a) Auch die Rüge der fehlenden Strafgewalt der Bundesrepublik Deutschland greift nicht durch.
Das souveräne Recht der DDR, Handelsbeschränkungen der Bundesrepublik Deutschland zu unterlaufen, engt das souveräne Recht der Bundesrepublik, sich dagegen mit strafrechtlichen Sanktionen zur Wehr zu setzen, nicht ein.
Sowohl die für die NVA der DDR bestimmten Nachtsichtgeräte wie auch die Pistolen und Revolver waren Waffen und Kriegsgerät im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes. Darauf, wie diese Güter tatsächlich eingesetzt wurden, kommt es nicht an. Der Export von solchen Waren, die jedenfalls auch militärisch nutzbar sind, gefährdet sicherheitspolitische Interessen Deutschlands und ist damit geeignet, das friedliche Zusammenleben der Völker zu bedrohen. Das Rechtsgut der Friedensstaatlichkeit (Art. 26 GG) hat Verfassungsrang.
b) Der Bestrafung des Beschwerdeführers steht auch kein Verfolgungshindernis entgegen.
Der BGH hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das vom BVerfG im Zusammenhang mit der Spionagetätigkeit statuierte strafrechtliche Verfolgungshindernis (Urteil vom 15. Mai 1995, BVerfGE 92, 277) auf Embargo-Verstöße der vorliegenden Art nicht anwendbar ist. Der Export von militärischen oder militärisch nutzbaren Gütern ist nicht - wie Spionage - rechtlich ambivalent, sondern rechtfertigt im Hinblick auf den bezweckten Schutz des friedlichen Zusammenlebens der Völker unter Verhinderung von Störungen internationaler Beziehungen ein allgemeines sozial-ethisches Unwerturteil.
Wie sagte Erich Honecker bei seinem letzten ARD-Interview in Moskau: „Der Alex hat seine Sache gut gemacht!“
Dabei wollte die DDR-Justiz bereits gegen Schalck tätig werden. „Der Spiegel“ hatte in einen aufsehenerregenden Bericht über Schalck und den Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ im November 1989 berichtet, worauf die Volkskammerabgeordneten am 1. Dezember 1989 Auskunft darüber verlangten, ob Schalck in der Schweiz über geheime Konten in Millionenhöhe verfügte. Hier hätte der Generalstaatsanwalt der DDR reagieren müssen. Es wäre die letzte Chance gewesen, den Devisenschieber zu verhaften. Denn in der Nacht vom 1. zum 2. Dezember schlief Schalck ein letztes Mal in seiner mit Kostbarkeiten überladenen Villa in der Berliner Manetstraße 16. Am 3. Dezember wurde das Ermittlungsverfahren eingeleitet. Von einer geplanten Dienstreise zu Kanzleramtsminister Seiters kehrte Schalck nicht mehr zurück. An DDR-Ministerpräsidenten Modrow schrieb er: „Aufgrund meiner Beweggründe bitte ich Dich um Dein Verständnis, dass ich kurzfristig meinen Urlaub antreten möchte. Diese Entscheidung fällt mir unbeschreiblich schwer. Ich fahre nicht in die BRD, Westberlin oder NATO-Staaten... Gib mir persönlich die Chance über fast 40 Jahre im Dienst unseres Staates nachzudenken. Ich verspreche Dir und meinem Staat, dass ich gegenüber niemanden über meine Kenntnisse sprechen werde......“
Der Fall des Werner Weinhold
1975 beherrschte sein Fall die Nachrichten in Ost und West: Der NVA-Deserteur Werner Weinhold hatte bei seiner Flucht in den Westen im Dezember 1975 zwei DDR-Grenzer erschossen, angeblich aus Notwehr.
Nördlich von Coburg, an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen, verlief in den Jahren der deutschen Teilung die Frontlinie zwischen Warschauer Pakt und Nato. Hier mussten zwei junge DDR-Grenzsoldaten ihr Leben lassen, weil sie dem Republikflüchtling Weinhold offenbar den Weg in die Freiheit versperren wollten.
Der 21-jährige Gefreite Klaus-Peter Seidel wurde mit vier, sein um ein Jahr jüngerer Kamerad Jürgen Lange mit sieben Schüssen aus einer Maschinenpistole niedergestreckt. Beide verbluteten noch am Tatort. Der Todesschütze war selbst Soldat, Wehrpflichtiger im 14. Panzerregiment der Nationalen Volksarmee in Spremberg. Der am 8. August 1949 in Dresden geborene Werner Weinhold wurde bei der NVA als Kraftfahrer eingesetzt. Was seine Vorgesetzten lange Zeit nicht wussten: Weinhold war bei seinem Eintritt in die Armee bereits sechsmal vorbestraft - wegen Autodiebstahls in 54 Fällen. Als seine Ehefrau sich Ende 1974 von ihm trennt, scheint für Weinhold der Zeitpunkt gekommen, sich abzusetzen. Die Ausreise in die BRD, betont der notorische Kfz-Klauer bei einem späteren Fernsehauftritt in der ARD, sei schon immer sein „Wunsch und sein Bestreben“ gewesen. Am 15. Dezember soll aus dem Wunsch Wirklichkeit werden: Weinhold bricht eine Munitionskiste auf, entwendet einen voll getankten Trabi und desertiert mit einer Maschinenpistole und 360 Schuss Munition. In der Nähe von Wüstenbrand wird er auf der Autobahn von einer Krad-Staffel der Polizei gestellt. Er zieht seine Waffe, bedroht die Polizisten und fährt davon. Am späten Nachmittag erreicht der Fahnenflüchtige das unmittelbare Grenzgebiet in der Nähe von Hildburghausen. Er stellt das Fluchtauto auf dem Hof einer LPG ab und setzt seinen Weg zu Fuß fort. Erst am darauf folgenden Tag findet die Polizei den Wagen, obwohl bereits eine Großfahndung ausgerufen wurde.
Es gelingt Weinhold, in einer Scheune im Sperrgebiet unterzukommen - er ist jetzt gerade mal zweieinhalb Kilometer von seinem Ziel entfernt. Doch längst sind drei Regimenter, Ausbildungseinheiten sowie Pioniere in Alarmbereitschaft versetzt - insgesamt 8000 Mann versuchen, alle Fluchtrouten lückenlos abzuriegeln. Im Grenzdorf Eishausen haben ein Bataillonsstab und die 10. Kompanie des Grenzregimentes 9 ihr Quartier. Die Soldaten sind verantwortlich für einen zehn Kilometer langen Grenzstreifen. Auf Posten 401 schieben Klaus-Peter Seidel und Jürgen Lange in der mondhellen und mit knapp minus 20 Grad Celsius klirrend kalten Dezembernacht Wacht.
Gegen 2.25 Uhr hören deren Kameraden einige schnell aufeinander folgende Schüsse, von denen nicht klar ist, aus welcher Richtung sie kommen. Die DDR-Grenzer machen sich auf die Suche. Hauptmann Uwe Auerswald findet schließlich die beiden jungen Soldaten von Schüssen durchsiebt auf dem Boden. Über Lautsprecher wird der noch im Sperrgebiet vermutete Todesschütze aufgefordert, sich zu ergeben, andernfalls werde man ohne Vorwarnung auf ihn schießen. NVA-Einheiten durchkämmen den Wald, untersuchen die Sperranlagen - erfolglos.
Erst bei Tagesanbruch entdeckt man im Grenzgebiet nahe des Tatorts Spuren auf kleineren Schneeflächen, die von Kriminaltechnikern anhand des Schuhprofils als die von Weinhold identifiziert werden. Die Erkenntnis kommt jedoch zu spät: Werner Weinhold ist erfolgreich getürmt und erreicht wenig später die Wohnung seiner Verwandten im westfälischen Marl. Hier wird er verhaftet, nachdem die DDR-Behörden den Vorfall öffentlich gemacht haben.
In der ersten Vernehmung gibt der neue Bundesbürger zu, geschossen zu haben, jedoch nachdem die Soldaten das Feuer auf ihn eröffnet hätten. Jenseits des Eisernen Vorhangs werden am 19. Dezember die Leichen obduziert - man rekonstruiert anhand der Körperhaltung beim Auftreffen der tödlichen Kugeln den Tathergang. Weil Seidels Schuh einen Durchschuss aufweist, gehen die Kriminologen davon aus, dass er während der tödlichen Begegnung gesessen hat. Jürgen Lange lag - vermutlich schlafend - auf dem Bauch, als ihn die Kugeln trafen.
Die Generalstaatsanwaltschaft der DDR gibt einen Steckbrief heraus, in dem 100.000 Mark Ost für die Ergreifung des „Doppelmörders“ ausgeschrieben sind.
Am Abend des 21. Dezember wird Weinhold bei Verwandten im westfälischen Marl festgenommen. In der ersten Vernehmung schon gibt er die tödlichen Schüsse auf das Postenpaar zu, behauptet aber seinerseits beschossen worden zu sein, also in Notwehr gehandelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlages in zwei Fällen. Die DDR besteht auf Weinholds Auslieferung. Das kommt für die bundesdeutsche Seite aber nicht in Frage, da unter anderem in der DDR noch die Todesstrafe gilt.
Entgegen der Forderung, ihn an die DDR auszuliefern, wird Weinhold 1976 am Schwurgericht Essen des zweifachen Totschlags angeklagt. Der Prozess gegen Weinhold, ein knappes Jahr nach der Tat, dauert gerade mal 1 1/2 Tage. Weil keine Zeugen aus der DDR geladen sind und die Tötung nicht erwiesen werden kann, ist das Gericht in Beweisnot - der Todesschütze wird freigesprochen. Im Gerichtssaal werden Weinhold Blumen überreicht.
Jenseits der Mauer bricht ein Sturm der Entrüstung los: Das „Neue Deutschland“ nennt die Entscheidung des bundesdeutschen Gerichts einen „Freibrief für Gewalt“.
Im September 1977 hebt der Bundesgerichtshof das Urteil auf und verweist den Fall zur Neuverhandlung an das Landgericht in Hagen. Die Hagener Staatsanwälte und Richter geben sich alle Mühe um mit den DDR-Behörden eine Kompromisslösung zu finden, bei der beide Seiten politisch ihr Gesicht wahren können. Die DDR beschließt einen