Im Bootsmannsstuhl im Mast
„Du solltest mir dankbar sein, dass du labsalben darfst. Das ist der beste Sonnenschutz den es gibt. Schau Schmidchen an. Ist rot wie ein gekochter Krebs! Und wenn du jetzt an Land gingst, würden dir alle schwarzen Schönheiten hinterherrennen, glaub mir das!“ Beim Abendessen jedenfalls rücken erst mal alle weit von mir weg, weil ich so stinke. Nach so einem Tag sehnt man sich nach der letzten Ölung...
Von oben kommt bald die Order, dass wir alle beim Arbeiten Hemden tragen müssen und Kopfbedeckung. Aus dem Kabelgatt tauchen Tropenhelme auf, die wir, trotz unserer Proteste tragen müssen. Wir kommen uns lächerlich darunter vor. Wir sind doch nicht auf Safari! Während der Ausreise überholen wir das ganze Ladegeschirr. Wir zerlegen alle Blöcke, reinigen und fetten die Lager oder tauschen sie aus, wenn sie zu viel Spiel haben. Bald sehe ich einem Block von außen an, ob er Nadellager besitzt oder Kugellager oder nur Buchsenlager. Da gibt es welche, die haben einen Filzdocht, der geölt werden will, bei anderen befindet sich in der Scheibenrille eine Schraube, die man entfernen muss, um einen Ölvorrat einzufüllen. Die angenehmsten sind uns die mit Fettnippel. Die sind am einfachsten zu schmieren. Die Blöcke der Geien sind am kompliziertesten. Man legt sie besser an Deck ab. Mit einem Schraubenzieher entfernt man seitlich zwei aufgenagelte Bleche. Mit einem Bolzentreiber schlägt man die Achse heraus, reinigt sie, möglichst auch die Bohrung der Bronzescheiben. Dann mit Molykote (Spezialfett auf Molybdänsulfidbasis) einschmieren und den ganzen Schitt wieder zusammentüddeln. Das verlangt viel Gefühl, da sie oft 3 bis 4 Scheiben besitzen. Zu unserem Glück hat alles irgendwann ein Ende. Und beim Schiff heißt das Heck. Dort angekommen, gab es nur noch die Vermessungsluke, und die besitzt keine Bäume. Erst mal ein Bier und sich in den Schatten verpissen. Der Erste Offizier schmeißt 'ne Runde, noch nie dagewesen! Dann alle unter die Dusche und verfrühter Feierabend.
Am nächsten Tag, beim Mittagessen, teilt uns der Bootsmann mit, dass als Nächstes die Mittschiffsaufbauten gewaschen werden sollten, seitlich und Achterkante. Ich werde damit beauftragt, die Arbeit vorzubereiten: Seewasserschlauch, Süßwasserschlauch, die Eimer mit Wasser aus der Leitung füllen, braune Schmierseife dazu, umrühren und die Schwabber (eine Art flacher Klobürste) bereitlegen. Ich hatte eigentlich Ausscheiden (Feierabend) machen wollen, da ich 8 - 12 Wache gegangen war.
Vielleicht wollte er mich auch nur ärgern, weil er sich vorstellen konnte, was kommen würde. Als alles fertig ist, melde ich es, und die Truppe tanzt an. Der Scheich bleibt im Hintergrund und schaut zu. Wir fangen an, die Schotten mittels der Schwabber einzuseifen und zu schrubben. Aber nichts tut sich. Die Seife schäumt nicht, der Dreck bleibt auf der Farbe, dazu kommen noch die Schlieren der ungelösten Schmierseife, die an den Schotten kleben bleiben. Der Scheich stutzt. Auch wir merken, dass etwas nicht stimmt. Er kommt her, taucht einen Finger in einen Seifeneimer, steckt ihn in den Mund. Ich denke, der hat wohl so was wie 'nen Tropenkoller. Er läuft rot an. Brüllt los: „So ein Idiot! Hat der doch glatt die Schmierseife mit Seewasser angesetzt! Hat einen Geheimsender und weiß noch nicht mal, dass man Seife nur in Frischwasser lösen kann!“ Alles lacht. Nur ich nicht. Die anderen Kadetten sind froh, dass es diesmal nicht sie trifft. „Dass man Seife nur in Süßwasser lösen kann, weiß ich (zwar erst seit 2 Minuten)“, antworte ich. Aber dass in der Deckswaschleitung Salzwasser ist, wusste ich nicht.“ Alles grölt erneut vor Lachen. „Das ist ja noch schlimmer! Dann frag das nächste Mal deinen Geheimsender, wenn du was nicht weißt! Wozu dient die Deckswaschleitung denn noch?“, fragt er. „Zum Feuerlöschen“, antwortet Hans-Dieter. „Und der glaubt doch glatt, dass wir das Frischwasser bei Brand zum Löschen nehmen!“ Wir leeren die Eimer in die Speigatten (Wasserabflussöffnungen), füllen sie erneut, diesmal mit Frischwasser aus dem ‚dünnen Darm‘ (Schlauch), eine Hand voll brauner Seife hinein, mit dem Schwabber umgerührt, es schäumt diesmal, und los geht’s. „Stooop!“, grölt er erneut, „seid ihr denn alle verrückt geworden! Solltet euch mal alle einen Geheimsender zulegen, vielleicht wisst ihr dann besser, wie man Farbe wäscht. Man fängt immer unten an zu waschen, verdammt noch mal, weil die runterlaufende Seife sonst Spuren auf den Schotten hinterlässt!“ Wir schauen uns an. Das erste Mal, dass der uns was erklärt hat! Natürlich macht das Ereignis die Runde. Mittschiffs und achtern, von der Brücke bis zum Kielschwein, alles lacht über mich.
NAGETIERE
Inzwischen weiß ich sogar, dass wir die Schotten vorher noch mit dem Frischwasserschlauch hätten entsalzen müssen. Es ist fast eine Kunst, ein Schott richtig zu waschen, oder unter Deck. Danach sieht alles fast wie ein Neuanstrich aus. Aber manchmal hilft Waschen auch nicht mehr. Dann heißt es Brille auf die Augen und Rosthammer in die Hand. Und dann klopfen wir um die Wette, dass selbst die in der Maschine denken, da ist ein Specht am Werk. Millimeterweise nagen wir den Rost von den Lukendeckeln und vom Deck. Wir suchen mit Rostkratzern, 30 Zentimetern langen Flacheisen, an einem Ende abgewinkelt, beidseitig mit Klingen versehen, nach Rostbeulen unter den vielen Farbschichten. Wir stechen die Ränder der so entstehenden Löcher glatt, damit nichts absteht und kein Seewasser unter lose Farbschichten gelangen kann. Weiterhin gibt es die Roststecher, eine dreieckige Klinge auf einem langen Stiel, mit denen man das Deck vom Rost freisticht. Gerade das Deck ist am meisten vom Rost befallen, weil durch die Deckslast der Schutzanstrich verletzt wird. Innerhalb von ein paar Tagen hat man uns zu Rostspürhunden dressiert, die sogar unter millimeterdicken Farbschichten ein einzelnes Rostmolekül erschnüffeln, wie ein Zollhund eine Droge... Instandhaltung heißt das im Fachjargon. Wir nannten es Beschäftigungstherapie. Bis hierher alles noch echte Handarbeit.
Ging es an größere Flächen, griffen wir zur Artillerie. Das war die Rostmaschine. Am einen Ende befand sich ein starker Elektromotor, der über eine fast zwei Meter lange biegsame Welle einen runden Hammerkopf antreibt, welcher mit flachen Stahlhämmerchen bestückt ist. Niemand kannte das Wort Gehörschutz. Funken spritzen bisweilen, sonst nur Staub und ein unerträglicher Lärm. Wir binden uns Tücher vor den Mund, schwitzen unter der Schutzbrille, die sich mit Staub und Schweiß zusetzt. Uns brennen die Augen vor salzigem Schweiß und Dreck. Wir haben rote Augen und brechen in Lachen aus, wenn wir einander ansehen. Ein lautes Rasseln erfüllt die Luft und selbst auf dem Achterschiff verspürt man die vom stählernen Rumpf bis hier geleiteten Vibrationen. Dann werden diese bloßgelegten Flächen mit einem Stahlborsten-Schrubber vom Feinrost befreit. Inge, ein Kadett, hatte die grandiose Idee, seine Bürste mit einem dicken Schäkel zu beschweren, den er am Stiel festbändselt. Somit brauchte er wenigstens nicht mehr auf den Schrubber zu drücken. Hans-Dieter holte sich im Kabelgatt einen noch größeren. Sachsenberg holte sich gleich einen 10-Tonnen-Schäkel, mit dem Ergebnis, dass der Stiel bricht. Dazu trinken wir kannenweise Kujambelwasser, Himbeersirup mit Wasser verdünnt. Das ist unser Hauptgetränk, es kostete nichts, machte nicht besoffen und ist kalt.
Für die großen Flächen nehmen wir den Hammerkopf ab und schrauben eine runde Bürste auf die Welle. Diese muss normalerweise mit beiden Händen gehalten werden, weil sie Tendenz hat, wegzurollen. Nur, wenn man stundenlang mit der Bürste an Deck sitzt uns die Sonne auf deine Rübe donnert, geht einem so manches durch den Kopf: Warum macht man