„Selbstverständlich, Sir“, bestätigte Francine mit zufriedenem Lächeln.
Der kosmische Wanderer stellte eine Gefahr dar. So unwahrscheinlich eine Kollision auch sein mochte, so war sie nicht zur Gänze auszuschließen. Daher würde man die Daten des Wanderers an den nächsten Vertreter des „Interstellar Transportation and Safety Board“, die interstellare Behörde für Transportwesen und Raumsicherheit, übergeben. Mit dem nächsten Nullzeit-Shuttle würden die Daten dann der zentralen Bibliothek auf dem Mars übergeben, wo man sie in den New Cosmic Catalogue, den Sternenkatalog, eintrug. Dort wurden sie entsprechend vervielfältigt und an jede bewohnte Welt oder Station verschickt. Jedes Schiff, welches dort vor Anker ging, erhielt dann das Update seiner Karten. Vielleicht fand die Harvard University of Mars den Brocken sogar interessant genug, um ein Forschungsschiff zu entsenden.
Die D.S. Aberdeen strebte mit gemächlicher zehnfacher Lichtgeschwindigkeit ihre Patrouillenroute entlang. Der Schichtwechsel stand an und Sean McIntosh erhob sich aus seinem Kommandosessel. „Eins-O, übernehmen Sie und lassen Sie die nächste Brückenwache aufziehen.“
„Aye, Sir.“ Francine aktivierte die schiffsinterne Kommunikation und erhob ihre Stimme. „Achtung, der Captain verlässt die Brücke. Eins-O hat das Schiff. Brückenwache aufziehen.“
Im Schiff machte sich die nächste Schicht auf den Weg. Während die Besatzung noch den Vorteil eines Drei-Schicht-Betriebes genoss, galt dies nicht für Captain und Eins-O. Sie mussten eine durchgehende Vierzehn-Stunden-Schicht hinnehmen, was auch dazu führte, dass sie vier Stunden gemeinsamen Dienstes versahen. Fähige Kommandooffiziere hatten sich längst die Eigenheit angewöhnt, „mit einem Auge im Sessel zu schlafen“, um sich ausreichend regenerieren zu können.
Sean ging die drei Stufen zum Ausgang der Brücke hinauf und verließ diese. Diese Stufen würden verschwinden, wenn das Befehlszentrum des Kreuzers im Gefecht eingefahren wurde. Der Captain trat auf den oberen Zentralkorridor hinaus, der bis zur Mitte des Decks 3 führte und dort am Zentralschacht mit Lift und Nottreppe endete. Hier sperrte eine der Seitenwände des Hangars den weiteren Weg. Konstruktionsbedingt nahm der Hangar einen erheblichen Raum in den Decks 2 und 3 ein und seine Schotts konnten nach beiden Seiten des Kreuzers geöffnet werden. Hinter dem Hangar begann der Maschinen- und Antriebsraum, der die Höhe aller drei Decks beanspruchte. Ihn direkt zu betreten, war von Deck 1 aus möglich oder indem man den Hangar durchquerte.
Trotz einer Höhe von dreißig Metern im mittleren Rumpfbereich, gab es nur drei Decks, was den Schrägen und der dicken Hüllenpanzerung geschuldet war. Im unten gelegenen Deck 1 befanden vor allem die Depots und Lagerräume, auf dem mittleren Deck 2 Hangar, medizinische und Forschungssektion, das Arsenal, das tetronische Hauptgehirn direkt unterhalb der Brücke, dann die Bug- und Hecktriebwerke für Unterlichtgeschwindigkeit und die Ausstoßrohre für Raketentorpedos. Letztlich beherbergte Deck 2 die zwei an Bord befindlichen Raumsonden sowie die im Bug untergebrachte Railgun. Das oberste und dritte Deck bot das, was die Navy der Besatzung zum Leben zubilligte. Die direkt an die Brücke anschließenden Quartiere von Captain und Eins-O, die Kabinen der Flugbesatzung, ein Gästequartier, die „Kaserne“ genannten Quartiere des Bordkommandos der Sky-Trooper, Offiziers- und Mannschaftsmesse, einen kleinen Konferenzraum, Aufenthalts- und Fitnessbereich sowie die Bordküche, in der ein vollautomatisierter Koch seinem Handwerk nachging, unterstützt von wechselnden Besatzungsmitgliedern mit ebenso wechselnden Fähigkeiten, was die kulinarische Kunst betraf.
Die starke Reduzierung der Mannschaftsstärke hatte immerhin einen gewissen Luxus mit sich gebracht, denn mit Ausnahme der Vier-Personen-Kabinen der Trooper belegten die Flugmannschaften die Quartiere nur zu zweit und jedes Quartier verfügte über einen eigenen Hygienebereich, inklusive Schalldusche.
Den Luxus einer echten Wasserdusche genossen nur die Offiziere, obwohl ein Raumschiff eigentlich nie von Wasserknappheit bedroht war. Es gab so viele Asteroiden aus Eis, dass es jederzeit möglich war, die Vorräte zu ergänzen.
Sean McIntosh machte seine Eintragung ins Logbuch und begab sich dann zur Ruhe.
Sechs Stunden später duschte er ausgiebig und nutzte dabei den Brausekopf als Mikrofon für seine Version von „Scotland the Brave“, kleidete sich an und begab sich in die kleine Offiziersmesse, um ein ausgiebiges Frühstück zu sich zu nehmen.
Hier traf er auf Sergeant Phuong Nguyen, die als Kommandant des Bordkommandos der Sky-Cavalry den Status eines Offiziers innehatte. Die Frau mit den vietnamesischen Wurzeln war klein, sehr hübsch und ausgesprochen hartgesotten. Phuong befehligte einen Corporal und sieben Trooper. Sie bildeten die Sektion 3 des ersten Platoons des „G“-Troops der vierten Raumkavallerie. Jeder der Männer und Frauen verfügte über Kampferfahrung und hatte etliche Enterungen hinter sich. Sean war froh, über eine so erfahrene Truppe zu verfügen, denn ein Schiff zu entern oder sich einer fremden Welt zu stellen, war immer gefährlich. Man wusste nie, „welche Praline gerade in der Schachtel liegt“, wie Phuong es gerne formulierte.
„Morgen, Sarge“, grüßte Sean und setzte sich neben sie. „Alles wohl?“
Sie hob eine Augenbraue und Sean rätselte immer wieder, ob sie diese Eigenheit von ihm übernommen hatte. „Guten Abend, Sir“, korrigierte sie sachlich. „Selbstverständlich ist alles wohl.“
Phuong war ein vorzüglicher Sergeant und wie alle Unteroffiziere der Sky-Cavalry ließ sie sich nur ungern in ihre Truppe „dreinreden“. Dem Captain war dies nur recht, da ihn das entlastete und das Bordkommando ohnehin „vorzüglich funktionierte“.
„In meiner letzten Schicht haben wir einen Wanderer entdeckt“, berichtete Sean im Versuch, eine Art Konversation aufzubauen.
Phuongs Interesse war mäßig. „Ah, wirklich? Sehr interessant“, murmelte sie und stocherte in dem herum, was die automatische Küche und ihr derzeitiger Helfer als „Eier und Speck“ bezeichneten. Zum Leidwesen des Sergeants war die Küche nicht auf vietnamesische Speisen programmiert.
„Was halten Sie von den neuen MADS, Sarge?“, fragte Sean, im weiteren Bemühen um ein Gespräch, allerdings auch aus echtem Interesse.
Phuong gab ein leises Knurren von sich. „Keine Meinung, Sir. Ich habe noch keinen der Blechheinis in Aktion erlebt.“
Sean akzeptierte, dass der Sergeant kein Interesse an höflicher Konversation hatte und machte sich gerade über sein abendliches Frühstück her, als sich sein Mini-Comp am Handgelenk mit sanfter Vibration meldete. Gleichzeitig erwachte der Lautsprecher der internen Kommunikation zum Leben. „Eins-O an alle, Eins-O an alle: Verdächtiges Raumschiff geortet! Auf Manöverstationen! Kommandooffiziere auf die Brücke!“
„Hervorragend.“ Phuongs merkliche Stimmungsaufhellung war sicher nicht dem Frühstück geschuldet. Der Sergeant schnellte förmlich vom Sitz hoch. „Sir, wir gehen auf Bereitschaft.“
„Ich bin auf der Brücke, Sarge. Mal schauen, was wir da haben.“
Angemessenen Schrittes legte Sean die wenigen Meter zur Brücke zurück.
„Captain auf der Brücke“, meldete Francine prompt.
Sean ließ sich in seinen Sessel sinken. „Ich übernehme.“
„Achtung, Brücke, der Captain hat das Schiff“, verkündete sie und deutete dann vor sich auf den Monitor. „Haben wir vor einigen Minuten entdeckt, Sir. Im Gegensatz zu uns hat der keinen Nullzeit-Scanner, weswegen er uns noch nicht bemerkt hat.“
Sean McIntosh betrachtete das Symbol auf der Karte und las die gemessenen Daten ab. „Sieht nach einem Massefrachter in Modul-Bauweise aus. Kurs?“
„Nach unseren Berechnungen fliegt er das Colween-System an“, antwortete Francine.
Sean strich sich nachdenklich durch den Bart. „Colween … Unser nächster Routinehalt. Da ist nur Planet Vier besiedelt. Fairchild. Eigentlich eine zu kleine Kolonie, um mit einem so großen Frachter beliefert zu werden.“
„Habe ich