Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutsches Leben in Amerika - Teil 2. Rudolf Cronau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Cronau
Издательство: Bookwire
Серия: gelbe Buchreihe
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753191836
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Diesen war an der Bekehrung und Aufklärung der Neger und Rothäute, die man kaum als Menschen betrachtete, aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nichts gelegen. Ebensowenig hatte für sie das Gelübde der Sektierer, niemals Waffen zu tragen, eine Bedeutung.

      Als nun zwischen den Kolonisten von Georgia und den in Florida ansässigen Spaniern ein Krieg ausbrach und die Herrnhuter sich weigerten, an demselben teilzunehmen, sahen sie sich solchen Misshelligkeiten ausgesetzt, dass sie die Kolonie verließen und nach Pennsylvanien zogen. Hier bauten sie am Ufer des Lehighflusses eine bescheidene Blockhütte, in der die Brüder im Jahre 1741 gemeinsam die Feier des Weihnachtsfestes begingen. Bei ihnen befand sich Graf Zinzendorf selbst, der aus Deutschland herübergekommen war, um an der Gründung neuer Missionen mitzuwirken. Er war es auch, der an jenem durch fromme Gesänge verschönten Abend den Ort, wo die neue Niederlassung entstehen sollte, Bethlehem taufte.

       In der Folgezeit wurde Bethlehem nicht bloß der Hauptsitz der Herrnhuter, sondern auch der Ausgangspunkt ihrer ganzen Missionstätigkeit in Amerika. Schon innerhalb der nächsten 20 Jahre kamen über 700 Herrnhuter hierher, um an den frommen Werken mitzuhelfen. Die erste Verstärkung langte im Juni 1742 unter Bischof Spangenberg an. In den Annalen der Gemeinde wird von ihr als der „First Sea Congregation“ gesprochen. Ihr folgte im November 1743 die zweite Kongregation, darunter 30 junge Ehepaare, welche kurz vor ihrer Abreise in Herrnhut den Bund fürs Leben geschlossen hatten. Ein Teil dieser Neulinge wurde in der benachbarten Niederlassung Nazareth untergebracht, die man von dem Engländer Whitefield kaufte. Ein dichter Urwald trennte die beiden Ortschaften. Aber die Männer schlugen mit der Axt einen Pfad durch die Wildnis und begannen dann an beiden Orten mit dem Aufbau fester Wohnstätten und Bethäuser. In ihrer Tätigkeit strebten die Herrnhuter, sich von der Außenwelt möglichst unabhängig zu machen. Sie strichen eigenhändig die zum Hausbau benötigten Ziegel, brannten Kalk und bereiteten den Mörtel. Außer Getreide und Obst zogen sie Hanf und Flachs, züchteten Vieh und fertigten aus der gewonnenen Wolle ihre eigenen Kleider. Sie gerbten die Häute der geschlachteten Tiere und verarbeiteten dieselben zu Schuhen und Stiefeln. Sie brauten ihr eigenes Bier, machten Stärke und Mehl, richteten Färbereien, Bleichereien, Baumwollspinnereien ein, desgleichen Werkstätten, in denen sie sämtliche beim Landbau und zum Ausüben der verschiedenen Industrien nötigen Werkzeuge und Maschinen herstellten. Die gröberen Arbeiten und das Bestellen der Felder lagen den Brüdern ob. Die Schwestern besorgten den Haushalt und das Anfertigen der Kleider. Unermüdlich regten sich die fleißigen Hände. Das Surren der Spinnräder verstummte nur an solchen Tagen, wo die Glocke zur Andacht oder zu einem gemeinschaftlichen Liebesmahl rief.

      Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich Bethlehem zu einer Musterniederlassung. An Stelle der ursprünglichen Blockhütten traten bequeme Steinhäuser von einfacher aber malerischer Bauart. Die breiten Straßen wurden peinlich sauber gehalten. Rings um die Ortschaft dehnten sich lachende Felder, deren Saaten reiche Ernten ergaben.

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      Ansicht von Bethlehem im Jahre 1830

      Das ganze Leben der Herrnhuter entsprach der biblischen Mahnung: „Betet und arbeitet, damit ihr nicht in Anfechtung fallet!“

       Um der letzteren vorzubeugen, unterlag der Verkehr der Geschlechter strengen Regeln. Sowohl die Knaben und Mädchen wie auch die unverheirateten Jünglinge und Jungfrauen wohnten in abgesonderten Häusern, wo sie den von den Ältesten der Gemeinde erlassenen Vorschriften unterstanden. Die Jungfrauen durften nicht an der Behausung der Junggesellen, diese wieder nicht an der Wohnung der „Schwestern“ vorübergehen. Begegneten sie einander auf der Straße, so war es nicht erlaubt, einander anzusehen. Die Schwestern durften den Namen keines Bruders erwähnen, und so wuchsen beide Geschlechter auf in völliger Unkenntnis voneinander. Erreichten Jünglinge und Mädchen das heiratsfähige Alter, so sorgten die Gemeindevorsteher dafür, dass geeignete Paare sich ehelich verbanden. Die solchen Bündnissen entspringenden Kinder blieben bis zum vollendeten zweiten Jahre unter der Obhut der Eltern, mussten dann aber der Gemeinde übergeben werden, welche die weitere Erziehung übernahm.

      Durch Bezug der besten Erzeugnisse der deutschen Literatur hielt man mit dem Vaterlande Fühlung. Mit besonderer Vorliebe pflegte man Musik, beschränkte sich aber nicht auf die Wiedergabe der herrlichen Reformationslieder, sondern bemühte sich, auch die schwierigen Werke hervorragender Tonkünstler in mustergültiger Weise aufzuführen.

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      Das Schwesternhaus der Herrnhuter in Bethlehem, Pennsylvanien

       Die Liebe zu Musik und Gesang lebte so kräftig in aller Brust, dass Bischof Spangenberg eines Tages schrieb: „Niemals, seitdem die Welt geschaffen, wurden so liebliche und fromme Lieder für Hirten, Ackerleute, Schnitter, Drescher, Spinnerinnen, Näherinnen, Wäscherinnen und andere Arbeiter erfunden und gesungen als hier. Man könnte aus solchen Gesängen ein ganzes Buch zusammenstellen.“

      Während so ein Teil der Brüder und Schwestern der Gemeinde dauernde Heimstätten schufen, zogen andere hinaus in die völlig unbekannte Wildnis, um unter den Ureinwohnern das schwierige Missionswerk zu beginnen. Es erheischte seitens derjenigen, die sich ihm unterziehen wollten, hervorragende Eigenschaften: Mut, Ausdauer, Geduld, Vorsicht und beispiellose Hingabe. Schon die Reise und der lange Aufenthalt in der Wildnis stellten an die Körperkraft die größten Anforderungen. Daneben mussten Entbehrungen aller Art und zahllose unbekannte Gefahren ertragen werden. Ferner galt es, die Feindschaft und Abneigung der den Bleichgesichtern voll Argwohn gegenüberstehenden Indianer zu überwinden und ihr Vertrauen zu gewinnen, was nur in engem Verkehr mit ihnen geschehen konnte, indem man in ihren Dörfern lebte, ihre Gewohnheiten annahm und ihre Sprache erlernte. War das gelungen, so galt es die noch schwierigere Aufgabe zu lösen, die Jahrtausende alten religiösen Anschauungen der Indianer durch die ihnen kaum verständlichen Lehren des Christentums zu ersetzen.

      Zu diesen Schwierigkeiten gesellten sich andere, die niemand vorausgesehen hatte: der geheime oder offne Widerstand gewissenloser weißer Händler, welche die Indianer mit Branntwein versorgten und dieses gewinnbringende Geschäft durch die zur Nüchternheit mahnenden Missionare gefährdet glaubten. Zu alledem kam endlich noch die Eifersucht der englischen Landeskirche, welcher die Missionsarbeit der Herrnhuter ein Dorn im Auge war.

      Will man ein treues Bild all dieser von den Herrnhutern zu überwindenden Widerwärtigkeiten gewinnen, so braucht man nur Loskiels „Geschichte der Mission der Evangelischen Brüder unter den Indianern in Nordamerika“ (Barby 1789), zu lesen. Sie enthält unter anderem die Erlebnisse jener Herrnhuter, welche die in dem Dorf Schekomeko lebenden Mohikaner bekehrten.

      Schekomeko lag in der Kolonie New York, östlich vom Hudson. Der Herrnhuter Christian Heinrich Rauch war der erste, welcher sich unter den hier wohnenden Wilden niederließ. Als er ihnen das Wesen Gottes zu erklären suchte, lachten sie ihm ins Gesicht und verspotteten ihn. Erst nach wochenlangen Bemühungen gelang es, zwei Mohikaner, die mit den Weißen bereits häufiger in Berührung gekommen waren, für die christlichen Lehren empfänglich zu machen. Das erbitterte die anderen so, dass sie drohten, den Missionar zu ermorden. Aber dieser blieb nicht nur standhaft, sondern suchte durch die beiden Bekehrten auf deren Stammesgenossen noch kräftiger einzuwirken.

      Vornehmlich Tschup, der ältere Mohikaner, zeigte sich darin sehr geschickt. Wollte er seinen Stammesgenossen etwas recht deutlich machen, so bediente er sich der Bilderschrift. So zeichnete er beispielsweise auf ein Stück Baumrinde ein Herz, aus welchem auf allen Seiten Zacken und Stacheln hervorgingen und sagte: „Seht, so ist ein Herz, in dem der böse Geist wohnt; alles Böse kommt von innen heraus.“ Mit solchen Darstellungen machte Tschup einen stärkeren Eindruck, als der Missionar mit seinen Reden.

       Allmählich gelang es, unter den Mohikanern Anhänger für den christlichen Glauben zu gewinnen. Es entstand der Keim zu einer kleinen Gemeinde, die im August 1742 den Besuch des Grafen Zinzendorf empfing sowie den Beistand zweier andrer Brüder, der Missionare Büttner und Mack erhielt.

      Je mehr die Zahl der Bekehrten wuchs, desto häufiger wurden aber auch die Zeichen der Missgunst, womit die in den benachbarten Ansiedlungen wohnenden Weißen die Bemühungen der Herrnhuter beobachteten. Die