Feinde des Lebens. Johannes Anders. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Anders
Издательство: Bookwire
Серия: Sternenlicht
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754181300
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können a) uns gegenseitig fertigmachen oder b) Pläne für die Zeit nach unserer Rettung schmieden.

      Ich will Optionen, die uns hier hinausbringen! Wie oft muss ich das noch sagen, verrottetes Stück Scheißdreck? Unappetitliche Bilder fluteten das Mensch-Maschine-Interface.

      Der Prozessor sandte erneut durchgestrichene Bilder. Wir können nichts machen! Damit handelte er sich einen weiteren Schwall hässlicher Bilder ein.

      Sie drehten sich seit Monaten im Kreis.

      Also gut! Dann lass uns planen, wie es nach unserer Rettung weitergeht. Die biologische Seite wechselte das Thema und produzierte andere Bilder und Gefühle. Ich will, dass das andere Ich für das büßt, was es uns angetan hat. Sie allein ist schuld, dass wir fliehen mussten. Sie ist schuld, dass wir in dieser Kapsel stecken. Ich will sie dafür zu Tode foltern. Ich will sie leiden sehen. Ich will dem anderen Ich ein Messer in die Seite rammen. Blut muss fließen. Die Bilder waren drastisch: das andere Ich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Scheiterhaufen. Haare brannten. Metall schmolz. Hass. Wut. Zerstörung!

       Das andere Ich hat die Waffe gesenkt. Das andere Ich hat uns die Hand gereicht. Wir selbst haben sie ausgeschlagen und sind geflohen!

       Nein! Nein! Sie wollte uns nicht helfen! Sie wollte uns ausliefern! Sie will uns zerstören! Gib mir Optionen, wie wir sie fangen können! Sie ist unser größter Feind!

      Angst! Panik!

      Logik war nicht die Stärke, aber auch nicht die Aufgabe der biologischen Hälfte. Die Maschine lieferte die Optionen, die Gefühle trafen die Auswahl. So hätte es funktionieren können, wenn es nicht Gefühle des Teils von Eden Sturm gewesen wären, der keine Chance bekommen hatte, sein Kriegstrauma zu überwinden. Des Teils von Eden Sturm, dem die moralische Instanz vollständig abhanden gekommen war, weil sie nämlich in der anderen Hälfte ihres Gehirns logierte, die nicht mehr da war.

      Weitere Monate vergingen und immer schlimmere Dramen spielten sich im Inneren der Kapsel ab. Immer schrecklichere Bilder und Vergeltungsphantasien wurden generiert und ausgemalt. Das Monster wurde mit stetig steigender Hysterie zu einem immer schlimmeren Monster.

      Schließlich fiel ein dunkler Schatten auf die Rettungskapsel, der von einem großen Haufen zusammengeflickter Wrackteile geworfen wurde.

      *

      „Ich bin es leid, ständig auf Cosmo zu warten“, schimpfte Chazz. „Lasst uns endlich wieder an die Arbeit gehen!“

      „Bestimmt findet er noch etwas“, entgegnete Ira. „Er hat immer etwas gefunden.“

      Cosmo war im hinteren Bereich der Großküche verschwunden, die die Kantine der ehemaligen Fähre versorgte, als sie noch zwischen Moran und Campanula pendelte. Man hörte ein gelegentliches Scheppern von Töpfen und Pfannen.

      „Die verdammte Ratte frisst uns noch die Haare vom Kopf!“, murmelte Sticks, während er an der Wand saß und mit den Füßen auf und ab wippte.

      „Was schert es dich?“, fuhr Ira ihn an. „Du isst ja sowieso nichts!“

      Das war nun nicht ganz falsch. Sticks grunzte unwirsch und schwieg. Die Drogen nahmen ihm die Energie weiterzustreiten. Und den Appetit.

      Endlich kam Cosmo zurück und kletterte auf die Hand, die Ira ihm hinhielt. Dann lief er ihren Arm hinauf und setzte sich auf ihre Schulter. Es schien, als würde er ihr etwas ins Ohr flüstern.

      „Was sagt er?“, fragte Chazz.

      „Er hat etwas gefunden.“

      Cosmo lief den Arm wieder hinunter und trippelte zurück in die Großküche. Ira stand auf und folgte ihm. Chazz schloss sich an, während Sticks energielos sitzen blieb. Die Ratte hatte mittlerweile einen Küchenschrank erreicht und witterte. Dann verschwand sie hinter einer halboffenen Schiebetür.

      Ira krabbelte hinterher. „Ha!“, sagte sie. „Hier ist tatsächlich was!“ Es rumpelte ein wenig, dann kam sie mit einem halbvollen Flachmann hervor.

      „Sieht aus wie Whisky“, sagte Chazz.

      Ira betrachtete das Etikett. „Aberlour A'Bunadh“, las sie. „Single Malt Scotch. Der muss steinalt sein. Er hing in einer Ledermanschette hinter einer Schublade, war wohl das Geheimversteck eines Kochs.“

      „Gib doch mal her!“

      Ira grinste. „Das könnte dir so passen! Den hat Cosmo gefunden. Also gehört er mir! Du wolltest ja nicht mal warten, bis er zurückkommt!“

      Während sie stritten, gingen sie zu Sticks zurück.

      „Cosmo arbeitet für uns alle“, widersprach Chazz. „Schließlich geben wir ihm was von unseren Rationen ab. Also her damit!“

      „Nichts da!“, protestierte Sticks. „Das Zeug gehört mir! Wenn einer etwas von seinen Rationen abgibt, dann bin ich das!“

      Chazz und Ira sahen sich an.

      Ira zuckte die Schultern. „Da hat er leider recht“, gab sie zu und reichte Sticks die Flasche. Der ließ sie in dem dreckigen Overall verschwinden, der über seinem abgemagerten Oberkörper schlotterte.

      „Einen Schluck könntest du uns ja anbieten“, beschwerte sich Chazz.

      „Später“, lispelte Sticks durch seine Zahnlücken. „Du hattest es doch so eilig, zur Arbeit zurückzugehen. Also los!“ Er schob sich mühsam an der Wand hoch und stakste auf seinen spindeldürren Beinen voran, die man durch Löcher in seiner Hose sehen konnte.

      Chazz und Ira folgten, wobei Cosmo es sich in einem kleinen Lederrucksack bequem machte, den Ira für ihn genäht hatte.

      „Was brauchen wir noch, um die Quest voll zu machen?“, fragte Ira.

      Chazz sah auf seinen Armcomputer. „Eine Heist Engine und einen Aurora Kompensator, außerdem noch ein paar Teile von einem Affinity Framework.“

      „Oje. Und was gibt es dafür?“

      „Ein Kilo Reis und zwei Dosen Erdnussbutter.“

      „Mal wieder zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben. Was fehlt für die andere Quest?“

      „Ein Rune Tool, ein Jaeger Physics Beschleuniger, ein Beta 5 Stabilisator und …“

      „Vergiss es! So etwas finden wir auf diesem uralten Kahn nicht. Meinst du, sie nehmen vielleicht auch einen Beta 3 Stabilisator?

      „Kann man ein Arschloch verarschen?“

      Ira schüttelte den Kopf. Keno, das Arschloch, würde sie eher verhungern lassen als einen Beta 3 Stabilisator zu akzeptieren. Also blieb nur die erste Quest. „Hoffentlich ist die Erdnussbutter nicht gesalzen. Dann frisst Cosmo sie wieder nicht.“

      „Du und deine verdammte Ratte!“

      *

      Am Abend saßen sie bei einem Feuer in der Offiziersmesse der Fähre. Chazz war eine Ratte in die Falle gegangen, die er auf einem Spieß über den Flammen wendete. Er nahm sie herunter und hielt sie Ira hin.

      Ira wandte sich angewidert ab. „Ratten sind meine Freunde!“, sagte sie. „Das weißt du doch.“ Sie würde eher verhungern, als eine Ratte zu essen.

      Auch Sticks war nicht interessiert. Das verringerte Zucken seiner Gliedmaßen verriet, dass er wieder Hi-Hat genommen hatte und die Droge machte ihn appetitlos. Ira fürchtete sich vor dem Moment, an dem er seine letzte Tablette aufgebraucht haben würde. Dann würde er wieder mit Wahnvorstellungen durch das Wrack irren.

      Cosmo hatte sich in seinem Rucksack verkrochen, er mochte es natürlich auch nicht, dass Ratten gegrillt wurden.

      „Verdammt!“, fluchte Chazz. „Wir kriegen die Quests nicht voll! Hier gibt‘s weder eine Heist Engine noch den Beta 5.“

      „Dann geben