Renaissance 2.0. Christian Jesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Jesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754127643
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führt diese Frequenz hin?", fragte Shilané Thevog, der jedoch schon wieder so tief in seinen Untersuchungen versunken war, als dass er sie hörte. Die Ankilla war ihm deswegen nicht böse. Sie ließ ihn gewähren und widmete sich nun den verschiedenen Ordnern auf dem Tisch. Shilané griff nach einem Stapel, setzte sich in einen Stuhl und studierte jede einzelne Seite der Akten genau. Als sie damit fertig war, streckte sie ihre Hand nach dem zweiten Turm Papphefter aus und wiederholte die Prozedur. So verging über eine Stunde. Als sie endgültig fertig war, beobachtete sie Thevog lange interessiert. Manchmal schaute der Junge wie ein Blinder an die Decke. Als hätte er eine Vision, die ihn unerwartet überfallen würde.

      "Wie kommt es, dass du dich so gut mit Elektronik auskennst?", ertönte ohne Vorwarnung die Frage. Hastig schaute sich die junge Ankilla im Raum um, ob sich noch jemand zu ihnen gesellt hatte. Aber es war Thevog, der aus seiner Starre erwacht war.

      "Ich finde es niederträchtig, dass die Frauen in Deusakem nur kochen, putzen, einkaufen, Kinder gebären und ähnliche Dinge dürfen. Also habe ich mir Bücher organisiert und auf diese Weise Technik studiert. Und noch so einiges Andere. Wenn mein Vater das wüsste, wäre er stinksauer."

      "Wer ist dein Vater?", wollte Thevog neugierig wisse.

      "Mein Vater ist der größte Idiot in diesem und allen anderen Universen", antwortete sie lapidar. Der Junge verstand und fragte auch nicht weiter nach. Offensichtlich gab es hier einen Generationenkonflikt, in den er nicht hineingezogen werden wollte.

      "Was ist mit deinen Eltern? Wo sind sie?"

      "Sie sind bei einem Brand einer Aquafarm ums Leben gekommen. Mein Vater war Ingenieur, Techniker und Physiker. Meine Mutter Chemikerin und Hobbymedizinerin, weswegen ich mich mit Giften sehr gut auskenne." Shilané sah ihn entsetzt an. Thevog musste bei ihrem Gesichtsausdruck lachen. "In einer Aquafarm muss man sich mit Giften auskennen. Schließlich soll ja niemand an den neu kultivierten Pflanzen sterben. Und die Pflanzen, für die meine Eltern verantwortlich waren, sind alles Rückzüchtungen dessen gewesen, was du heute noch in den Dædlænds findest. Nur eben ohne die Gifte."

      "Wäre schön, wenn man die Dædlænds auch wieder entgiften könnte", bemerkte Shilané beeindruckt.

      "Kann man", erklärte Thevog nüchtern. "Deswegen wurden meine Eltern auch ermordet." Die Ankilla, die gerade aus dem Stuhl aufstehen wollte, in den sie sich zuvor gesetzt hatte, ließ sich wieder fallen. Entgeistert blickte sie ihn an. "Der Brand war kein Unfall. Er war ein Anschlag im Auftrag von Mår-quell."

      "Aber warum?", stotterte Shilané.

      "Weil die Menschen so abhängig von den sauberen Lebensmitteln der Regierung sind. Aufstand ausgeschlossen. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann glaube ich, dass Deusakem nicht auf Dauer überleben wird. Ich habe gehört, dass Jachwey sich wohl mit den umgebenen Städten und Provinzstaaten zusammenschließen will. Je mehr Menschen von Mår-quell unabhängig werden, desto höher ist das Risiko für sie, die Macht zu verlieren. Und was das bedeutet, ist ja wohl klar. Krieg."

      So hatte Shilané die Auferstehung Akems als Deusakem noch nie betrachtet. Während sie immer nur daran gedacht hatte, wie gut es ihnen hier ging, im Vergleich zum Rest des Landes, lebten sie doch nur auf einem Pulverfass, das jeden Augenblick explodieren konnte.

      Am Nachmittag trafen sich die beiden mit Tandra in einer der Essensausgabe zu einem gemeinsamen Kaffee. Shilané sprach Tandra offen auf Thevogs These an und fragte nach ihrer Meinung. Der Renegatin blieb nichts weiter übrig, als den beiden recht zu geben. Aus der Logik heraus gab es keine andere Erklärung. Während die drei darüber diskutierten, setzten sich unverhofft einige weitere Ankillas an den Tisch und beglückwünschten Shilané zu etwas, von dem Tandra nicht wusste, was gemeint war. Offensichtlich hatte sie sich in einem Streit durchgesetzt und diesen gewonnen, ohne dabei die andere Partei zu verletzen, was auch die Renegatin dazu veranlasste, ihr ebenfalls zu beglückwünschen. Nachdem alle Hände geschüttelt waren, eröffnete eine der Ankillas das Gespräch und kam auf die Dinge zu sprechen, über die sich die drei zuvor unterhalten hatten.

      "Tut mir leid, das sagen zu müssen. Aber wir haben eben einige Wortfetzen von eurer Diskussion mitbekommen und stimmen euch zu. Was hier passiert ist gefährlich. Jachwey fordert geradezu die Regierung heraus, etwas gegen ihn zu unternehmen. Als wäre dies Teil eines großangelegten Plans."

      "Das ist richtig", stimmte eine weiter Ankilla zu. "Er scheint zu denken, dass er zusammen mit den Renegaten einen Großangriff auf Mår-quell einleiten kann, um dann landesweit die Herrschaft zu übernehmen. Das würde einen erneuten Krieg bedeuten, den wir uns unter gar keinen Umständen leisten sollten."

      "Gibt es dafür konkrete Hinweise?", unterbrach Tandra die junge Frau.

      "Alleine schon die Tatsache, wie er an die Macht gekommen ist. Ich habe gehört, dass er dabei massive Hilfe von Außen hatte. Und so, wie er sich auf die Renegaten verlässt, behaupte ich, dass die dahinter stecken. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sein Weg auch der ihre ist. Das bezweifel ich nämlich", ereiferte sich jetzt eine dritte Ankilla.

      "Ich denke, es wäre besser, wenn man Jachwey auf der Stelle stoppt", wurde diese von der ersten Ankilla unterstützt.

      Thevog, Shilané und Tandra hörten sich alles in Ruhe an. Während der Junge und die Renegatin sehr interessiert schienen, zeigte sich auf Shilanés Gesicht so etwas wie Unwohlsein. Tandra schaute das Mädchen besorgt an. War ihr die offene Diskussion in der Öffentlichkeit unangenehm oder gab es noch einen anderen Grund? Die Ankilla bemerkte den Blick und änderte ihren Gesichtsausdruck umgehend in nachdenklich. Das verwirrte die Renegatin noch mehr.

      "Ich könnte mir gut vorstellen, dass diese unbekannte Person etwas mit dem Aufstieg des Gottkaisers zu tun hat", sagte jetzt die zweite Ankilla.

      "Welche unbekannte Person?", fragte Tandra, obwohl sie glaubte die Antwort bereits zu kennen.

      "Keine Ahnung", erwiderte die dritte Ankilla. "Fast zur selben Zeit, als Jachwey hier auftauchte, gab es Gerüchte über einen nächtlichen Geist, der durch die Stadt wanderte."

      "Ja. Die Geschichten, die man sich erzählte, waren ziemlich gruselig."

      "Warum gruselig?", fragte Tandra überrascht. "Wurden irgendwelche Leute ermordet oder sind verschwunden?", erkundigte sie sich weiter und etwas blitzte für den Bruchteil einer Sekunde vor ihrem inneren Auge auf.

      "Nein. Ich weiß nicht. Aber allein dieses schemenhafte Wesen, das überall in der Nacht gesehen wurde. Keiner wusste, was es ist. Ob es Real war oder aus einer anderen Dimension stammte." Die Gesichter der Ankillas waren blass und emotionslos geworden.

      "Ich denke, ihr übertreibt eine wenig", unterbrach Tandra die kurze Stille, die sie dazu genutzt hatte, wieder einen klaren Gedanken zu finden. "Ein Wesen aus einer anderen Dimension, das Jachwey an die Macht gebracht hat, halte ich doch für ein bisschen zu gewagt. Aber, dass er Unterstützung hatte, glaube ich auch. Ihr meint von den Renegaten? Das lässt sich herausfinden."

      "Wie denn?", ereiferte sie die erste Ankilla.

      "Ich werde mal nachfragen", eröffnete Tandra lapidar.

      "Wie wollen Sie das anstellen?", wollte jetzt die dritte Ankilla wissen.

      "Tandra ist selbst Renegatin", beantwortete Shilané die Frage stolz und brach damit ihr langes Schweigen. "Sie war auch schon zurzeit eures Phantoms in der Stadt. Ich denke, wenn das Wesen, von dem ihr redet, mit den Renegaten zusammengearbeitet hat, dann wüsste sie davon."

      "Ich muss deine Euphorie etwas dämpfen, Shéré. Wir wissen nicht immer von den Missionen aller anderen Widerstandskämpfern. Das dient alleine schon der Sicherheit. Denn, was wir nicht wissen, können wir auch nicht weitergeben. Aber, wie ich schon sagte, ich kann nachfragen."

      "Meiner Meinung nach, Phantom hin oder her…", brachte eine der Ankillas das Gespräch wieder auf den Punkt, "...muss es da noch jemanden gegeben haben, der Jachwey beigestanden hat. Mal ganz ehrlich, ein Was-auch-immer, das durch die Nacht schleicht, bringt keinen Regenten hervor. Dazu bedarf es politischer Manipulationen. Besonders dann, wenn er nicht vom Volk gewählt wird. Es muss also noch jemand an dem Aufstieg beteiligt gewesen sein. Und den gilt