Nach dieser Seite steht die Religion im engsten Zusammenhang mit dem Staatsprinzip. Freiheit kann nur da sein, wo die Individualität als positiv im göttlichen Wesen gewusst wird. Der Zusammenhang ist weiter dieser, dass das weltliche Sein als ein zeitliches, in einzelnen Interessen sich bewegendes, hiermit ein relatives und unberechtigtes ist, dass es Berechtigung erhält, nur insofern die allgemeine Seele desselben, das Prinzip absolut berechtigt ist, und dies wird es nur so, dass es als Bestimmtheit und Dasein des Wesens Gottes gewusst wird. Deswegen ist es, dass der Staat auf Religion beruht. Das hören wir in unsern Zeiten oft wiederholen, und es wird meist nichts weiter damit gemeint, als dass die Individuen, als gottesfürchtige, um so geneigter und bereitwilliger seien, ihre Pflicht zu tun, weil Gehorsam gegen Fürst und Gesetz sich so leicht anknüpfen lässt an die Gottesfurcht. Freilich kann die Gottesfurcht, weil sie das Allgemeine über das Besondere erhebt, sich auch gegen das letztere kehren, fanatisch werden und gegen den Staat, seine Gebäulichkeiten und Einrichtungen verbrennend und zerstörend wirken. Die Gottesfurcht soll darum auch, meint man, besonnen sein und in einer gewissen Kühle gehalten werden, dass sie nicht gegen das, was durch sie beschützt und erhalten werden soll, aufstürmt und es wegflutet. Die Möglichkeit dazu hat sie wenigstens in sich.
Indem man nun die richtige Überzeugung gewonnen, dass der Staat auf der Religion beruhe, so gibt man der Religion die Stellung, als ob ein Staat vorhanden sei, und nunmehr, um denselben zu halten, die Religion in ihn hineinzutragen sei, in Eimern und Scheffeln, um sie den Gemütern einzuprägen. Es ist ganz richtig, dass die Menschen zur Religion erzogen werden müssen, aber nicht als zu Etwas, dass noch nicht ist. Denn, wenn zu sagen ist, dass der Staat sich gründet auf die Religion, dass er seine Wurzeln in ihr hat, so heißt das wesentlich, dass er aus ihr hervorgegangen ist und jetzt und immer aus ihr hervorgeht, d. h. die Prinzipien des Staates müssen als an und für sich geltend betrachtet werden, und sie werden dies nur, insofern sie als Bestimmungen der göttlichen Natur selbst gewusst sind. Wie daher die Religion beschaffen ist, so der Staat und seine Verfassung; er ist wirklich aus der Religion hervorgegangen und zwar so, dass der athenische, der römische Staat nur in dem spezifischen Heidentum dieser Völker möglich war, wie eben ein katholischer Staat einen andern Geist und andere Verfassung hat als ein protestantischer.
Sollte jenes Aufrufen, jenes Treiben und Drängen danach, die Religion einzupflanzen, ein Angst- und Notgeschrei sein, wie es oft so aussieht, worin sich die Gefahr ausdrückt, dass die Religion bereits aus dem Staate verschwunden oder vollends zu verschwinden im Begriff stehe, so wäre das schlimm, und schlimmer selbst, als jener Angstruf meint: denn dieser glaubt noch an seinem Einpflanzen und Inkulkieren ein Mittel gegen das Übel zu haben; aber ein so zu Machendes ist die Religion überhaupt nicht; ihr sich Machen steckt viel tiefer.
Eine andere und entgegengesetzte Torheit, der wir in unsrer Zeit begegnen, ist die, Staatsverfassungen unabhängig von der Religion erfinden und ausführen zu wollen. Die katholische Konfession, obgleich mit der protestantischen gemeinschaftlich innerhalb der christlichen Religion, lässt die innere Gerechtigkeit und Sittlichkeit des Staates nicht zu, die in der Innigkeit des protestantischen Prinzips liegt. Jenes Losreißen des Staatsrechtlichen, der Verfassung, ist um der Eigentümlichkeit jener Religion willen, die das Recht und die Sittlichkeit nicht als an sich seiend, als substantiell anerkennt, notwendig, aber so losgerissen von der Innerlichkeit, von dem letzten Heiligtum des Gewissens, von dem stillen Ort, wo die Religion ihren Sitz hat, kommen die staatsrechtlichen Prinzipien und Einrichtungen ebenso wohl nicht zu einem wirklichen Mittelpunkte, als sie in der Abstraktion und Unbestimmtheit bleiben.
Fassen wir das bisher über den Staat Gesagte im Resultat zusammen, so ist die Lebendigkeit des Staates in den Individuen die Sittlichkeit genannt worden. Der Staat, seine Gesetze, seine Einrichtungen sind der Staatsindividuen Rechte; seine Natur, sein Boden, seine Berge, Luft und Gewässer sind ihr Land, ihr Vaterland, ihr äußerliches Eigentum; die Geschichte dieses Staates, ihre Taten, und das, was ihre Vorfahren hervorbrachten, gehört ihnen und lebt in ihrer Erinnerung. Alles ist ihr Besitz ebenso, wie sie von ihm besessen werden, denn es macht ihre Substanz, ihr Sein aus.
Ihre Vorstellung ist damit erfüllt, und ihr Wille ist das Wollen dieser Gesetze und dieses Vaterlandes. Es ist diese zeitige Gesamtheit, welche ein Wesen, der Geist eines Volkes ist. Ihm gehören die Individuen an; jeder einzelne ist der Sohn seines Volkes und zugleich, insofern sein Staat in Entwicklung begriffen ist, der Sohn seiner Zeit; keiner bleibt hinter derselben zurück, noch weniger überspringt er dieselbe. Dies geistige Wesen ist das seinige, er ist ein Repräsentant desselben; es ist das, woraus er hervorgeht, und worin er steht. Bei den Athenern hatte Athen eine doppelte Bedeutung; zuerst bezeichnete sie die Gesamtheit der Einrichtungen, dann aber die Göttin, welche den Geist des Volkes, die Einheit darstellte.
Dieser Geist eines Volkes ist ein bestimmter Geist, und, wie soeben gesagt, auch nach der geschichtlichen Stufe seiner Entwicklung bestimmt. Dieser Geist macht dann die Grundlage und den Inhalt in den andern Formen des Bewusstseins seiner aus, die angeführt worden sind. Denn der Geist in seinem Bewusstsein von sich muss sich gegenständlich sein, und die Objektivität enthält unmittelbar das Hervortreten von Unterschieden, die als Totalität der unterschiedenen Sphären des objektiven Geistes überhaupt sind, so wie die Seele nur ist, insofern sie als System ihrer Glieder ist, welche in ihre einfache Einheit sich zusammennehmend die Seele produzieren. Es ist so eine Individualität, die in ihrer Wesentlichkeit, als der Gott, vorgestellt, verehrt und genossen wird, in der Religion, – als Bild und Anschauung dargestellt wird, in der Kunst, – erkannt und als Gedanken begriffen wird, in der Philosophie. Um der ursprünglichen Dieselbigkeit ihrer Substanz, ihres Inhalts und Gegenstandes willen sind die Gestaltungen in unzertrennlicher Einheit mit dem Geiste des Staates; nur mit dieser Religion kann diese Staatsform vorhanden sein, sowie in diesem Staate nur diese Philosophie und diese Kunst.
Das andere und weitre ist, dass der bestimmte Volksgeist selbst nur ein Individuum ist im Gange der Weltgeschichte. Denn die Weltgeschichte ist die Darstellung des göttlichen, absoluten Prozesses des Geistes in seinen höchsten Gestalten, dieses Stufenganges, wodurch er seine Wahrheit, das Selbstbewusstsein über sich erlangt. Die Gestaltungen dieser Stufen sind die welthistorischen Volksgeister, die Bestimmtheit ihres sittlichen Lebens, ihrer Verfassung, ihrer Kunst, Religion und Wissenschaft. Diese Stufen zu realisieren, ist der unendliche Trieb des Weltgeistes, sein unwiderstehlicher Drang, denn diese Gliederung, sowie ihre Verwirklichung ist sein Begriff. – Die Weltgeschichte zeigt nur, wie der Geist allmählich zum Bewusstsein und zum Wollen der Wahrheit kommt; es dämmert in ihm, er findet Hauptpunkte, am Ende gelangt er zum vollen Bewusstsein.
Nachdem wir also die abstrakten Bestimmungen der Natur des Geistes, die Mittel, welche der Geist braucht, um seine Idee zu realisieren, und die Gestalt kennen gelernt haben, welche die vollständige Realisierung des Geistes im Dasein ist, nämlich den Staat, bleibt uns nur für diese Einleitung übrig,
III. den Gang der Weltgeschichte zu betrachten.
a) Die abstrakte Veränderung überhaupt, welche in der Geschichte vorgeht, ist längst in einer allgemeinen Weise gefasst worden, so dass sie zugleich einen Fortgang zum Besseren, Vollkommneren enthalte. Die Veränderungen in der Natur, so unendlich mannigfach sie sind, zeigen nur einen Kreislauf, der sich immer wiederholt; in der Natur geschieht nichts Neues unter der Sonne, und insofern führt das vielförmige Spiel ihrer Gestaltungen eine Langeweile mit sich. Nur in den Veränderungen, die auf dem geistigen Boden vorgehen, kommt Neues hervor. Diese Erscheinung am Geistigen ließ in dem Menschen eine andere Bestimmung überhaupt sehen als in den bloß natürlichen Dingen, – in welchen sich immer ein und derselbe stabile Charakter kundgibt, in den alle Veränderung zurückgeht, – nämlich eine wirkliche Veränderungsfähigkeit und zwar zum Bessern –, ein Trieb der Perfektibilität. Dieses Prinzip, welches die Veränderung selbst zu