Als erstes kam ihm der Gedanke, er werde nie in der Lage sein, das Geld auszugeben, ja man könne gar nicht Jahr für Jahr eine solche Summe verbrauchen. Es war ein Wunder, dass die Beweihräucherung ihm nicht von vornherein den Kopf verdrehte, denn alle Klassen, von einem königlichen Herzog an abwärts, umschwärmten, umschmeichelten und hätschelten ihn. Er wurde zum attraktivsten Mann seiner Zeit, zum Löwen in der Gesellschaft; denn unabhängig von seinem frisch erworbenen Wohlstand und Titel war er von distinguiertem Aussehen und faszinierenden Manieren. Aber leider ließ die Klugheit, die William Vane, dem armen Studenten der Rechtswissenschaft, in seinen einsamen Kammern im Temple innegewohnt hatte, den jungen Earl of Mount Severn völlig im Stich, und er nahm seine Laufbahn mit einer solchen Geschwindigkeit in Angriff, dass alle biederen Menschen sagten, er werde sich Hals über Kopf ruinieren und zum Teufel gehen.
Aber als Angehöriger des Hochadels, dessen Erträge bei sechzigtausend pro Jahr liegen, ruiniert man sich nicht von einem Tag auf den anderen. Jetzt, in seinem neunundvierzigsten Jahr, saß der Earl in seiner Bibliothek, und der Ruin war immer noch nicht eingetreten – das heißt, er hatte ihn nicht überrollt. Aber die Verlegenheiten, in denen er sich befand und die sowohl zur Zerstörung seiner Seelenruhe geführt hatten als auch das Verderben seiner Existenz gewesen waren – wer kann sie beschreiben? Die Öffentlichkeit wusste recht gut darüber Bescheid, seine privaten Freunde kannten sie noch besser und seine Gläubiger am besten; aber niemand außer ihm selbst wusste oder konnte auch nur ahnen, welche beunruhigenden Qualen sein Los waren und ihn beinahe in den Wahnsinn trieben. Hätte er den Dingen vor Jahren geradewegs ins Gesicht gesehen und gespart, er hätte seine Position wiedergewinnen können; aber er hatte getan, was die meisten Menschen in solchen Fällen tun, hatte den Tag der Wahrheit auf unbestimmte Zeit vertagt und seine ungeheure Liste der Schulden weiter verlängert. Jetzt rückte die Stunde der Offenbarung und des Ruins unaufhaltsam heran.
Vielleicht dachte der Earl das auch selbst angesichts einer riesigen Masse von Papieren, die sich vor ihm über den Bibliothekstisch verteilten. Seine Gedanken weilten in der Vergangenheit. Es war eine törichte Verbindung gewesen, eine Gretna-Green-Verbindung der Liebe wegen, töricht, soweit die Klugheit reichte; aber die Gräfin hatte ihm als liebevolle Ehefrau zur Seite gestanden, hatte seine Torheiten und seine Nachlässigkeit ertragen, war für ihr einziges Kind eine bewunderungswürdige Mutter gewesen. Nur ein Kind hatten sie bekommen, und in dessen dreizehntem Jahr war die Gräfin gestorben. Wären sie mit einem Sohn gesegnet gewesen – über die langjährige Enttäuschung stöhnte der Graf noch heute –, er hätte vielleicht einen Ausweg aus seinen Schwierigkeiten gefunden. Sobald der Junge volljährig gewesen wäre, hätte er in gemeinsamer Anstrengung mit ihm die Kosten reduziert, und …
„Mylord“, sagte ein Diener, der gerade den Raum betreten hatte und die Luftschlösser des Earl einriss, „ein Gentleman möchte mit Ihnen sprechen.“
„Wer denn?“ rief der Earl schneidend, wobei er die Karte, die der Mann ihm brachte, nicht beachtete. Kein Unbekannter, selbst wenn er die äußeren Würden eines ausländischen Botschafters trug, wurde jemals kurzerhand zu Lord Mount Severn vorgelassen. Jahrelange Mahnungen hatten die Bediensteten Vorsicht gelehrt.
„Hier ist seine Karte, Mylord. Es ist Mr. Carlyle aus West Lynne.“
„Mr. Carlyle aus West Lynne“, seufzte der Earl, dessen Fuß gerade einen schrecklichen Schmerzstich spüren ließ. „Was will er? Führen Sie ihn herein.“
Der Bedienstete tat wie geheißen und führte Mr. Carlyle ins Zimmer. Sehen wir uns den Besucher gut an, denn er wird in dieser Geschichte seine Rolle zu spielen haben. Er war ein sehr großer Mann von siebenundzwanzig Jahren und bemerkenswert edler Erscheinung. Ein wenig hatte er die Tendenz, den Kopf zu neigen, wenn er mit jemandem sprach, der kleiner war als er selbst. Es war eine eigenartige Gewohnheit, fast könnte man von einer Gewohnheit zur Verbeugung sprechen; auch sein Vater hatte sie bereits besessen. Wenn man ihn darauf ansprach, lachte er und sagte, er sei sich dessen nicht bewusst. Seine Gesichtszüge waren angenehm, sein Teint blass und klar, die Haare dunkel, und die vollen Augenlider hingen ein wenig über den tiefgrauen Augen. Insgesamt war es eine Haltung, die Männer und Frauen gern betrachteten – das Zeichen eines ehrbaren, aufrichtigen Wesens; man hätte es weniger ein hübsches als vielmehr ein angenehmes und vornehmes Gesicht genannt. Zwar war er nur der Sohn eines Kleinstadtanwalts und immer dazu bestimmt gewesen, auch selbst Anwalt zu werden, aber er besaß die Ausbildung eines Gentleman, war in Rugby erzogen worden und hatte seinen Abschluss in Oxford gemacht. In der geradlinigen Art eines Geschäftsmannes ging er sofort auf den Earl zu – es war die Art eines Mannes, der in Geschäften kam.
„Mr. Carlyle“, sagte der Earl und streckte die Hand aus – er hatte immer als der liebenswürdigste Adlige seiner Zeit gegolten – „ich freue mich, Sie zu sehen. Wie Sie bemerken werden, kann ich nicht aufstehen, zumindest nicht ohne große Schmerzen und Unbequemlichkeit. Mein Feind, die Gicht, hat wieder von mir Besitz ergriffen. Nehmen Sie Platz. Wohnen sie hier im Ort?“
„Ich bin gerade von West Lynne gekommen. Es war der wichtigste Zweck meiner Reise, Eure Lordschaft zu sprechen.“
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Earl unbehaglich. Ihm war der Verdacht durch den Kopf gegangen, Mr. Carlyle könne für einen seiner vielen lästigen Gläubiger tätig sein.
Mr. Carlyle zog seinen Stuhl näher zum Earl und sagte leise:
„Mylord, mir ist ein Gerücht zu Ohren gekommen, wonach East Lynne zum Verkauf steht.“
„Einen Augenblick, Sir“, rief der Earl mit einer gewissen Zurückhaltung, um nicht zu sagen Hochnäsigkeit in der Stimme, „sprechen wir hier vertraulich als Ehrenmänner miteinander, oder verbirgt sich dahinter etwas anderes?“
„Ich verstehe Sie nicht“, sagte Mr. Carlyle.
„Mit einem Wort – entschuldigen Sie, dass ich deutlich werde, aber ich muss wissen, wo ich stehe – sind Sie im Auftrag eines meiner niederträchtigen Gläubiger hier, um mir Informationen aus der Nase zu ziehen, die Sie ansonsten nicht bekämen?“
„Mylord“, entgegnete der Besucher, „zu einer so unehrenhaften Handlungsweise wäre ich nicht in der Lage. Ich weiß, dass man einem Anwalt zutraut, nur sehr lockere Vorstellungen von dem Begriff der Ehre zu haben, aber Sie können mich kaum verdächtigen, dass ich mich schuldig gemacht hätte, unter der Hand gegen Sie zu arbeiten. Soweit ich mich erinnere, habe ich mich nie in meinem Leben eines niederträchtigen Kunstgriffs bedient, und ich glaube auch nicht, dass dies in Zukunft geschehen wird.“
„Verzeihen Sie mir, Mr. Carlyle. Wenn Sie nur die Hälfte der Tricks und Listen kennen würden, mit denen man mir mitgespielt hat, würden Sie sich nicht wundern, dass ich die ganze Welt im Verdacht habe. Fahren Sie mit Ihren Ausführungen fort.“
„Ich habe gehört, dass East Lynne privat zum Verkauf steht; Ihr Rechtsbeistand hat so etwas im Vertrauen mir gegenüber durchblicken lassen. Wenn es stimmt, wäre ich gern der Käufer.“
„Für wen?“, erkundigte sich der Earl.
„Für mich selbst.“
„Für Sie!“, lachte der Earl. „Rechtsanwalt kann wahrhaftig nicht so ein schlechter Beruf sein, Carlyle.“
„Das ist er auch nicht“, gab Mr. Carlyle zurück, „jedenfalls wenn man so umfangreiche, erstklassige Beziehungen hat wie wir. Aber man muss daran denken, dass mein Onkel mir ein schönes Vermögen hinterlassen hat, und von meinem Vater war es ein großes.“
„Ich weiß. Ebenfalls Einnahmen aus der Anwaltstätigkeit.“
„Nicht nur. Meine Mutter hat ein Vermögen mit in die Ehe gebracht, und damit konnte mein Vater erfolgreich spekulieren. Ich bin auf der Suche nach einem geeigneten Anwesen, in das ich mein Geld investieren könnte, und East Lynne wäre für mich geeignet, vorausgesetzt, ich bekomme das Vorkaufsrecht und wir können uns über die Konditionen einigen.“
Lord Mount Severn