Ein verhängnisvoller Wunsch. Sabine von der Wellen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine von der Wellen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753190457
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peilte sie ihr Bett an, kroch unter die Decke, machte das Licht aus und drehte sich auf die Seite. In ihrem Kopf wirbelten kleine Stürme. Doch es dauerte nur einen Augenblick, in dem sie das vor Entrüstung schreiende Etwas, das ihren Auftritt vor dem Fenster nicht fassen konnte, in sich zu ignorieren versuchte. Dann schlief sie ein.

      Nur langsam drang das Schnarren des Telefons an Isabels Ohren und wurde von ihrem Gehirn registriert. Sie schlug die Augen auf und fast gleichzeitig schoss ein Schmerz in ihre Schläfen und ihr Magen schien sich seltsam zu verdrehen.

      Stöhnend versuchte sie in die Wirklichkeit zu finden.

      „Hardy …!“, schoss es ihr durch den Kopf und ihre Hand griff neben sich. Doch der Platz war kalt und leer.

      Ach ja, er hatte sie sitzengelassen.

      Wieder schnarrte das Telefon.

      Isabel stand auf und wankte benommen in ihr Wohnzimmer. Sie nahm den Hörer ab und meldete sich mit rauer, dünner Stimme.

      Sofort dröhnten ihr überlaute Worte ins Ohr, die sie den Hörer weit von sich halten ließen. „Ein wunderschönes neues Jahr, mein Schatz. Ich wünsche dir, dass in diesem Jahr endlich alle deine Wünsche in Erfüllung gehen.“

      „Danke Mama.“

      Ihre Stimme klang zu müde und niedergeschlagen und sie versuchte sich zusammenzureißen. Ihre Mutter sollte glauben, dass es ihr wirklich gut geht. Ansonsten konnte sie sich wieder die besserwisserischen Vermutungen von ihr anhören, warum es ihr schlecht ging und die Fragen beantworten, wieso sie nicht so war wie ihre jüngere Schwester Karin. Die hatte immer alles im Griff mit sich und ihren zwei Kindern und ihrem tollen Ehemann.

      Ihre Mutter weiß nicht, dass Klaus, bevor er von ihre Schwester angeschlürt wurde und diese von Liebe auf den ersten Blick sprach, eine One-Night-Bekanntschaft von Isabel gewesen war. Natürlich konnte Isabel das niemandem sagen und Klaus hütete sich, dass von sich aus zur Sprache zu bringen. Also wusste niemand, dass Klaus seine Schwägerin von innen und außen kennt und ihre Mutter hätte Isabel geluncht, wenn sie erfahren hätte, dass sie Männerbekanntschaften für eine Nacht hegte. Das Klaus Isabel dann auch noch anbaggerte, als Karin mit Natalie schwanger war, konnte sie natürlich auch niemandem sagen. Er war betrunken gewesen und hatte Isabel gesagt, dass er Karin nur genommen hatte, weil Isabel ihn damals nicht wiedersehen wollte.

      Natürlich hatte sie ihm das weder geglaubt noch ihn weiter erhört, weil sie das ihrer Schwester nicht antun konnte. Aber ab da wusste sie, dass er eigentlich ein Schwein ist, wie alle Männer.

      Ihr Blick fiel auf den heruntergefallenen Anrufbeantworter. Mit dem Hörer in der Hand der Mutter lauschend, die ihr von ihrem Silvesterabend mit Karin, Klaus und den Kindern berichtete, stand sie von dem Sofa auf, auf das sie sich fallenlassen hatte und hob das Gerät auf. Kopfschüttelnd stellte sie es wieder hin. Sie konnte sich nicht erinnern wie das Gerät auf den Fußboden gekommen war.

      „Es wäre schön, wenn du Karin auch mal wieder besuchst. Sie sagte, du schaust nie bei ihr rein.“

      „Ja Mama. Mache ich.“

      Isabel sah sich um.

      Der Tisch war immer noch ordentlich gedeckt und das Essen stand in den Schüsseln angerichtet vertrocknet und unappetitlich auch noch da. Dazwischen prangte eine leere Sektflasche.

      „Die Kinder sind so lebhaft. Du könnest ihr ein wenig mit ihnen helfen. Vielleicht regt das deine Mutterinstinkte endlich mal etwas an.“

      Oh Mann. Ihre Mutter hatte überhaupt keine Ahnung, was sich wie in Isabel regt.

      „Mama, ich arbeite den ganzen Tag. Und ich denke, Karin kriegt das mit den Kindern auch allein hin.“

      Isabel fand beim Sofa die zweite leere Sektflasche.

      Hardy, dieses Schwein! Erst erzählte er ihr, dass er unbedingt mit ihr ins neue Jahr reinfeiern will und dann kam er nicht.

      „Isabel, du wirst nicht jünger. Wenn du selbst mal Kinder haben willst, wird es langsam Zeit. Ich glaube, in deinem Alter läuft die biologische Uhr schon recht schnell rückwärts. Hast du dich mal bei dem Arzt darüber erkundigt, den ich dir letztens empfohlen habe?“

      „Ja Mama, habe ich. Es ist alles noch im grünen Bereich“, log sie und wusste, sie musste das Gespräch schleunigst beenden. „Dann grüß Papa schön von mir und nochmals ein schönes neues Jahr, falls ich das noch nicht erwähnt habe. Ich habe es etwas eilig. Ich habe gleich noch ein Neujahrsessen mit Freunden. Tschüs und bis bald!“ Isabel hörte noch ein perplexes: „Ähm … ja, okay, gut. Bis bald. Und komm mal …“ und legte schnell auf.

      Sie atmete einmal tief durch, weil sich erneut Übelkeit in ihrem Bauch ausbreitete und ihre Magensäure immer höher Richtung Ausgang wanderte. Isabel schluckte schnell einige Male, um dem entgegenzuwirken.

      Ihre Mutter nervte sie immer wieder damit, dass Isabel Karin nicht mit den Kindern half und selbst keinerlei Anstalt machte, welche zu bekommen. Sie wusste nichts von Isabels Leben. Sie wusste nicht, dass sie Karin so selten besuchte, weil es sie schmerzt, dass Karin zwei so tolle Kinder hat und sie nicht. Sie ertrug es kaum, die Kleinen um sich zu haben und war hinterher immer erschreckend deprimiert.

      Ihre Mutter wusste auch nicht, dass Isabel diese Muttergefühle, die sie bei Kindern jedes Mal anfielen, fast ins Grab brachten, und dass sie sich absolut bewusst war, dass sie bald nicht mehr in der Lage sein würde, selbst welche zu bekommen.

      Tränen quollen ihr aus den Augen, und Isabel versuchte sie mit aller Macht zu unterdrücken. Bloß nicht schon am frühen Morgen in Selbstmitleid zerfließen. Wo soll das sonst hinführen?

      Trotz Gegenwehr machte sich Niedergeschlagenheit bei ihr breit. Sie musste sich erst einmal einen Kaffee kochen und eine Schmerztablette einwerfen, damit die rasenden Kopfschmerzen aufhörten, die mit der Übelkeit erneut eingesetzt hatten.

      Langsam schlurfte sie in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Dann griff sie in eine Schublade nach den immer dort parat liegenden Tabletten und schluckte eine mit etwas Wasser hinunter. Der nächste Gang führte sie in ihr Badezimmer. Der Blick in den Spiegel verhieß nichts Gutes. Soll das da etwa sie sein? Diese alte Frau mit der verschmierten Schminke im Gesicht.

      Es fröstelte sie und ihr wurde langsam bewusst, dass sie nichts anhatte.

       So läufst du in der Wohnung herum, und das am helllichten Tag, wo dich jeder sehen kann!

      Ah, ihr Gewissen. Das war immer rege und wachsam. Selbst nach so einer Nacht.

      Scheu sah sie durch die Tür des Badezimmers in den kleinen Flur und das angrenzende Wohnzimmer.

      Tatsächlich! Es war hell - also die Schalosien offen. Ihr wurde mit Erschrecken klar, dass sie eben jeder sehen konnte, als sie aus dem Bett zum Telefon gewankt war.

      Schamröte überzog ihr Gesicht und machte es mit der verschmierten Schminke noch unansehnlicher.

      „Ach, es wird schon keiner am Fenster gestanden haben“, beruhigte sie sich schnell.

      Fenster … Fenster … irgendwie drängte sich ein ungutes Gefühl im Zusammenhang mit Fenster an die Oberfläche.

      Ach, egal! Sie musste erst mal duschen.

      Sie stieg hinter den Vorhang und ließ das Wasser über ihren Körper laufen. Langsam verschwanden dabei ihre Kopfschmerzen und ihre Lebensgeister erwachten vollständig. Aber mit denen auch die Wut auf den missratenen Silvesterabend.

      Sie trocknete sich ab und marschierte, von ihrem großen, geblümten Handtuch umschlungen, in ihr Schlafzimmer. Aus der Küche drang schon der würzige Kaffeegeruch zu ihr herüber, und mit einem dumpfen Hungergefühl im Magen fiel ihr Blick auf den Radiowecker auf ihrem Nachtschrank.

      „Mein Gott, es ist ja schon fünf!“, entfuhr es ihr aufgebracht. Sie hatte doch tatsächlich bis zum Nachmittag geschlafen.

      Schnell zog sie sich an und lief zum Fenster, zog die Schalosie hoch, scheinbar die einzige,