Endzeit. S. Mayer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S. Mayer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754140109
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      zama

      ENDZEIT

      2. Akt

      - Kapitel 1 -

      Roman

      Impressum

      Texte/Inhalt: © Copyright by zama/Sabine Mayer

      Umschlag: © Copyright by zama/Sabine Mayer

      Verlag: Sabine Mayer

      Liststr. 5, 74074 Heilbronn

      [email protected]

      Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

      Niemals baue blind auf Worte.

      Niemals baue blind auf Gemeinsamkeit.

      Niemals folge blind dem Dogma.

      Getrennte Ligen

      Wie aus einer Zentrifuge geschleudert flog er aus der Pforte, stürzte mit einem erschrockenen Schrei ungebremst zu Boden und landete mit voller Wucht auf den Bauch, konnte sich gerade so mit den Händen abfangen, damit sein Kopf nicht auf den Boden knallte.

      Vor Schmerz schossen ihm die Tränen in die Augen, im ersten Moment konnte er nicht atmen, und Bewusstlosigkeit wogte wie ein überlaufender Tümpel hinter seiner Stirn herauf, die tonnenschwer auf den kalten Stein herabsank. Er klammerte sich an das unglaublich heiße Wühlen der Verletzung und schaffte es, bei Sinnen zu bleiben, rührte sich jedoch fast eine Minute lang nicht – hätte man ihm keine Schmerzmittel gegeben, es hätte ihn zweifellos sofort ausgeknockt.

      Jonas biss die Zähne zusammen und kam mühsam in eine sitzende Position auf den Knien hoch. Er keuchte beinahe, schwer und flach, weil jeder Atemzug unangenehme Bewegungsausläufer der Muskeln in seinen Bauch hinabschickte, rang einen Augenblick mit Schwindel und hob dann den Sweater hoch. Es war nicht besonders hell, irgendwo links von ihm war eine eigenartig unstete Lichtquelle, die kaum nennenswert gegen das Morgengrau ankam, aber er erkannte dennoch gut, dass sich auf dem weißen Mull kein dunkler Fleck zu bilden begann.

      Verflucht, er würde J so was von zum Teufel jagen. Alle Blutergüsse, Prellungen und Hautabschürfungen der letzten drei Wochen zusammen und auch die Schnittverletzung hatten ihn nicht so mitgenommen wie diese eine, verdammte Kugel. Es dauerte bestimmt Wochen, bis die Wunde verheilt war – vorausgesetzt, er konnte sich genügend schonen und warf sich nicht noch öfter der Länge nach mit Katapultschwung hin.

      Grimmig ließ er den Stoff wieder sinken, gab sich noch ein paar Sekunden, bis das brodelnde Brüllen der Wunde soweit abgeklungen war, dass es nicht sein ganzes Denken einnahm, und runzelte verwundert die Stirn.

      Morgengrau? Wenn Yûs Zeitangabe richtig gewesen war, dürfte es erst in guten zwei Stunden dämmern.

      Angespannt und neugierig zugleich sah er sich um. Er befand sich in einer Art Halle, weiträumig und sehr hoch, Boden wie scheinbar auch Wände aus weißem Marmor oder Granit. Mehrere mannsdicke Säulen bildeten in großem Abstand zueinander irgendeine lockere Linienform, die er nicht erfassen konnte, und gaben dem Raum jenseits von Kitsch oder Prunk Alter und eine gewisse Erhabenheit. Ein Dutzend Bänke aus ebenfalls weißem Stein verteilten sich in einem offenen Kreis um ihn herum, dazwischen, daneben und dahinter standen schlichte weiße Pflanzenkübel mit sicherlich einem Meter Durchmesser und massigen, breitblättrigen Palmen darin.

      Langsam stand Jonas auf. Das unstete Licht stammte von Feuerkörben auf schlanken, hohen Ständern aus schwarzem Metall, die ihn stark an Straßenlampen aus dem neunzehnten Jahrhundert erinnerten und geschickt in der ganzen Halle verteilt, jedoch nicht alle entzündet waren. Bis auf das relativ leise Blaken und Knistern der Flammen war es totenstill.

      Ein Windzug streifte ihn von hinten, und er drehte sich um. Die Pforte war längst verschwunden, und es gab keine Fenster; jedenfalls konnte er in dem begrenzten Insellicht der Feuerständer keine ausmachen. Die Tür war dafür nicht zu übersehen. Es war überhaupt keine Tür, sondern einfach ein breiter und ebenso hoher Durchlass ins Freie, wo er nicht mehr als Schatten und unklare Konturen erkennen konnte.

      Irgendetwas war seltsam hier und ließ seine Warnglocken läuten. Die Luft, die ihm von draußen entgegen blies, war kein schneidend kalter Gefährte des frühen Winters, sondern fühlte sich eher wie laue Frühlingsbrisen an. Obwohl er mit nackten Füßen und nichts weiter als dem Kapuzensweater und der Boxershorts dastand, während die Feuerständer wohl kaum einen nennenswerten Wärmeeffekt besaßen und er irgendwie nicht glaubte, dass unter dem fugenlosen Steinboden eine Fußbodenheizung versteckt lag, fror er nicht, empfand es nur als kühl.

      Jonas sah sich noch einmal, genauer um, ohne dass es ihm Aufschluss gebracht hätte. Er konnte nicht einmal eine Vermutung abgeben, wo er hier war, oder besser noch: warum Laori nicht hier war. Er war ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie ihn auf der anderen Seite der Pforte erwartete, und kam sich nicht nur auf unangenehme Weise allein gelassen vor, es verstärkte seine Vorsicht über die Maßen und gab ihm das fast schon greifbare, ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

      Von den eigenartigen, von der Jahreszeit abweichenden Umgebungsbedingungen abgesehen, machte es überhaupt keinen Sinn, dass sie nicht hier war. Sie blieb tagelang in seiner Nähe, beobachtete ihn, trat sofort zum Vorschein, als ihr klar wurde, dass er sie suchte, schoss dreimal auf J, um Jonas nicht in seine Fänge geraten zu lassen, holte ihn mit einer Pforte dorthin, wohin sie ihn schon die ganze Zeit mitnehmen wollte – und dann war sie verschwunden? Fall erledigt oder was sollte das bedeuten. Es passte hinten und vorne nicht zusammen.

      Jonas fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Leichter Schweiß lag darauf und mahnte ihn, es nicht zu übertreiben. Er hatte keine Ahnung, wie tief die Kugel in seinem Körper gesteckt hatte und was sie alles angerichtet hatte, aber allein das viele Blut, das er verloren hatte, machte ihm unausweichlich zu schaffen, und darüber hinaus steckte ihm zweifellos noch die Narkose in den Knochen. Er fühlte sich schwach, schwer und müde, und es war keine gute Idee, bereits auf den Beinen zu sein.

      Umsichtig ging er zu der Bank hinüber, die ihm am nächsten war, und ließ sich vorsichtig darauf sinken, legte sich nach einem Moment gar mit dem Rücken darauf, als sein Körper damit noch nicht zufrieden war. Er wusste nicht, ob ihm hier Gefahr drohte, und wollte auch nicht lange liegen bleiben, aber weder konnte er verhindern, dass ihm gleich darauf die Augen zufielen, noch bekam er mit, wie sein Bewusstsein quasi in derselben Sekunde wegsank.

      Er konnte nicht sagen, ob er nur wie ein Stein geschlafen oder komplett die Besinnung verloren hatte, geschweige denn, wie viel Zeit verging, aber als er aufwachte, lag er nicht mehr auf der harten Steinbank, sondern in einem weichen Bett, und war einen langen Augenblick felsenfest davon überzeugt, im Krankenhaus zu sein und den Abschied von Yû sowie seine Ankunft in wo auch immer geträumt zu haben. Er schlug die Augen nicht sofort auf, sondern wünschte sich einen, zwei träge Herzschläge lang diesen Eindruck nicht nur zurück, sondern auch, dass er wahr war.

      Aber dann lenkte ein hölzern klapperndes Geräusch nah neben ihm seine Aufmerksamkeit in die Wirklichkeit, und er registrierte die Helligkeit und Wärme von Sonnenstrahlen. Ein eigenartiger, unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase, und er hörte einen Vogel zwitschern, doch ehe er angemessen irritiert darüber sein konnte, spürte er etwas Kaltes, Feuchtes, das mit ordentlich Druck auf die Wunde gepresst wurde und keine Sekunde später grauenvoll brannte.

      Jonas fuhr mit einem Schmerzenslaut halb auf und wollte sich von der Quelle dieser Marter befreien, aber seine Hand wurde unbeeindruckt abgewehrt, und dann sank er auch schon zurück und brauchte einen Moment, um sich gegen den Schmerz zu festigen. Es fühlte sich an, als würde ihm die Haut weggeätzt und das Gewebe unmittelbar unter der Naht mit kochendem Wasser durchtränkt. Sein Herz klopfte wild.

      Er hob den Kopf und blickte auf seinen Bauch hinab, sah unter den schlanken, zarten Händen eines schwarzhaarigen Mädchens eine grüne, breiige Masse, die ihn an eine Mischung aus Spinat und Haferschleim denken ließ und der Ursprung des gemeinen Schmerzes und auch des komischen Geruchs war.

      »Was machst du da!« Jonas war eher verärgert