gottverdammten Scheißwelt nur eine derart widerlich positive Einstellung? dachte Mavis nicht zum ersten Mal.
Dann schaute er direkt neben sich und da saß Melia. Augenblicklich war er wieder berauscht von ihrem Anblick und hätte sie am liebsten in seine Arme geschlossen, von hier weggeführt und einfach nur ihre unbedingte Nähe genossen. Schon jetzt konnte er durch all den Schmutz und Schweiß hindurch den wundervollen Duft ihrer Haut riechen. Im nächsten Moment schaute sie von ihrer Schale auf und blickte ihm direkt in die Augen. Mavis erschrak beinahe und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Ja, diese Frau war das fantastischste Wesen, dem er je begegnet war, in ihren Augen loderte ein Feuer, von dem er gefangen war, kaum, dass er in sie hinsah. Eine wohlige Gänsehaut kroch über seinen Rücken bis unter