Max verkniff sich nicht den verwirrt offenstehenden Mund.
Hat der mir gerade an den Arsch gefasst?
Natürlich! sagte ihm sein Verstand. Cliff hatte ihm ja beim Aufsitzen helfen wollen.
Aber hatte er ihm dafür wirklich an den Hintern fassen müssen?
Nachdem Max sich von Cliff in den Sattel helfen gelassen hatte, bedankte er sich mit einem einfachen »Danke« und ließ die andere Sache auf sich beruhen.
Als Erwiderung bekam er nur ein Grummeln zu hören, bevor sich Cliff wieder auf sein eigenes Pferd schwang.
Dann ging der schweigsame Ritt weiter, über weite Felder und Hügel. Ein Land ohne Straßen, so schien es. Die Stille war gar nicht so übel, denn so konnte Max sich voll und ganz auf die unglaubliche Aussicht konzentrieren. Gäbe es die Grenzzäune nicht, hätte Max gedacht, sie befänden sich mitten in der Wildnis.
Es war wundervoll, trotz der trockenen Hitze, die ihm spröde Lippen bescherte, und des grimmigen Kerls, neben dem er her ritt.
Was eigentlich schade war, denn Cliff war wirklich nett anzusehen. Hätte er doch nur ein freundlicheres Wesen besessen, wäre Max tatsächlich im Paradies gelandet.
3
In seiner ersten Nacht konnte Max kaum Schlaf finden. Und das obwohl er unglaublich müde gewesen war. Aber seine Gedanken wollten einfach keine Ruhe geben. Nachdem er den Vorarbeiter kennen gelernt hatte, befürchtete er nämlich, dass ihm alle Arbeiter mit dieser grimmigen Miene entgegentreten würden.
Doch am Morgen wurden diese Sorgen zerstreut.
Als Tante Lisa ihn allen anderen vorstellte, waren alle freundlich zu ihm und sehr neugierig. Sie löcherten ihn mit Fragen über sein Aufwachsen und sein Leben in Deutschland, er wurde aufgefordert, ihnen ein paar deutsche Wörter beizubringen, er sollte Fotos seiner Heimat zeigen, und bekam im Gegenzug viele Geschichten über die Gegend erzählt. Die Menschen waren sehr freundlich, immer ein Lachen im Gesicht, sehr aufgeschlossen und herzlich. So zumindest sein erster Eindruck.
Es war ein geselliges Beisammensein, bis Cliff eintraf und alle in der Küche verstummten und die Blicke senkten. Es schien, als hätten alle Anwesenden großen Respekt vor Cliff, obwohl viele älter als er waren.
Der Vorarbeiter vergeudete wenig Zeit, er goss sich Kaffee in eine Thermoskanne und ratterte eine Liste Arbeitsaufträge herab. Max wurde der einzigen Frau im Team zugeteilt und sollte die Ställe ausmisten und Weiden nahe des Wohnhauses säubern.
Mit anderen Worten: Schön weit entfernt von Cliff.
Das spornte Max nur um so mehr an, sein Bestes zu geben, und obwohl ihm bereits nach einem halben Tag jeder Muskel schmerzte und er sich am liebsten gegen Mittag erschöpft ins Stroh geworfen hätte, hielt er durch. Immer, wenn Cliff vorbei sah, nahm er noch einmal alle Kraftreserven zusammen und tat so, als ginge ihm alles locker von der Hand.
Das klappte natürlich nicht so, wie es sollte, seine müden Augen und das verschwitzte T-Shirt – das regelrecht vor Schweiß triefte – straften seiner geraden Haltung und seinem breiten Lächeln Lügen.
Aber immerhin brachte er mit seiner zur Schau gestellten Fröhlichkeit Cliff zum Schmunzeln und rang ihm tatsächlich ein »Gute Arbeit« ab. Dann ging er jedoch wieder.
Nachdem Tante Lisa und Helene am späten Nachmittag den Arbeitern Sandwiches und kaltes Bier spendiert hatten, schlenderte Max über den Hof, da er sofort eingeschlafen wäre, hätte er nach dem Essen auch nur kurz auf einer Bank ausgeruht. Er sah Cliff auf einem sandigen Reitplatz hinter den Ställen und trat vorsichtig näher. In tiefer Konzentration trainierte er mit einem Jungpferd, das nur ein Lasso um den langen Hals trug. Es war ein schönes Tier, ein Falbe, kräftig gebaut mit zitternden Flanken und geblähten Nüstern, wenn Cliff sich ihm vorsichtig näherte.
Max stieg auf die Latten des Zaunes und legte das Kinn auf die Hand. Eine Weile sah er ihnen zu, Trainer und Pferd, die sich aneinander gewöhnten. Cliff gelang es mit viel Ruhe und Geduld dem Tier ein Halfter aus losen Stricken anzulegen und versuchte dann, es am Strick zu führen.
So sanft, so liebevoll wie Cliff mit den Tieren umging, weckte es etwas in Max. Eine tiefe Sehnsucht, die ihn zum Seufzen brachte.
»Ein schönes Tier«, sagte Max, als Cliff es geschafft hatte, das Pferd zum Gehen zu bewegen. Er führte es über den Sand im Kreis an Max vorbei. Er hatte – obwohl er seinen Zuschauer längst bemerkt haben musste – kein Wort zu diesem gesprochen. Doch jetzt lächelte Cliff mit einer Spur Stolz, als hätte er das Pferd selbst gemacht.
»Ein Quarter Horse«, erklärte er, »Golden Pie ist sein Vater.«
»Golden Pie?«, fragte Max.
Cliff nickte und schenkte ihm noch einen freundlichen Blick, der Max zum Lächeln brachte. »So heißt mein Pferd«, zwinkerte er.
Max stockte sofort das Herz. Dieses Zwinkern, so aufreizend, so vielsagend. Was sollte es bedeuten?
Bevor er weiter nachhaken konnte, rief jemand seinen Namen. Max blickte über die Schulter, Amy winkte ihn drängelnd zu sich. Noch einmal sah er zu Cliff, doch dessen Meine war wieder verschlossen, er konzentrierte sich auf sein Pferd.
Max riss sich los, obwohl er Cliff gerne noch länger zugesehen hätte.
*~*~*
Am Abend saß Max mit einem kühlen Bier auf der überdachten Veranda und genoss die restliche Hitze der untergehenden Sonne, die ihm während des Tages die Arbeit zur Hölle gemacht hatte. Nun konnte er sie sogar genießen. Die australische Hitze.
Eine Dusche hätte ihm gutgetan, doch die würde er sich bis kurz vor dem Schlafengehen aufheben, damit er abgekühlt und sauber in die Federn sinken konnte.
»Es gibt nichts schöneres, als den Sonnenuntergang mit einem kühlen Bier nach getaner Arbeit zu genießen, oder?«, fragte ihn die brünette Amy, die neben ihm auf der anderen Liege lag und ihm zuprostete. Ihre braunen Löckchen klebten in ihrem sehr feinen, zierlichen Gesicht, ihr Hemd spannte über ihren runden, festen Brüsten.
Max seufzte: »Es ist wirklich atemberaubend.« Und obwohl ihm die Arbeit heute jegliches körperliche Können abverlangt hatte, fühlte er sich beflügelt.
Etwas matt, aber dennoch beflügelt.
Am Morgen, so fürchtete er, würde ihm trotzdem alles wehtun. Er hätte nie erwartet, wie viel es auf einer Farm zu tun gab. Von früh morgens, Vier Uhr früh, um genau zu sein, bis zum späten Nachmittag, hatten sie zu zweit gebraucht um die Pferdeställe, die sich auf zwei Gebäude ausweitete, auszumisten. Und das musste jeden Morgen getan werden. Danach waren die Weiden dran gewesen, und sie hatten die Rinder auf ihren Wiesen mit Heu füttern müssen, da durch den heißen Sommer kaum noch etwas wuchs.
»Regen täte gut«, stöhnte Amy und strich sich mit dem Unterarm über die Stirn, auf der feuchter Schweiß glänzte. »Nur ein kleiner Schauer, zum Abkühlen.«
Max schüttelte schmunzelnd den Kopf und nahm einen Schluck von seinem Bier. Er mochte Amy, sie war humorvoll, aufgeschlossen und hilfsbereit, wirklich eine sehr nette, junge Frau, etwa vier- oder fünfundzwanzig Jahre alt, Max wusste von seiner Mutter, dass es unhöflich war, eine Lady nach ihrem Alter zu fragen, also schätzte er nur.
Max hatte die Zeit mit Amy nicht ungenutzt verstreichen lassen, da sie redselig war, hatte er mal langsam vorgefühlt und versucht, mehr über Cliff zu erfahren, aus dem er einfach nicht schlau wurde. Denn Max konnte sich nicht erklären, was er dem Vorarbeiter getan haben sollte.
»Er ist einfach so«, hatte Amy ihm erklärt. »Mach dir nichts daraus, er begegnet allen so. Für ihn zählt nur die Arbeit, er gönnt sich keine Minute Spaß. Ich sag dir, der ist wirklich streng, aber wenn du dich gut anstellst, lässt er dich einfach in Ruhe. Geh ihm nur aus dem Weg, dann wird das