„Verehrte Mitreisende, wir befinden uns in der letzten Umkreisung und die Geschwindigkeit unserer Star-Liner liegt nun im Bereich von Kilometern per Stunde. Derzeit sind es, wie mir die Brücke gerade mitteilt, noch 870 km/h und die Fahrt sinkt jetzt rapide. Alles ist exakt berechnet und wenn wir über Karrigos, der Hauptstadt von Vulkan stehen, wird unsere Bewegung nahe Null liegen. Wir werden sanft wie die sprichwörtliche Feder aufsetzen. Ah, dort vorne, am Horizont, sehen Sie ein sanftes Glühen. Da wir gerade die Nachtzone durchfliegen, sind das die Lichter der Hauptstadt und des nahen Raumhafens.“
„Fisch oder Feuer?“
Joana wandte sich irritiert William zu. „Wie bitte?“
Er lächelte einnehmend. „Ist Ihnen Fisch lieber oder Feuer? Ich meine die Touren, Miss Redfeather. Die Touren.“
„Ach ja … Lassen Sie mich kurz überlegen, Will.“
Vulkan war der zweite Planet im Temeros-System und bot zwei Sehenswürdigkeiten: einerseits ein Binnenmeer mit großem Fischreichtum, wobei die Wassertiefe kaum zehn Meter betrug. Es gab keine Tide, also keine Ebbe und Flut und die Bewohner von Vulkan boten Touristen eine Fischfangtour auf den schnellen Elektrobooten an. Die andere Sehenswürdigkeit war der Feuerring der Vulkane, den man als Feuerfall bezeichnete.
Joana war Büffelfleisch lieber als Fisch und so entschied sie sich für den Feuerfall.
William nickte. „Habe ich ebenfalls gewählt. Dieser Feuerring soll beeindruckend sein. Noch mehr als die berühmten Feuerfälle von Istwagh bei den Norsun.“
Joana lächelte. „Die bislang kein Mensch zu Gesicht bekam. Da kann man leicht behaupten, die auf Vulkan seien noch beeindruckender.“
Wenn man vom lauten Röhren ihrer Triebwerke absah, wirkte die Star-Liner nahezu elegant, als sie über dem zugewiesenen Landefeld einschwebte. Zwölf Landestützen fuhren aus ihren Schächten und die hydraulischen Stempel vergrößerten die Auflagefläche, um sie der Schwerkraft und der Dichte des Bodens anzupassen.
Mit einem unmerklichen Federn sank das enorme Gewicht der Star-Liner in die Stützen. Ein letztes Grollen der Triebwerke, dann verstummten diese. Die abschirmende Hülle des Rumpfes verbarg das Knistern erhitzten Materials, welches nun abkühlte.
„Verehrte Gäste“, meldete sich erneut der Captain, „wir sind soeben auf Vulkan gelandet. Bitte sammeln Sie sich auf dem unteren Deck in den entsprechenden Gruppen für die einzelnen Sehenswürdigkeiten. Die Tour-Guides für die ‚schwärmenden Wasser‘ tragen Blau, die für den ‚Feuerfall‘ Rot. Schutzanzüge sind bei unseren Ausflügen nicht erforderlich. Sie werden vor dem Schiff von Bussen abgeholt, die Sie zum Ziel bringen. Interstellar Travel Tours wünscht Ihnen einen unvergesslichen Tag.“
Joana, William und die anderen erhoben sich und begaben sich zu den Aufzügen oder Treppenhäusern, um das unterste Deck der Star-Liner aufzusuchen, wo die Bodenschleusen lagen.
Ein halbes Dutzend Tour-Guides erwartete sie, jeweils in den angekündigten Farben gekleidet. Zu Joanas Überraschung gehörten Kreuzfahrtdirektorin Catherine DeVille und das Team von Galactic News zu ihrer Tour.
Beide Gruppen waren mit rund hundertzwanzig Personen etwa gleich stark. Die übrigen Passagiere schienen lieber an Bord bleiben zu wollen.
Jedes Mitglied einer Gruppe bekam ein entsprechend farbiges Plastikband ums Handgelenk, in das ein winziger Peilsender mit geringer Reichweite eingebaut war.
„Wir wollen ja nicht, dass sich jemand verläuft und verloren geht“, erklärte DeVille.
Die Außenschotts öffneten sich und ein Schwall heißer Luft traf die Gruppen.
„Keine Sorge“, meinte einer der Tour-Guides. „Der Rumpf ist schon weit genug abgekühlt. Das ist Vulkan. Die Durchschnittstemperatur beträgt tagsüber sechsunddreißig Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von zweiundsechzig Prozent.“
„Vorhin wurde behauptet, wir benötigten keine Schutzanzüge“, sagte Denise. „Wieso Schutzanzüge?“
„Auf Vulkan sind sie nicht erforderlich“, erklärte die DeVille geduldig. „Diese Welt wurde sehr früh besiedelt und damals machte man sich noch keine Gedanken um das Einschleppen fremder Pflanzen oder Tiere. Leider haben sich die marsianischen Fichten hier enorm ausgebreitet und die einheimischen Bäume in weiten Gebieten verdrängt. Nur ein Beispiel von vielen. Inzwischen gibt es entsprechende Direktiven des Direktorats. Auf anderen Welten achtet man nun sehr darauf, dass man keine invasiven Lebensformen einschleppt.“
„Die Busse sind da!“
Es waren moderne Schwebebusse, die jeweils zwanzig Personen fassten. Zwei Einheimische fuhren das Fahrzeug oder moderierten die Fahrt. Jedem Fahrzeug schien ein Paar zugeteilt zu sein. Während der Mann das Steuer übernahm, gab die Frau den Fahrgästen ein paar allgemeine Informationen über den Planeten und dessen menschliche Bewohner. Beide trugen identische Bekleidung. Weite Pluderhosen, Sandalen und an Stelle eines Oberteils eine reich bestickte Schärpe, die beim Mann von der rechten Schulter zur linken Hüfte führte und bei der Frau in umgekehrter Richtung.
„Die sehen aus wie unsere Sky-Trooper“, flüsterte Denise spöttisch. Offensichtlich spielte sie auf den Umstand an, dass die Einheimischen keinerlei Haupthaar besaßen, wenn man vom Kinnbart des Mannes absah. Selbst die Wimpern und Brauen der Augen fehlten.
„Nun, unsere Trooper sind nicht ganz so, äh, nackt“, wandte William ein. „Außerdem haben unsere Raumkavalleristen so kurze Haare, weil sich in den Kampfhelmen eine Menge Sensoren befinden.“
Denise zuckte mit den Schultern, zog einen Champagner-Riegel aus der Umhängetasche und begann die Flüssigkeit genussvoll zu saugen.
Als die Busse anfuhren, bildeten sie zwei Kolonnen und nahmen verschiedene Richtungen.
William war neugierig. Er und Joana saßen direkt hinter dem Fahrerbereich und so beugte er sich vor und tippte dem Mann auf die Schulter. „Gehört die Stadt nicht zu den Sehenswürdigkeiten?“
Der Fahrer schwieg, aber seine Begleiterin übernahm die Beantwortung. „Wir Vulkaner schätzen unsere Ruhe. Sehen Sie, der Tourismus ist für uns eine angenehme Einnahmequelle, doch wir wollen uns in unserem Leben so wenig wie möglich von außen stören lassen. Sie werden bei unserer Rückkehr zum Schiff aber einigen so genannten fliegenden Händlern begegnen, die Souvenirs und regionale Kunst anbieten.“
„Hm, danke“, brummte William und sah Joana an. „Ich habe gelesen, dass so etwas gar nicht selten ist. Manche aufstrebende Kolonie versucht, ihre Sehenswürdigkeiten zu Geld zu machen, obwohl die Menschen eigentlich nichts mit Touristen zu tun haben wollen.“
Catherine DeVille hatte die Bemerkung gehört und beugte sich zu den beiden. „Im Grunde ist das verständlich. Wir kennen einige traurige Fälle von der alten Erde, in denen der Tourismus seine hässliche Fratze zeigte. Städte wie Rom, Venedig, Berlin und andere litten unter Massentourismus. Das nahm gravierende Formen an, denn Spekulanten erwarben privaten Wohnraum und wandelten diesen in Ferienwohnungen für Urlauber um. Die eigentlich heimischen Bewohner mussten immer höhere Mieten zahlen und fanden immer weniger geeignete Wohnungen. In einer Stadt, sie hieß, glaube ich, Venedig, gab es nur wenige befestigte Straßen, da die Stadt auf unzähligen Pfählen ins Meer hinein gebaut worden war. So fuhren Schiffe der ‚nassen‘ Kreuzfahrt einfach direkt in die Stadt hinein und verursachten Wellen, welche die Fundamente immer mehr beschädigten.“ DeVille lächelte. „Heutzutage ist das anders. Da nehmen wir Rücksicht auf die Befindlichkeiten der planetaren Bewohner, verhindern das Einschleppen oder Mitnehmen invasiver Lebensformen und achten strikt auf den Erhalt der jeweiligen Umwelt.“
„Und das zu vernünftigen Preisen“, fügte William hinzu.
Catherine nickte. „Wir müssen allerdings hart kalkulieren. Kreuzfahrten werden wieder zu einem lohnenden Geschäft, dank des Hiromata-Nullzeit-Antriebs. Zu Zeiten des Cherkov-Überlicht-Antriebs wäre das undenkbar