Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelmine von Bayreuth
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753192291
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ein damals sehr beliebtes Medikament: die Brechwurzel. Dies Mittel rettete ihm das Leben. Fieber und Schmerzen ließen bis zum Morgen wesentlich nach, so dass alle Hoffnung für seine Genesung bestand. Von da ab datiert Holtzendorffs Glück und seine Gunst beim König, auf die ich später zu sprechen kommen werde.

      Der Fürst von Anhalt und sein Spießgeselle kamen indes gegen Morgen an. Der König geriet in große Verlegenheit, da er ihrerseits heftiger Vorwürfe gewärtig war, weil er sie im Testamente nicht erwähnt hatte. Und er wusste sich nicht anders zu helfen, als indem er der Königin, den Zeugen und jenen, die das Testament ausfertigten, den Schwur abnahm, über den Inhalt ewiges Schweigen zu bewahren.

       Trotz aller Vorkehrungen, die der König getroffen hatte, erfuhren die beiden Interessenten sehr bald, was sich zugetragen hatte. Dass man ihnen ein solches Geheimnis daraus machte, konnte ihnen die Wahrheit des Vorgangs nur bestätigen, umso mehr, als sie vernahmen, dass eine Abschrift des Testamentes in Händen der Königin wäre. Es war für sie ein vernichtender Schlag. Die Krankheit des Königs hatte sich gebessert, doch war er noch nicht außer Gefahr. Sie wagten nicht, ihm von der Sache zu sprechen; jede Gemütserregung hätte ihm das Leben kosten können. Aber ihre Sorge legte sich bald; das Übel besserte sich so schnell, dass er nach acht Tagen vollständig hergestellt war. Sobald er ausgehen konnte, fuhr er nach Berlin zurück. Von dort begab er sich nach Wusterhausen, wohin ihm die Königin folgte. Er wurde jetzt von Tag zu Tag misstrauischer und argwöhnischer. Seit der Enthüllung der Clémentschen Intrigen ließ er sich alle Briefe vorzeigen, die in Berlin ein- und ausliefen, und legte sich nicht mehr zu Bett, ohne seinen Degen und ein Paar geladene Pistolen neben sich zu haben.

      Der Fürst von Anhalt und Grumbkow konnten keinen Schlaf finden; die Testamentsgeschichte ging ihnen so stark im Kopfe herum, da sie ihre früheren Pläne noch nicht aufgegeben hatten. (Mit der Gesundheit des Königs und der meines Bruders war es damals nicht wohl bestellt, und mein zweiter Bruder lag in der Wiege.) Ihre Tücke ließ sie auf Mittel und Wege sinnen, um den Inhalt dieses wichtigen Schriftstückes zu erfahren und es vielleicht den Händen der Königin zu entreißen; gelang ihnen dies, so würden sie es sicher dahinbringen, dass das Testament für ungültig erklärt, der König endgültig mit der Königin entzweit würde und ihre Pläne gelängen. Sie fingen es folgendermaßen an: Ich habe schon den neuen Günstling der Königin, Frau von Blaspiel, erwähnt. Sie konnte für eine Schönheit gelten; ihr gründlicher und lebhafter Verstand erhöhte noch die Reize ihrer Person.

       Ihr Herz war edel und aufrichtig, aber zwei große Fehler, die unglücklicherweise den meisten Frauen anhaften, verdunkelten ihre schönen Eigenschaften: sie war kokett und neigte zur Intrige. Ein sechzigjähriger gichtiger und unangenehmer Gatte war auch nicht eben etwas Verlockendes für eine junge Frau. Viele Leute behaupteten sogar, sie habe mit ihm gelebt wie die Kaiserin Pulcheria mit dem Kaiser Marcian. Der Graf von Manteuffel, sächsischer Gesandter am preußischen Hofe, hatte ihr Herz zu rühren vermocht. Sie hatten ihr Liebesverhältnis so geheimzuhalten gewusst, dass man bisher nicht den leisesten Zweifel an der Tugend der Dame gehegt hatte. Der Graf verreiste auf kurze Zeit nach Dresden. Um sich für die Trennung von der Geliebten zu trösten, schrieb er ihr mit jeder Post, und sie antwortete ihm. Diese unheilvolle Korrespondenz stürzte Frau von Blaspiel ins Unglück; ihre Briefe wie die ihres Geliebten fielen in die Hände des Königs.

      Dieser witterte in seinem Argwohn eine Staatsintrige und berief Grumbkow zu sich, der als der Erfahrene in Liebesfragen sofort den wahren Sachverhalt vermutete. Doch ließ er sich nichts merken, denn dieser Zwischenfall kam ihm wie gerufen. Er war mit Manteuffel eng befreundet und beim König von Polen sehr in Gunst. Dieser Fürst hatte allen Grund, sich mit dem Berliner Hofe gutzustellen.

Grafik 112

      Karl XII. von Schweden

       Karl XII. von Schweden lebte noch, so dass stets neue Revolutionen in Polen zu befürchten waren; mit Hilfe meines Vaters konnte er sich dagegen schützen. Grumbkow versprach ihm die Unterstützung seines Ministeriums und sagte zu, stets zwischen den zwei Höfen volles Einverständnis zu erhalten, sofern der König von Polen auf seine Pläne eingehen und den Grafen von Manteuffel dementsprechend anweisen wollte. Der König zögerte nicht, seine Beistimmung zu geben, und schickte diesen Gesandten nach Berlin zurück. Grumbkow rückte jetzt mit der ganzen Testamentsgeschichte heraus und sagte ihm sogar, dass er von seinem Verhältnis zu Frau von Blaspiel wisse; man wünsche nun von ihm, er möge die Dame veranlassen, das Testament des Königs den Händen der Königin zu entziehen. Es war eine schwierige Angelegenheit. Manteuffel wusste, wie treu sie der Königin ergeben war. Dennoch wagte er‘s, ihr davon zu sprechen. Frau von Blaspiel brachte es nur schwer übers Herz, seinen Wunsch zu erfüllen; aber die Liebe zu Manteuffel ließ sie endlich vergessen, was sie sich selbst und ihrer Gebieterin schuldig war. Durch seine Versicherungen, wie treu er selbst der Königin ergeben sei, geblendet, glaubte Frau von Blaspiel, dass die Sache nicht von großer Bedeutung sei; sie wusste wohl, wie gänzlich sie das Herz der Königin beherrschte, und bald diese, bald jene Saiten aufziehend, vermochte sie sie endlich zu überreden, ihr das unselige Schriftstück anzuvertrauen, jedoch unter der Bedingung, es ihr, sobald sie es gelesen haben würde, zurückzugeben. –

      Sobald sich der Graf von Manteuffel im Besitze des Testamentes sah, machte er eine Abschrift davon, die er Grumbkow übermittelte. Dieser fand seinen Wunsch nur zur Hälfte erfüllt. Worauf er ausging, war das Original. Doch gab er die Hoffnung nicht auf, es mit der Zeit doch noch zu erlangen, falls er geschickt zu Werke ging.

       Die Königin fing an, Einfluss auf den König zu gewinnen. Sie verhalf ihm zu Rekruten für sein Regiment; und der König von England überhäufte ihn mit Aufmerksamkeiten. Die kalte Zurückhaltung, mit welcher der König das Drängen des Fürsten von Anhalt und Grumbkows betreffs meiner Vermählung mit dem Markgrafen von Schwedt entgegennahm, hatte ihnen bewiesen, dass seine Gunst nicht mehr dieselbe war. Mehrere Umstände halfen noch, sie in dieser Meinung zu bestärken. Der König zeigte sich nur noch selten in der Öffentlichkeit; er litt an einer Art Hypochondrie, die ihn melancholisch stimmte; er sah nur die Königin und ihre Kinder und speiste allein mit uns. Um ihrer Ungnade vorzubeugen, unternahmen sie es, den Einfluss der Königin zu untergraben. Aus dem Bilde, das ich vom König entwarf, konnte man ersehen, dass er leicht erregbar war und dass zu seinen Hauptfehlern sein starker Hang zum Gelde gehörte. Grumbkow wollte diese Schwäche ausnützen. Er teilte seinen Plan dem Staatsminister von Kamecke mit. Aber dieser ehrenwerte Mann ließ die Königin warnen. Sie liebte das Spiel und hatte beträchtliche Summen dabei verloren, weshalb sie heimlich ein Kapital von 30.000 Talern geliehen hatte. Vom König war sie kürzlich mit einem Paar durchbrochener Diamant-Ohrgehänge von großem Werte beschenkt worden. Sie trug sie nur selten, da sie dieselben mehrmals verloren hatte. Grumbkow, der überall seine Spione besaß, wusste bald von dem schlechten Stand ihrer finanziellen Angelegenheiten, und in der Vermutung, dass sie diese Ohrgehänge verpfändet hätte, um das Kapital, von dem ich sprach, zu erhalten, beschloss er, es dem König zu hinterbringen, wohl wissend, dass ihm dies höchst empfindlich sein würde. Die Königin verfehlte nicht, den König zu warnen und ihm ihre – Beschuldigungen, die man gegen sie zu erheben suchte. Über Grumbkows hässliche Schliche empört, beschwor sie den König, ihr Genugtuung zu verschaffen. Und auf seine Antwort, man könne niemand ohne hinreichenden Beweis bestrafen, beging sie die Unvorsichtigkeit, ihm einzugestehen, dass Herr von Kamecke es gewesen sei, der sie hatte warnen lassen. Der König ließ ihn alsbald rufen. Die freundliche Aufnahme, die er bei ihm fand, ermutigte ihn, bei den Aussagen, die er der Königin erstattet hatte, zu beharren. Er fügte ihnen sogar einige für Grumbkow sehr gravierende Einzelheiten hinzu. Da er jedoch nur durch seine Gespräche, die er ohne Zeugen mit ihm geführt, Kenntnis von seinen Plänen erlangt hatte, so gab die Ableugnung des andern den Ausschlag, und Kamecke wurde nach Spandau geschickt.

       Diese Festung, die nur vier Meilen von Berlin entfernt liegt, füllte sich bald darauf mit vornehmen Gefangenen. Ein schlesischer Edelmann, namens Troski, war soeben verhaftet worden. Während der Belagerung von Stralsund war er als Spion im schwedischen Lager tätig gewesen. Obwohl er dem König Dienste erwiesen hatte, konnte dieser Fürst ihn nicht leiden und hegte gegen ihn ein heimliches Misstrauen. Er stand im Verdacht, in Berlin dieselbe Rolle zu spielen, die er im schwedischen Lager vertreten hatte. Seine Papiere, die beschlagnahmt wurden,