Und worin ich ruhig schlafen werde?«
»Auf Ehre.«
»In der That, das läßt sich so anordnen.«
»Also geschehe es so.«
»Vortrefflich.«
»Also auf diesen Abend?«
«Nein, auf morgen.«
»Wir werden morgen zusammen zu Mittag speisen?«
»Unmöglich, da ich am Abend abreise; ich bin genöthigt, mit meinen Wienern zu Mittag zu speisen.«
»Also werden wir uns erst auf der Eisenbahn wiedersehen.«
»Ich werde versuchen, im Laufe des Tages zu Kommen und Ihnen die Hand zu drücken.«
»Kommen Sie.«
Ich begann, mich daran zu gewöhnen, unter diesem Taffet und dieser Seide eine bezaubernde Gesellschafterin zu entdecken, wo ich eine hübsche Frau zu finden geglaubt hatte; wir reichten einander die Hand und Lilla entfernte sich.
Am folgenden Tage erhielt ich dieses kleine Billet:
»Unmöglich, Sie zu besuchen; ich kämpfe mit meinen Schneiderinnen und Modehändlerinnen. Ich packe so viel ein. daß man in Pesth ein Magazin davon anlegen könnte. Ich weiß nicht, wie ich es hätte machen, sollen, wenn ich diesen Morgen hätte abreisen müssen,
»Auf diesen Abend. Gute Nacht.
» Lilla.«
Das stark unterstrichene »Gute Nacht« erschien mir ziemlich ironisch.
»Gute Nacht« wiederholte ich indessen, »man weiß nicht, was geschehen kann.«
Am Abend war ich eine Viertelstunde vorher auf dem Bahnhofe; ich weiß nicht, ob ich je eine Gelegenheit finden werde, den Eisenbahnen in Masse für alle Aufmerksamkeiten zu danken, deren Gegenstand ich von Seiten der Beamten bin, sobald man mich in einem der Gänge sieht, an deren Thüre mit großen Buchstaben die bedeutungsvollen Worte stehen: »Das Publikum hat hier keinen Zutritt.«
Ich suchte den Chef des Bahnhofes auf; ich erklärte ihm die Lage.
Er fing an zu lachen.
»Ei, nein,« sagte ich zu ihm.
»Wirklich!«
»Auf Ehre!«
»O ja! aber während der Fahrt.«
»Ich glaube nicht.«
»Thut nichts. Gutes Glück.«
»Nehmen Sie sich in Acht, man wünscht keinem Jäger eine gute Jagd.«
Ich stieg in meinen Waggon, wo der Beamte mich hermetisch einschloß, indem er an den Griff meiner Thüre eine Karte hing, worauf mit großen Buchstaben geschrieben stand:
»Bestelltes Coupé.«
Als ich das Geräusch hörte, welches die Reisenden machten, als sie herbeiliefen, um ihre Plätze einzunehmen, steckte ich den Kopf aus der Thür, rlef den Eisenbahnbeamten herbei, zeigte ihm Madame Bulyowsky, die eben mit ihren drei Wienern und ihren vier Wienerinnen in einen Waggon stieg und erklärte ihm, was ich von seiner Gefälligkeit erwarte.
Welche?« fragte er mich.
»Die hübscheste.«
»Also die mit dem Hute á la Mousquetaire?«
»Richtig.«
»Sie sind nicht übel, Sie!«
»Meinen Sie?
»Wahrhaftig.«
»Nun ich denke nicht.«
»Der Zugführer sah mich mit komischer Miene an und entfernte sich kopfschüttelnd.
»Schütteln Sie nur den Kopf, wie Sie wollen, es ist doch so,« sagte ich zu ihm, ganz ärgerlich, daß ich ihn nicht bewegen konnte, an meine Unschuld zu glauben.
Der Zug fuhr ab. Auf der Station von Pontoise war es finstere Nacht.
Die Thür öffnete sich und ich hörte die Stimme des Zugführers, welcher sagte:
»Steigen Sie ein, Madame, es ist hier.«
Ich streckte die Hand aus und half meiner schönen Reisegefährtin, die beiden Stufen heraufzusteigen.
»Ah! da sind Sie endlich!« rief ich.
»Die Zeit ist Ihnen lang geworden?«
»Das will ich glauben, ich war allein.«
»Nun, mir dagegen ist die Zeit lang geworden, weil ich Jemand bei mir hatte. Glücklicherweise konnte ich die Augen schließen und an Sie denken.«
»Sie dachten an mich?«
»Warum nicht?«
»Ich werde darüber nicht mit Ihnen zanken, doch auf welche Weise dachten Sie an mich?«
»Auf die möglichst zärtliche Weise.«
»Pah!«
»Ja. ich schwöre Ihnen, daß ich Ihnen aufrichtig dankbar bin für die Art, wie Sie sich gegen mich benehmen.«
»Ah! wirklich?«
»Auf Ehre.«
»So ist es freilich; doch wenn Sie in Wien angekommen sind, werden Sie meiner spotten.«
»Nein, denn ich bin nicht nur eine ehrliche Frau, sondern glaube auch eine Frau von Geist zu sein.«
»Und ich, bin ich ein Mann von Geist?«
»Mit aller Welt und für alle Welt, ja.«
»Ja, aber für Sie?«
»Für mich sind Sie mehr, als das; Sie sind ein Mann von Herz. Jetzt umarmen Sie mich und wünschen Sie mir eine gute Nacht; ich fühle mich sehr ermüdet.«
Ich umarmte sie auf deutsche und englische Weise, wie man will. Sie gab mir einen Kuß zurück, der für eine Französin sehr bedeutungsvoll, gewesen wäre —— dann setzte sie sich in ihrer Ecke zurecht. Ich sah ihr zu und sagte mir, wenn ein Mann es gegen eine Frau an Respect fehlen lasse, so sei es die Frau, die Veranlassung dazu gebe.
Sie wechselte zwei - oder dreimal ihre Stellung, klagte leise, öffnete die Augen wieder, sah mich an und sagte:
»Ich glaube entschieden, daß es mir bequemer sein würde, wenn ich meinen Kopf an Ihre Schulter lehnte.«
»Vielleicht würde es Ihnen bequemer sein,« antwortete ich ihr lachend; »gewiß aber würde es mir un» bequemer sein,«
»Sie verweigern es mir also?«
»Pah! ich werde mich wohl hüten.«
Wir saßen einander gegenüber. Ich veränderte meinen Platz und setzte mich zu ihr. Sie nahm ihren Hut ab, band ein seidenes Taschentuch um den Kopf, legte ihren Kopf an meinen Arm und sagte nach einem Augenblick:
»Ich befinde mich so sehr gut, und Sie?«
»Ich habe keine Meinung.«
»Also auf morgen früh; vielleicht werden Sie sich bis dahin eine gebildet haben. Die Nacht bringt Rath.«
Dann machte sie noch zwei oder drei kleine Bewegungen, wie der Vogel, der seinen Hals unter seinen Flügel steckt, suchte mit ihrer Hand meine Hand, drückte sie zum Zeichen, daß sie mir einen guten Abend wünsche, bewegte ihre Lippen, um ein unverständliches Wort an mich zu richten, und schlief ein.
Ich habe nie eine seltsamere Empfindung