Einer der „langen Kerls“
Berlin ward unter seiner Regierung nicht mehr das deutsche Athen, sondern das deutsche Sparta genannt.
Sein Familienleben war auf einen einfach bürgerlichen Fuß eingerichtet, und er gab hierdurch – zu einer Zeit, wo an den Höfen fast überall ein furchtbares Sittenverderbnis eingerissen war – ein sehr achtbares Beispiel. Eheliche Treue galt ihm über alles. Seine Kinder, deren Anzahl sich im Verlauf der Jahre bedeutend vermehrte, sollten, seiner schlichten Frömmigkeit gemäß, in der Furcht des Herrn erzogen werden; frühzeitig war er bemüht, sie durch die Gewöhnung eines regelmäßigen Lebens, durch strengen Gehorsam und nützliche Beschäftigung zu tüchtigen Menschen nach seinem Sinne zu bilden, während alles, was der Eleganz in Leben und Wissen angehört, entschieden aus seinem häuslichen Kreise verbannt blieb. Unter einer rauen Hülle bewahrte er ein deutsches Gemüt, und er ließ dem, der ihm in gemütlicher Weise entgegenkam, Gerechtigkeit widerfahren; undeutsches Wesen aber und Widerspenstigkeit gegen seine gutgemeinten Anordnungen fanden an ihm einen unerbittlichen Richter, und er wusste, von Natur zum Jähzorn geneigt, ein solches Tun aufs Härteste zu ahnden.
In den ersten Jugendjahren seines Sohnes, des nunmehrigen Kronprinzen Friedrich, konnte es noch nicht in Frage kommen, wie weit dieser mit der Richtung und Gesinnung des Vaters übereinstimmen werde. Die erste Pflege des Knaben musste den Händen der Frauen anvertraut bleiben.
Friedrichs Mutter, Königin Sophie Dorothee
Seine Mutter, die Königin Sophie Dorothee, eine Tochter des Kurfürsten von Hannover und nachmaligen Königs von England, Georg I., war durch eine natürliche Herzensgüte und Neigung zum Wohltun ausgezeichnet; auch war sie der edleren Wissenschaft nicht so abhold wie ihr Gemahl.
Großvater Georg von Hannover, später König von England
Diese Neigungen suchte sie auf ihre Kinder fortzupflanzen. Leider besaß sie jedoch nicht diejenige hingebende Liebe, welche, in Einklang mit dem Willen ihres Gemahls, zum Segen des Hauses hätte wirken können.
Eine Ehrendame der Königin, Frau von Kamecke, war mit der Oberaufsicht über die Erziehung des Kronprinzen beauftragt worden.
Marthe de Roucoulle Montbail – 1659 – 1741
Ein größeres Verdienst, als diese, erwarb sich die Untergouvernante, Frau von Nocoulles. Die Letztere hatte schon den König selbst in seiner Kindheit gepflegt; ihr fester und edler Charakter, ihre treue Anhänglichkeit an das preußische Herrscherhaus hatten sie so empfohlen, dass es nur ein gerechter Dank schien, sie aufs Neue zu einem so ehrenvollen Geschäfte zu berufen. Sie war eine geborene Französin und gehörte zu den Scharen jener Reformierten, die ein törichter Religionseifer, die Heimat eines Teiles seiner besten Kräfte beraubend, aus Frankreich verbannt hatte und die in den brandenburgischen Staaten willkommene Aufnahme fanden. Dass überhaupt eine Französin, selbst an dem derbdeutschen Hofe Friedrich Wilhelms, zur Erziehung der Kinder berufen ward, darf in einer Zeit nicht auffallen, in welcher die Welt von französischer Bildung beherrscht wurde und die Kenntnis der französischen Sprache unumgänglich nötig war, um sich in den höheren Kreisen der Gesellschaft verständlich zu machen; überdies war gerade in Berlin durch die Scharen jener Eingewanderten, welche Kunstfertigkeiten und wissenschaftliche Bildung aus Frankreich herübergebracht hatten, die französische Sprache nur umso mehr ausgebreitet worden. So ward auch der Kronprinz von früher Jugend an, gewiss nicht ohne Einfluss auf sein späteres Leben, vorzugsweise in der französischen Sprache gebildet. Wie treu aber seine Erzieherin ihre Pflichten an ihm erfüllt hat, beweist am besten der Umstand, dass er ihr bis an ihren Tod in unwandelbarer Anhänglichkeit zugetan blieb.
Als Friedrich vier Jahre alt war, wurde ein merkwürdiges prophetisches Wort über ihn gesprochen.
Schwedenkönig Karl XII.
Die trotzige Rücksichtslosigkeit des Schwedenkönigs, Karls XII. hatte damals König Friedrich Wilhelm zum Kriege genötigt, dessen Folge die Eroberung eines Teiles von Vorpommern und die Einverleibung desselben in den preußischen Staat war.
Stralsund
In der Weihnachtszeit des Jahres 1715 war Stralsund erobert worden; eine bedeutende Anzahl schwedischer Offiziere, die man hierbei zu Kriegsgefangenen gemacht hatte, befand sich in Berlin. Einer von diesen Offizieren, namens Croom, stand in dem Rufe, aus den Sternen und aus den Lineamenten der menschlichen Hand die Zukunft lesen zu können; die ganze Stadt war voll von seinen Prophezeiungen. Die Königin und die Damen des Hofes waren begierig, durch ihn ebenfalls einiges von ihren zukünftigen Schicksalen zu erfahren. Man berief ihn in die Gemächer der Königin. Hier untersuchte er die dargebotenen Hände und sagte Dinge voraus, die später in der Tat auf überraschende Weise eintrafen. Der Königin, die sich eben in gesegneten Umständen befand, sagte er, sie würde in zwei Monaten von einer Tochter entbunden werden; der ältesten Prinzessin verkündete er, dass sie neben manchen trügerischen Hoffnungen ihr ganzes Leben hindurch viele Leiden würde zu erdulden haben; einigen Hofdamen sagte er ihre baldige, wenig ehrenvolle Entfernung vom Hofe voraus. Als ihm der Kronprinz vorgeführt ward, so prophezeite er diesem viele Unannehmlichkeiten in seiner Jugend: In reiferen Jahren aber würde er Kaiser und einer der größten Fürsten Europas werden. Der Titel des Kaisers ist Friedrich allerdings nicht zuteil geworden; sonst aber ist auch diese Prophezeiung vollständig in Erfüllung gegangen.
In den ersten Lebensjahren, wie auch noch mannigfach in späterer Zeit, bis kriegerische Beschäftigungen den Körper abgehärtet hatten, war die Gesundheit des Kronprinzen schwankend; die traurigen Erfahrungen, die man bereits an zwei früh verstorbenen Prinzen gemacht hatte, ließen auch für ihn gegründete Besorgnisse entstehen. Zugleich hatte dieser körperliche Zustand, vielleicht aber auch eine Gemütsanlage, welche die äußeren Eindrücke früh mit Bestimmtheit aufzufassen und nachdenklich zu verarbeiten nötigte, ein eigentümlich schweigsames, fast schwermütiges Wesen zur Folge, welches jene Besorgnisse noch mehr zu rechtfertigen schien. Umso emsiger war man auf die körperliche Ausbildung des jungen Prinzen bedacht.
Friedrichs Schwester Wilhelmine
Mit voller Zärtlichkeit hing dieser an seiner älteren Schwester, die sich in ihren Erholungsstunden nur mit dem Knaben beschäftigte. Dieses innige Verhältnis hat bis an den Tod der Schwester ausgedauert.
Eine Szene aus diesen Kinderjahren ist durch ein schönes Gemälde des damaligen Hofmalers Pesne der Nachwelt überliefert worden.
Hofmaler Pesne mit Frau und Tochter
Der