Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelmine von Bayreuth
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753192291
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sehr eindringlich mit mir. „Sie verderben uns alle“, sagte er, „wenn Sie diese lächerliche Heirat eingehen. Ich sehe freilich, dass uns allen viel Verdruss wegen dieser Sache bevorsteht, aber lieber alles ertragen, als in die Hände seiner Feinde fallen; England ist unser einziger Rückhalt, und wenn Ihre Heirat mit dem Prinzen von Wales nicht zustande kommt, ist es unser aller Unglück.“ Die Königin äußerte sich in demselben Sinn, sowie meine Hofmeisterin; aber ich bedurfte all dieser Ermahnungen nicht, und die Vernunft sagte mir zur Genüge, was ich zu tun hatte. Der reizende Gatte, den man mir zugedacht, kam am Abend des 27. Septembers an. Der König meldete es alsbald der Königin und befahl ihr, ihn wie einen Prinzen, der als ihr Schwiegersohn ausersehen sei, zu empfangen, da beschlossen sei, mich ihm sofort zu verloben. Dies veranlasste eine neue Szene, und zum Schlusse verharrten wieder beide auf ihrem Standpunkt. Am nächsten Morgen, es war Sonntag, gingen wir zur Kirche. Der Herzog wandte während des ganzen Gottesdienstes kein Auge von mir ab. Mir war schrecklich zumute. Seitdem diese Angelegenheit schwebte, hatte ich Tag und Nacht keine Ruhe mehr.

       Sobald wir aus der Kirche zurückgekehrt waren, stellte der König den Herzog der Königin vor. Sie würdigte ihn keines Wortes und drehte ihm den Rücken zu. Ich hatte mich schnell davongemacht, um der Begegnung zu entgehen. Essen konnte ich nicht das Geringste, und mein Aussehen wie meine Miene verrieten nur zu wohl, was in mir vorging. Die Königin hatte nachmittags wieder einen schrecklichen Auftritt mit dem König. Sobald sie allein war, ließ sie den Grafen Fink, meinen Bruder und meine Hofmeisterin rufen, um mit ihnen zu beraten, was hier zu machen sei. Der Herzog von Weißenfels galt für einen verdienstvollen, doch nicht sehr begabten Fürsten: alle waren der Meinung, dass die Königin mit ihm verhandeln solle. Graf Fink übernahm den Auftrag. Er stellte dem Herzog vor, dass die Königin sich nie zu dieser Heirat verstehen werde und dass ich eine unüberwindliche Abneigung gegen ihn hege; er würde, falls er bei seiner Absicht beharre, unfehlbar Zwietracht in die Familie bringen; die Königin sei entschlossen, es ihm außerordentlich sauer zu machen, wenn er darauf bestünde; sie sei aber überzeugt, dass er sie nicht zum Äußersten treiben wolle; sie zweifle nicht, dass er als Mann von Ehre lieber seine Anträge aufgeben als mich unglücklich sehen würde, und in diesem Falle würde sie alles tun, um ihm ihre Hochachtung und ihre Dankbarkeit zu beweisen. Der Herzog bat den Grafen Fink, der Königin zu erwidern: er könne nicht leugnen, dass er sich von meinen Reizen sehr gefesselt fühle, dass er jedoch nie das Glück angestrebt hätte, um mich zu freien, wären ihm nicht sichere Hoffnungen in Aussicht gestellt worden; da wir ihm aber beide abgeneigt seien, würde er der erste sein, der den König von diesem Plane abbringen wolle, und die Königin könne darüber beruhigten Herzens sein. In der Tat hielt er Wort und ließ dem König ungefähr dieselben Dinge sagen, die er dem Grafen Fink zu wissen gab, mit dem Unterschied, dass er den König bitten ließ, falls die Hoffnungen betreffs meiner Vermählung mit dem Prinzen von Wales zunichtewürden, ihm den Vorzug vor andern Freiern – gekrönte Häupter ausgenommen – zuzubilligen. Der König war über dies Verfahren sehr überrascht, begab sich alsbald zur Königin und suchte sie vergeblich zu überreden, in diese Heirat einzuwilligen. Der Streit entspann sich von neuem. Die Königin weinte, schrie und flehte so lange, bis der König endlich nachgab, jedoch unter der Bedingung, dass sie an die Königin von England schriebe, um eine bestimmte Erklärung betreffs meiner Vermählung mit dem Prinzen von Wales zu fordern. „Ist die Antwort günstig“, sagte der König, „so löse ich auf immer jede andere Verbindlichkeit; wenn sie sich aber nicht endgültig erklärt, so mögen sie in England wissen, dass ich mich nicht länger narren lasse; sie werden ihresgleichen an mir finden, und ich will dann zeigen, dass ich Herr bin, meine Tochter zu verloben, wie es mir gefällt. Glauben Sie nicht, Madame, dass Ihr Wehklagen und Ihre Tränen mich dann noch beirren werden; sagen Sie nun Ihrem Bruder und Ihrer Schwägerin, wie es sich damit verhält, sie selbst werden unsren Zwist entscheiden. Die Königin erwiderte, dass sie bereit sei, nach England zu schreiben, und nicht zweifle, dass ihre Verwandten ihren Wünschen Gehör schenken würden. „Das wird sich zeigen, sagte der König; „ich wiederhole es Ihnen noch einmal: Kein Pardon für Ihr Fräulein Tochter, wenn die Antwort nicht befriedigend ist; und was Ihren schlecht beratenen Herrn Sohn betrifft, so denken Sie nicht, dass ich ihn mit einer Prinzessin von England vermählen werde. Ich will keine dünkelhafte Schwiegertochter, die nichts wie Intrigen an meinen Hof bringt, wie Sie; Ihrem Flegel von einem Sohn werde ich eher die Peitsche als eine Frau geben, er ist mir ein Gräuel, aber ich werde ihn zurechtbringen (dies war sein üblicher Ausdruck). Zum Teufel auch, wenn er sich nicht bessert, so werde ich ihm auf eine Weise kommen, die er nicht erwartet.“ Er setzte noch einige Schmähungen für meinen Bruder und mich hinzu, dann ging er fort.

       Sobald er sich entfernt hatte, überlegte die Königin, was sie nun tun solle. Wir erwarteten nichts Gutes und dachten uns wohl, der König von England würde von meiner Heirat, ohne die meines Bruders, nichts wissen wollen. Da die Königin sich gerne Hoffnungen hingab, wurde sie gereizt, weil wir ihr die Hindernisse vor Augen hielten und die traurige Lage, in die sie wie ich geraten würden, falls die Antwort aus England nicht unsern Wünschen gemäß ausfiele. Sie wandte sich wider mich und sagte mir erzürnt, dass sie wohl merke, wie ich schon eingeschüchtert und entschlossen sei, den dicken Johann Adolf zu heiraten; dass sie mich aber lieber tot als mit ihm vermählt sähe, und mich tausendmal verfluchen würde, wenn ich fähig wäre, mich so weit zu vergessen, ja mit ihren eignen Händen möchte sie mich erdrosseln, wenn ich einer solchen Absicht fähig wäre. Dennoch ließ sie den Grafen Fink kommen, um ihn zu Rate zu ziehen. Dieser General sagte ihr dasselbe wie ich. Sie fing nun an, besorgt zu werden, besann sich eine Weile und sagte plötzlich: „Mir kommt ein Gedanke, der, wir mir scheint, uns sicher aus der Verlegenheit ziehen wird, aber an meinem Sohne ist es, ihn auszuführen: er muss an die Königin schreiben und ihr feierlich versprechen, ihre Tochter zu heiraten, sofern sie die Heirat seiner Schwester mit dem Prinzen von Wales zustande bringt, anders werden wir unsern Plan nie durchsetzen.“ In diesem Augenblick trat mein Bruder herein. Sie machte ihm den Vorschlag; er zögerte nicht, ihr zu willfahren. Wir bewahrten alle ein tiefes Schweigen, und ich missbilligte diesen Schritt durchaus, den ich für unheilvoll hielt, ohne ihn doch hindern zu können. Die Königin drang darauf, dass mein Bruder seinen Brief sofort schriebe. Sie fügte den ihren hinzu und ließ beide durch einen Kurier bestellen, den Herr Dubourgay heimlich absandte. Sie verfasste einen andern Brief, den sie dem König unterbreitete und der mit der Post abging. Der Herzog von Weißenfels befreite uns auch von seiner lästigen Gegenwart, was uns Zeit ließ aufzuatmen, aber unsere Sorgen nicht von uns nahm.

       Seckendorff und Grumbkow umschmeichelten mittlerweile den König; sie hielten zusammen häufige Trinkgelage. Als sie eines Tages wacker zechten, ließ man einen großen Becher in Form eines Humpens bringen, den der König von Polen dem König von Preußen geschenkt hatte. Es war ein Humpen aus vergoldetem Silber von getriebener Arbeit. Er enthielt einen andern Becher aus Gold, dessen Deckel aus einem mit Edelsteinen besetzten kuppelartigen Knopf bestand. Man leerte die beiden Gefäße mehrmals in der Runde; vom Weine erhitzt, sprang mein Bruder auf den König los und umarmte ihn wiederholt. Seckendorff wollte es verhindern, allein er stieß ihn unsanft zurück, fuhr fort, meinen Vater zu liebkosen, indem er ihm versicherte, dass er ihn zärtlich liebe, von der Güte seines Herzens überzeugt sei und die Ungnade, von der er sich täglich betroffen fühle, nur den bösen Eingebungen gewisser Leute zuschreibe, welche aus dem Zwist, den sie in der Familie nährten, Nutzen zu ziehen suchten; er wolle den König lieben, ehren und ihm zeitlebens unterwürfig sein. Dieser Ausbruch erfreute den König sehr und schaffte meinem Bruder auf vierzehn Tage einige Erleichterung, aber die Stürme folgten auf diese kurze Ruhezeit. Der König fing von neuem an, meinem Bruder auf das härteste zu begegnen. Nicht die geringste Erholung war ihm vergönnt; die Musik, die Lektüre, die Künste und Wissenschaften waren ebenso viele Verbrechen, welche ihm untersagt waren. Niemand wagte es, mit ihm zu reden; kaum, dass er die Königin besuchen durfte; sein Leben war das traurigste der Welt. Trotz des Verbotes des Königs befliss er sich der Wissenschaften und machte große Fortschritte. Da er aber so viel sich selbst überlassen blieb, ergab er sich den Ausschweifungen. Seine Hofmeister wagten nicht, ihm zu folgen, und so verfiel er ihnen völlig. Einer der Pagen des Königs, namens Keith, wurde der Vermittler seiner Vergnügungen. Dieser junge Mann hatte sich bei ihm so sehr einzuschmeicheln gewusst, dass mein Bruder ihn leidenschaftlich liebte und ihm sein ganzes Vertrauen schenkte. Ich wusste von diesem Lebenswandel nichts, hatte jedoch bemerkt, wie vertraulich er mit dem Pagen umging, und hielt es ihm