Die Unterzeichnung des Louisiana-Vertrags.
Bildhauerarbeit von Karl Bitter in New York.
Der Bannerträger. Skulptur von Karl Bitter auf der Weltausstellung zu Buffalo,
New York.
Von welch unermesslicher Bedeutung die Erwerbung Louisianas für die Kulturentwicklung der Vereinigten Staaten werden sollte, konnte damals allerdings niemand voraussehen, da man weder die fabelhafte Ausdehnung des Mississippisystems, noch die Beschaffenheit der westlich vom Hauptstrom liegenden Ländermassen kannte.
Vorderhand war für die Amerikaner kein Punkt so wichtig, als der durch den Ankauf Louisianas ermöglichte freie Verkehr auf dem Mississippi. Das war ein Gewinn, der alles andere überschattete. Denn nun war den westlich von den Alleghanygebirgen entstandenen Staaten die heiß ersehnte Möglichkeit geboten, mit ihren Erzeugnissen auf dem Weltmarkt zu erscheinen.
Ihr dadurch bewirkter Aufschwung wurde durch die gleichzeitige Erfindung der Dampfboote mächtig gefördert. Kaum hatte Fulton durch seine im Jahre 1807 mit dem Dampfer „CLERMONT“ zurückgelegte Fahrt auf dem Hudson die Verwendbarkeit der Dampfkraft für die Schifffahrt bewiesen, so begannen die Flüsse Amerikas sich mit diesen neuen Verkehrsmitteln zu bedecken. Das erste Dampfschiff der westlichen Ströme wurde bereits im Jahre 1811 von dem Deutschen Bernhardt Rosefeldt in Pittsburgh erbaut und auf den Namen „NEW ORLEANS“ getauft. Sein Führer war gleichfalls ein Deutscher, Kapitän Heinrich Schreeve, derselbe, welcher eine Dampfmaschine zum Zersägen und Entfernen der die Schifffahrt auf den westlichen Strömen so sehr gefährdenden „snags“ (losgewaschene, mit ihren Wurzeln und Ästen in den Flussbetten verankerte Baumstämme) erfand. Sein Name ist in demjenigen der Stadt Shreevesport in Louisiana erhalten.
Der Dampfer machte noch im Jahr seiner Erbauung die erste Reise den Ohio und Mississippi hinab. Es war eine ereignisreiche Fahrt, während der man unter anderem ein heftiges Erdbeben erlebte, das damals das untere Mississippital heimsuchte.
Mit dem Aufkommen der Dampfboote und der gleichzeitigen Anlage von Schiffskanälen öffneten sich den Einwanderern mehrere neue, bequemere Wege zum Westen. Der eine führte von New York den Hudson hinauf bis Albany. Dort bestiegen die Reisenden Kanalboote zur Fahrt nach Buffalo, von wo aus Dampfer den Weitertransport über die großen Seen nach den im Westen entstandenen Ansiedlungen vermittelten.
Den von England kommenden Einwanderern bot sich ein ähnlicher Weg, wenn sie den St. Lorenzstrom hinauf bis Toronto reisten und von dort die Schiffe benutzten, welche die großen Binnenseen befuhren.
Eine dritte Verbindung boten jene Dampferlinien, welche von europäischen und amerikanischen Häfen aus einen direkten Verkehr mit New Orleans aufnahmen, wo bequem eingerichtete Flussdampfer die Weiterreise den Mississippi und seine Nebenflüsse hinauf ermöglichten. Infolge dieser bequemeren und billigeren Verbindungen steigerte sich die Einwandrung in die Täler des Ohio und Mississippi von Jahr zu Jahr.
Die Erfindung der Eisenbahnen fügte den bisher bekannten Mitteln zur Überwindung räumlicher Entfernungen neue von größter Bedeutung hinzu.
Mit der gleichen Energie, welche die Amerikaner bisher beim Dienstbarmachen der Natur, im Ausbeuten ihrer reichen Gaben bekundeten, schritten sie nun dazu, ihr Land mit einem förmlichen Netz von Schienengleisen zu überziehen. Bei der Anlage solcher Eisenbahnen rechneten sie nicht wie die Europäer auf sofortigen Gewinn, sondern bauten die Bahnen oft in ganz unbewohnte Wildnisse hinein, um den Ansiedlern die Möglichkeit zu bieten, nachzurücken und ihre Erzeugnisse zu befördern.
Eine Eisenbahn im Mohawktal im Jahre 1835. Nach einem gleichzeitigen Stahlstich.
Mit dieser Ära der Dampfer und Eisenbahnen hebt recht eigentlich die große amerikanische Völkerwanderung an, eine Völkerwanderung, die sich von derjenigen des Altertums dadurch unterscheidet, dass sich nicht wie damals ganze, im Rücken bedrängte Völkerstämme auf schwächere warfen und sie mit Langschwertern und Streithämmern aus ihren Wohnsitzen vertrieben. Es waren vielmehr unzählige einzelne Personen, Familien und kleine Haufen, die sich von den in Europa und im Osten der Vereinigten Staaten bestehenden Gemeinwesen ablösten, um mit Axt und Spaten an der friedlichen Eroberung der noch unkultivierten Gebiete der Neuen Welt teilzunehmen.
Die große Masse der aus Deutschland kommenden Einwandrung jener Zeit bestand nach wie vor aus Landleuten und Handwerkern. Neben ihnen erschienen von jetzt ab auch Angehörige der gebildeten Klassen in größerer Zahl: Männer, die, durch die trostlosen politischen Zustände ihres Vaterlandes bitter enttäuscht, in der Fremde günstigere Verhältnisse zu finden hofften.
Bekanntlich hatte das deutsche Volk zu Anfang des 19. Jahrhunderts überaus schwere Kämpfe gegen Napoleon führen müssen, jenen genialen Abenteurer, der sich vom Konsul der französischen Republik zunächst zum Diktator, dann zum Kaiser aufwarf und unter Strömen Blutes ein Weltreich aufzurichten suchte. Während der durch ihn heraufbeschworenen furchtbaren Zeit erlitt Deutschland seinen tiefsten Fall, indem es unter die Zwangsherrschaft des Korsen geriet.
Aber dieser Fall war notwendig, um dem deutschen Volk den Weg zu seiner Wiedergeburt zu zeigen. In allen Schichten rang sich die Erkenntnis durch, dass ein Zusammenfassen sämtlicher Kräfte, ein geeintes Deutschland nötig sei, um die Fremdherrschaft abzuschütteln. Unter dem gewaltigen Druck eiserner Notwendigkeit entwickelte sich ein früher nie gekanntes nationales Gefühl, das die Herzen der deutschen Dichter und Denker wunderbar bewegte und ihnen Töne verlieh, wie sie erhabener nie zuvor erklungen waren.
„Oh lerne fühlen, welchen Stamms du bist!
Die angebor'nen Bande knüpfe fest.
Ans Vaterland, ans teure schließ dich an,
das halte fest mit deinem ganzen Herzen,
hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft!“
So mahnte Schiller in seinem „Wilhelm Tell“, diesem geharnischten Protest gegen jede Unterdrückung echter Manneswürde.
Zur selben Zeit sangen Kleist, Schenkendorf, Körner und Arndt ihre begeisternden Freiheitslieder; Fichte hielt seine berühmten „Reden an die deutsche Nation“; Ludwig Jahn, der Vater der deutschen Turnerei, Freiherr Karl von Stein, Hardenberg und viele andere sorgten für die Kräftigung und Nationalisierung der Jugend. Und als endlich die entscheidende Stunde schlug, da war dank der unermüdlichen Arbeit dieser patriotischen Männer das deutsche Volk geistig und körperlich so erstarkt, dass es vermochte, in dem großen Jahre 1813 das entehrende Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln.
Wohl hätte es für die dabei bewiesene Aufopferung und heldenmütige Tapferkeit den tiefsten Dank seiner Fürsten verdient. Aber diese vermochten nicht, sich zu gleich hohem Fluge zu erheben. Sie ließen nicht nur ihre vor dem Krieg gemachten feierlichen Versprechungen, dem Volk eine Vertretung bei der Regierung zu geben, unerfüllt, sondern versuchten alle freiheitlichen Regungen des Volkes zu ersticken, während sie selbst in das widerwärtige, dem Geist des 19. Jahrhunderts hohnsprechende Treiben ihrer Väter zurückverfielen.
Zum Unglück standen die deutschen Fürsten damals unter dem Bann des österreichischen Staatskanzlers Clemens Lothar von Metternich, eines jedem Fortschritt abgeneigten Finsterlings, dem, wie seinem vom starren Bewusstsein absoluter Herrscherrechte erfüllten Kaiser Franz I. alle Kundgebungen verhasst waren, die auf den nationalen Zusammenschluss des deutschen Volkes abzielten. Beide ahnten, dass eine solche Einigung das Ende der österreichischen Vorherrschaft in Deutschland zur Folge haben müsse.
Auf das Betreiben dieser beiden Männer wurden