Erfreut erhob sich Grover und ging ihm entgegen. Der Graf folgte ihm.
»Alter Biber,« lachte der fröhliche Alte. »Hier ist Joe Baring, deinen Besuch zu erwidern, laß tafeln, Mann, ich fühle mich dir ebenbürtig in Bezug auf wölfischen Appetit.«
»Bist willkommen, Joe Baring, und sollst vor dem Verhungern geschützt werden,« sagte dieser munter und schüttelte dem Freunde die Hand, der dann abstieg und, nachdem der stets bereite Jim ihm das Pferd abgenommen, auf den Grafen zutrat und ihm die Rechte reichte. »Müßt gedacht haben, ist der alte Joe Baring kein Mann von Wort, weil er seinen Brief nicht schreibt. Hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ist freilich keine leichte Aufgabe, Fremder, so ein Ding wie einen Brief fertig zu bringen. Sind's nicht gewöhnt, Mann, müssen zu viel die Pflugschar, die Axt und die Büchse handhaben, aber noch schwieriger wird die Sache, wenn kein Papier vorhanden ist. Hatten keine Handbreit davon im Hause, schreiben selten. Schickte herum bei den Nachbarn, weit und breit, habe aber erst gestern etwas Papier bekommen und mich dann gleich an die Arbeit gemacht, ist glücklich gelungen. Kalkuliere, ist ein Brief so gut wie irgend einer,« und dabei holte er ein merkwürdig zusammengefaltetes und mit Gummi verklebtes Schriftstück aus der Tasche, dem mit einer eckigen, unsicheren Kinderhandschrift die Adresse aufgeschrieben war.
»Mag vielleicht nicht ganz regelrecht sein, aber, kalkuliere, ist ein richtiger Brief, und Tom Myers wird ihn schon lesen.« Damit überreichte er dem Grafen sein Kunstwerk, der es mit Dank in Empfang nahm.
»Es kommt auf die Form wenig an, wenn nur der Inhalt gut ist, Mister Baring.«
»Habt recht, Mann. Der Inhalt muß gut sein, beim Menschen wie bei willst du mich verhungern und verdursten lassen, Bill?« donnerte er Grover an und lachte dann herzlich, fortfahrend »wie bei Flaschen.«
»Nelly, Nelly!« rief Grover zum Hause hin, »hier verdurstet ein Mann «
»Muß doch deiner Lady erst guten Tag sagen und wo sind denn die Kinder?«
Da erschienen auch Grovers Frau und dessen Töchter bereits in der Türe und bewillkommneten den alten Freund und Nachbar herzlich.
»Sollt nicht verschmachten, Mister Baring,« sagte die Frau, »ist in Grovers Landing immer etwas zu finden, den Durst zu löschen. Ist's Euch gefällig einzutreten?«
»Danke, bleibe hier unter der alten Sykomore, Mistreß Grover ist ein liebliches Plätzchen.«
»Wie Ihr wollt.«
Während sie sich ins Haus begab, um Anordnungen zur Bewirtung des Gastes zu treffen, begrüßte der muntere Baring die Töchter Grovers, welche schüchtern knicksten.
»Freut mich, Mädchen, euch so munter zu sehen habt Wänglein wie ein junger Jerseyapfel und Lippen wie Rosenknospen «
»Hör auf, hör auf, alter Joe, mach mir die Mädchen nicht eitel. Glaubt's nicht, Kinder, Baring macht nur Komplimente. Ist stets ein loser Schelm gewesen, treibt seinen Spaß mit euch.«
»Ist nicht wahr, Mädchen «
»Seid Nachteulen, sage ich euch «
»Grover,« schrie Baring, »kleine Posaunenengel sind's.«
Die Mädchen lachten, der Alte erst recht und auch Grover stimmte ein selbst dem Grafen lockte die Scene ein Lächeln ab.
»Geht ins Haus, Mädchen, und helft der Mutter,« worauf das hübsche, frische Schwesternpaar ins Haus eilte.
»Prächtige Kinder sind's, Grover, ist ein Fakt.«
»Nun,« sagte der geschmeichelte Vater, »können sich sehen lassen.«
Die drei setzten sich an den Tisch, welcher bald reichlich mit Speisen und Trank besetzt war.
»War John Turnbull bei mir,« nahm Baring im Laufe des Mahles das Wort, »hat mir eure Jagd erzählt, Grover. Hätte ich's nur gewußt, wäre dabei gewesen, geht mir das Herz auf bei einer solchen Frolic. Schlimm nur, daß die Bursche entkommen sind, wird denen am White River wenig angenehm sein, kalkuliere ich.«
»Das Land muß gereinigt werden von diesen Gesellen und wenn die Miliz aufgeboten werden muß,« sagte Grover ernst. »Keine einsam liegende Farm ist ja sicher vor ihnen.«
»Ja, wenn Wälder und Prairien nicht wären.«
»Und die Hehler, sage. Die Spitzbuben, die sich hier eingefunden hatten, und vor allen der Iltis, müssen doch anderwärts sowohl als hier einen Unterschlupf finden. Der Iltis ist sicher schon längere Zeit hier in der Gegend verborgen gewesen, wenn man nur erfahren könnte, bei wem? Im Walde oder in den Sümpfen kann er sich doch nicht fortwährend herumgetrieben haben. Und bekannt ist ja dieses Raubtiergesicht genug. Hat die Gelegenheit bei Jones ausspioniert und dann mit seinen Gesellen den Raub ausgeführt.«
»Wird so sein. Am meisten bedaure ich, daß euch der Morris entgangen ist, drei Jahre lang hat er sich jetzt der Gerechtigkeit zu entziehen gewußt, und wer weiß, was er in dieser Zeit für Untaten ausgeführt hat?«
»Ist bedauerlich, ja.«
»Was nur aus dem armen Johnson geworden sein mag?«
»Weiß es niemand, Grover, ist verschwunden, denken alle, hat sich das Leben genommen. Kennt die Geschichte, Fremder?«
»Ich habe einiges davon gehört.«
»Ist 'ne traurige Sache. Wohnte da am Kalamazoo, südwärts von uns, der Mann Johnson. Habe ihn gekannt, war ein rechter Mann, wohnte, wie wir hier hausen, einsam auf seiner Farm. Hatte eine Frau und zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Ließ sie eines Tages allein zu Hause, was ja oft genug geschah; war dieser gefährliche Mensch, der Morris, der wegen Mordes und Diebstahls bereits dem Henker verfallen war, dorthin gekommen, während ihm die Männer vom Grand River schon auf der Fährte waren, hat, um zu rauben, das arme Weib und die Kinder gemordet, genommen, was an Geld zu finden war, und das war wenig genug, Johnsons bestes Pferd aus dem Stall gezogen und ist so entkommen. Als Johnson am Abend nach Hause kam und das Liebste, was er auf der Welt hatte, tot vor sich sah, ist er ganz still gewesen, hat kein Wort sprechen können, war wie versteinert. Hat auch keinen Laut mehr hören lassen, sagen die Nachbarn, hat in einer Ecke gesessen und ist ganz still gewesen. Sind die Nachbarn gekommen und haben Frau und Kinder begraben. Schweigend und tränenlos ist Johnson mitgegangen. Ist dann beim Grabe allein geblieben, hat auf keinen Trostspruch gehört, war am andern Morgen fort hat sein Eigen, alles verlassen. Denken alle, hat sich der Mann ein Leids angetan.«
»Es ist furchtbar,« sagte der junge Graf und schauderte leicht zusammen.
»Ging wie ein Schrei der Wut durchs ganze Land, als die Tat ruchbar wurde. Ist alles aufgeboten worden, den Mörder zu fangen, haben ihn nicht erwischt. Nun erscheint er wieder zwischen uns, um abermals zu entkommen. Jammerschade!«
»Jetzt begreife ich ganz die Wut, mit welcher dieser entsetzliche Mensch verfolgt wird.«
»Wird ihm nicht gut ergehen, wenn unsre Leute ihn ergreifen, kalkuliere, wird einige schlimme Stunden haben, werden den Henker nicht bemühen, ist die Tat vom Kalamazoo nicht vergessen,« sagte Baring. »Ist nicht zu vermeiden, daß solches Gesindel sich hier an den Grenzen herumtreibt. Suchen wie wilde Tiere die Einsamkeit der Wälder, wenn sie verfolgt werden, und Not und Verzweiflung treiben sie zu neuen Verbrechen. Ist der Auswurf der Städte und dichter bewohnten Bezirke, der uns hier im Hinterwald zu teil wird. Machen darum nicht viel Umstände mit den Burschen, wenn wir sie fassen und die Sache klar ist. Hatten den Battle freilich vor die Jury gestellt, saß im Countyhause, wäre aber entmischt, wenn nicht der Konstabel und schließlich der Indianer, der John, gewesen wären. Ist eine Lehre für uns, werden zunächst selbst die Ausübung der Gerechtigkeit in die Hand nehmen.«
»Ich sehe wohl, nach dem, was ich erfahren, ein, daß hier ein energisches Eingreifen am Platze ist. Was Medikamente nicht heilen, heilt Eisen.«
»Ist ein Uebergangsstadium, Fremder, sind noch halbwilde Leute hier, wird anders werden, wenn