Geisterenthüller John Bell. Erik Schreiber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erik Schreiber
Издательство: Bookwire
Серия: Übersinnliche Detektive
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753198316
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heißt, Todesursache unbekannt,“ sagte ich, ungeduldig aufspringend. „Es wundert mich, Dr. Stanmore, dass Sie sich mit diesem Stand der Sache zufrieden geben.“

      „Was hätte ich denn machen sollen?“, fragte er. „Ich werde gebeten, die Leiche zu untersuchen. Ich finde alle Organe völlig gesund vor. Ich kann nicht die kleinste Spur von Gewalteinwirkung entdecken noch irgendeines Giftes. Welch andere Aussage kann ich mit gutem Gewissen treffen?“

      „Ich kann nur sagen, dass es für mich nicht zufriedenstellend wäre“, antwortete ich. „Ich möchte hinzufügen, dass ich von London hierhergekommen bin mit der festen Absicht, dieses Rätsel zu lösen. Ich werde selbst im ,Castle Inn‘ absteigen.“

      „Und?“, fragte Dr. Stanmore.

      „Und in dem verfluchten Zimmer schlafen.“

      „Natürlich glauben Sie nicht an den Geist.“

      „Nein, aber ich glaube an falsches Spiel. Nun, Dr. Stanmore, werden Sie mir helfen?“

      „Sicherlich, wenn ich kann. Was soll ich tun?“

      „Dies – ich werde morgen zum ,Castle Inn‘ gehen. Wenn ich nach drei Tagen nicht zurückgekehrt bin, werden Sie nach mir suchen und gleichzeitig diesen Brief an Mr. Edgcombe, meinem Londoner Anwalt, senden.“

      „Wenn Sie nach drei Tagen nicht wieder hier erschienen sind, werde ich die Hölle in Bewegung setzen“, versprach Dr. Stanmore, „und natürlich Ihren Brief absenden.“

      Kurz darauf schüttelten der Doktor und ich uns zum Abschied die Hände.

      Nach einem frühen Abendessen am folgenden Tag verließ ich meine gutmütigen Wirtsleute; mit Rucksack und der Kamera über der Schulter machte ich mich auf den Weg. Ich achtete darauf, niemandem zu erzählen, dass ich zum ,Castle Inn‘ ging, und aus diesem Grund nahm ich auch einen Umweg durch ein Waldstück.

      Die Sonne ging fast unter, als ich mich einem zerbrochenen Wegweiser näherte, auf dem in halbverwitterten Buchstaben zu lesen war: ‚To the Castle Inn‘. Ich befand mich am Anfang eines schmalen Trampelpfads, der offensichtlich kaum benutzt wurde, denn er war dicht mit Gras bewachsen. Von dort aus konnte ich kein bewohntes Grundstück erblicken, aber gerade in diesem Moment drang ein leises, etwas zusammenhangloses Lachen an mein Ohr. Ich drehte mich schnell um und sah ein hübsches Mädchen mit hellen Augen und kindlichem Gesicht, dass mich mit Interesse betrachtete. Ich hatte kaum Zweifel, dass es sich um die Enkelin des alten Bindloss handelte.

      „Würdest du mir freundlicherweise sagen“, bat ich, „ob dies der Weg zum ,Castle Inn‘ ist?“

      Meine Bemerkung überraschte sie offensichtlich. Sie beugte sich vor, packte mich an der Hand und versuchte, mich von dem Trampelpfad wegzuziehen, zurück auf den Hauptweg.

      „Gehen Sie weg!“, schrie sie, „wir haben keine Betten im ,Castle Inn‘, die zu einem Gentleman passen. Gehen Sie! Gehen Sie!“, fuhr sie fort und zeigte auf den sich windenden Weg. Ihre Augen loderten nun in ihrem Gesicht, aber ich bemerkte, dass ihre Lippen zitterten und dass sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen.

      „Aber ich bin müde und meine Füße schmerzen“, antwortete ich. „Ich sollte für die Nacht in dem Gasthaus absteigen.“

      „Tun Sie das nicht!“, wiederholte sie. „Sie stecken Sie in einen Raum mit einem Geist. Gehen Sie nicht dorthin. Es ist kein Ort für Gentlemen.“ Nachdem sie dies gesagt hatte, brach sie nicht in Tränen aus, sondern in ein helles, schrilles, fast idiotisches Lachen. Sie schlug sich plötzlich mit einer Hand an die Stirn, drehte sich um und floh so schnell wie der Wind den schmalen Pfad entlang und außer Sicht. Rasch folgte ich ihr. Ich glaubte nicht, dass das Mädchen nur annähernd so verrückt war, wie sie wirkte, aber ich hatte keinen Zweifel, dass etwas Außergewöhnliches ihren Verstand belastete.

      Nach der nächsten Kurve kam das Gasthaus in Sicht. Es war ein eigenartiges Gebäude und ich blieb einen Augenblick lang stehen, um es anzusehen. Das Haus war ganz aus Stein gebaut. Im mittleren Teil gab es zwei Stockwerke. Er hatte eine quadratische Grundfläche und an jeder der vier Ecken ragte ein runder Turm empor. Das Haus war direkt am Fluss errichtet worden, direkt unterhalb eines großen Mühlteichs. Ich ging zur Tür und klopfte mit meinem Stock an. Sie war verschlossen und sah genauso wenig einladend aus wie der Rest dieser Gegend. Nach einem Moment wurde sie zwei oder drei Inch weit geöffnet und das mürrische Gesicht einer alten Frau tauchte in dem Spalt auf.

      „Was wollen Sie?“, fragte sie.

      „Ein Bett für die Nacht“, antwortete ich. „Können Sie mich unterbringen?“

      Sie schaute misstrauisch zunächst auf mich, dann auf meine Kamera.

      „Sie sind ein Künstler, ohne Zweifel“, sagte sie, „und die wollen wir hier nicht mehr.“

      Sie war dabei, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen, aber ich schob meinen Fuß in den Türspalt.

      „Ich bin leicht zufriedenzustellen“, sagte ich. „Können Sie mir nicht irgendeine Lagerstätte für die Nacht anbieten?“

      „Sie haben besser nichts mit uns zu schaffen“, antwortete sie. „Gehen Sie nach Hackhurst. Sie können dort im ‚Crown and Thistle‘ absteigen.“

      „Da komme ich her“, antwortete ich. „Und die Wahrheit ist, ich kann keinen Meter mehr laufen.“

      „Wir wollen keine Gäste im ,Castle Inn‘“, beharrte sie. Dabei lehnte sie sich vor und sah mir ins Gesicht. „Sie gehen besser“, warnte sie mich, „sie sagen, der Ort sei verflucht.“

      Ich brachte ein Lachen hervor.

      „Sie erwarten nicht, dass ich das glaube, oder?“, sagte ich. Sie betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Ihr Gesichtsausdruck war furchtbar düster.

      „Sie müssen alles wissen, mein Herr“, sagte sie nach einer Pause. „Etwas geht in diesem Haus vor und keine lebendige Seele weiß, was es ist. Denn es gab niemanden, der überlebt hätte, um davon berichten zu können. Es ist nicht mehr als eine Woche her, dass ein junger Gentleman herkam. Er war wie Sie, tolldreist, und auch er wollte ein Bett und akzeptierte kein Nein. Ich sagte ihm deutlich, und mein Mann ebenso, dass dieser Ort von Geistern heimgesucht wird. Er glaube es genauso wenig wie Sie. Nun, er schlief in unserem einzigen Gästezimmer, und er – er starb dort.“

      „Woran ist er gestorben?“, fragte ich.

      „Angst“, war die kurze, lakonische Antwort. „Nun, möchten Sie hereinkommen oder nicht?“

      „Ja. Ich glaube nicht an Geister. Ich möchte ein Bett und ich bin entschlossen, Ihres zu nehmen.“

      Die Frau stieß die Tür weit auf.

      „Sagen Sie nicht, dass ich Sie nicht gewarnt hätte“, rief sie aus. „Kommen Sie herein, wenn Sie unbedingt müssen.“ Sie führte mich zur Küche, wo ein Feuer im Ofen glimmte.

      „Setzen Sie sich, ich rufe Bindloss“, sagte sie. „Ich kann Ihnen nur dann ein Bett versprechen, wenn Bindloss zustimmt. Liz, komm mal für eine Minute her.“

      Man hörte schnelle, jugendliche Schritte im Flur und das hübsche Mädchen, dass ich am Anfang des Trampelpfades gesehen hatte, trat herein. Ihre Augen suchten mein Gesicht, ihr Lippen bewegten sich, um etwas zu sagen, aber kein Laut kam heraus.

      „Geh, und finde deinen Großvater“, befahl die alte Frau. „Sag ihm, hier ist ein Gentleman, der ein Bett wünscht. Frag ihn, was zu tun ist.“ Das Mädchen bedachte mich mit einem langen und eigenartigen Blick, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum. Sobald sie fort war, lehnte die alte Frau sich vor und schaute mich neugierig an.

      „Es tut mir leid, dass Sie bleiben“, sagte sie. „Vergessen Sie nicht, dass ich Sie gewarnt habe. Denken Sie daran, das hier ist wirklich kein anständiges Gasthaus. Einst war es eine Mühle, aber das war vor Bindloss‘ und meiner Zeit. Einst kamen die Herren im Sommer zum Fischen, aber dann kam die Geschichte mit dem Geist auf und zuletzt hatten wir so gut wie keine Gäste mehr,