»Es wäre schön, wenn wir die Möglichkeiten, die uns geboten werden, ausschöpfen könnten. Nicht jedoch sofort an Krieg denken.«
Kurze Pause. Dann fuhr Beatrice fort:
»Was gibt es von euch aus Neues? Habt ihr etwas über die Ratte erfahren können, von der du mir erzählt hast, Edwin?«
»Nein. Ich vermute jemanden von außen, der sich bei uns eingeschleust hat und uns ausspioniert.«
»Du meinst, wir haben einen Bullen im System?«
»Jedenfalls sollten wir vorsichtig sein und Informationen nur an den innersten Kreis weitergeben.«
»Könnte es Mike sein?«
»Wie kommst du auf den?«, fragte Nana.
»Er wusste, dass die Oxygene den Dorstener Gewerbehafen anlaufen solle, war aber nicht zugegen, als sie einlief und der Polizeieinsatz anrollte. Die Kontrolle des Schiffes wäre seine Aufgabe gewesen.«
Nana war erstaunt. »Ich denke, er hat die Gelder eingesammelt?«
»Sagte er, aber ich bin heute die Dealer abgefahren und habe das Geld eingesammelt. Sie haben ihn das letzte Mal vor einer Woche gesehen.«
»Also beim letzten Kassieren?«, vermutete Beatrice.
»Haben sie gesagt. Nur bei May war er und hat kassiert. Zweiundzwanzigtausend.«
»Wann war das?«
»Vorgestern Abend. Ich habe vorher mit ihm telefoniert. Er sagte, er sei unterwegs zu ihr. War er auch, aber er ist nur bei May vorbeigefahren. Das hat sie mir bestätigt. Warum er die anderen nicht besucht hat, weiß der Himmel.«
»Wo ist das Geld jetzt?«
»Gefunden haben wir sie nicht. Ich will nicht hoffen, dass er mit den zweiundzwanzig Riesen durchgebrannt ist.«
»Dazu ist der Betrag zu gering.« Beatrice schüttelte den Kopf. »Was will er damit? Er kommt nicht einmal einen Schuss weit!«
»Nun …, wer weiß, ob er May besucht hat? Vielleicht hat sie das Geld noch und behauptet, es ihm ausgehändigt zu haben. Wir sollten das nachprüfen.«
»Das machte nur Sinn, wenn sie wüsste, dass Mike nicht mehr auftaucht. Also müssen wir ihn dringend sprechen. Wo treibt er sich herum?«
»Wir wissen es nicht. Ich nicht und Nana auch nicht. Wir haben versucht, ihn zu erreichen, aber sein Handy scheint abgeschaltet.«
»Würdest du bitte zu seiner Kneipe fahren und nachsehen? Frage ihn auch, warum er das Geld nicht eingesammelt hat.«
»Ich kümmere mich drum.«
»Ist er abgetaucht? Es gibt keinen Anhaltspunkt. Eine Nachricht hat er nicht geschrieben. Haben wir andere Infos?«
»Ich habe nichts gehört«, erklärte Edwin.
»Ich auch nicht, gar nichts«, bestätigte Nana.
»Wieviel hast du eingesammelt?«
»Sechsunddreißig. Wir waren zusammen unterwegs. Die neuen Dealer sind noch nicht so vernetzt. Sie haben bisher keinen festen Kundenstamm.«
»Was ist mit den Wettbüros?«
»Sie haben das Geld transferiert. Ich denke, es ist bereits im Libanon. Es waren dreihundertachtzigtausend.«
Kapitel 6.
Gegen Mittag waren die beiden Leute der Spurensicherung zurück. Willi Schmidt hatte Berendtsen und Hallstein zu sich gerufen.
Den Mann, Berendtsen schätzte ihn auf sechzig Jahre, ›leicht untersetzt‹, wie diese Körperform in der Sprache der Gallier beschrieben wird, stellte Willi als altgediente und erfahrene Kraft vor.
»Bei dem Haus handelt es sich um ein Zechenhaus, ein Doppelhaus. Links eine Familie, rechts eine andere. Wir parkten vor der linken Haustür. Sie war aufgebohrt und stand offen. Die Wohnung war offensichtlich durchsucht worden. Alles stand Kopf. Ganze Arbeit. Wir fanden verschiedene Dokumente, die auf den Namen Uli und Inga Nowiczek lauteten. Auch in einem Telefonverzeichnis fanden wir weitere Leute mit diesem Namen. Damit nicht genug, Chef. Während wir uns umsahen, kamen Kollegen aus Bottrop und sahen nach dem Rechten. Die Nachbarn der anderen Seite hatten sie benachrichtig. Unser Mann hatte mit dieser Adresse nichts mehr zu tun. Natürlich war die Angelegenheit leicht geklärt. Wir durften dann weiter nach Hinweisen auf den Einbrecher suchen, obwohl das Sache der Bottroper Spurensicherung gewesen wäre. Die Kollegen der Bottroper KTU kamen dann und wir haben uns ausgetauscht.«
»Wir haben uns entschuldigt, weil wir nicht auf das Klingelschild geschaut haben, aber für uns war die Sache klar. Die Adresse stimmte, die Tür war aufgebrochen. Passte alles. Tut uns leid. Die Kollegen haben bei ihrer Dienststelle nachgefragt. Der Mann ist dort noch immer gemeldet. Die Nachbarn haben uns aufgeklärt. Er hat ein knappes Jahr dort gewohnt. Eines Morgens hat er die Wohnung verlassen und ist nicht zurückgekommen. Wenig später sind die neuen Nachbarn eingezogen«, ergänzte die hübsche junge Frau, die dem Dicken zur Seite gestellt war und von ihm lernen sollte. »Anscheinend hat er seinen Wohnsitz nicht umgemeldet. Das scheint unser Täter nicht mitbekommen zu haben. Er hat die Adresse aus dem Melderegister oder aus dem Verzeichnis vom Platzwart.«
»Irgendein Hinweis auf den, der die Wohnung vor euch besucht hat?«, fragte Berendtsen.
»Nichts was ins Auge springt.« Er zog die Schultern hoch. Aus dem Doppelkinn wurde ein dreifaches. Er griff in seine Hosentasche und förderte ein ordentliches Taschentuch zutage, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Anschließend befreite er sich von seinem Anorak und hielt ihn über dem Arm. »Wir haben mehrere Fingerabdrücke genommen. Sie sind bereits in der KTU.« Aus der anderen Hosentasche holte er die Schlüssel und legte sie Willi auf den Schreibtisch.
»Danke für eure Mühen. Wenn ich euch brauche, melde ich mich. Wenn euch noch etwas einfällt … Alles klar. Eines noch! Was haben diese Leute Nowiczek zu eurem Auftritt gesagt?«
»Wir haben sie gar nicht kennengelernt«, schmunzelte der Dicke. »Es ist ein Ehepaar, Rentner bereits. Die Frau liegt im Krankenhaus, er hat sie besucht. Das wissen wir von den Nachbarn. Er fällt in Ohnmacht, wenn er nach Hause kommt.«
»Vielleicht erreichen die Nachbarn sie vorher und können sie schonend vorbereiten«, hoffte das Mädchen.
»Es ist immer ein Schock für die Leute, wenn sie nach Hause kommen und finden die Wohnung nach einem Einbruch vor. Alles durchsucht. Sie brauchen lange, bis sie sich wieder in privater Atmosphäre wähnen. Wir haben das schon oft erlebt. Schließlich sind wir immer die ersten am Tatort. Nach den Einbrechern natürlich.«
»Alles klar. Wir sehen uns!«
»Bis dann.«
»Haben Sie DNA genommen?«, rief Berendtsen hinterher.
»Insgesamt sechs Proben von Umschlägen und herausgerissenen Schubladen. Die müssten dann vom Täter sein. Allerdings müssen wir bei den Alten noch die Gegenproben nehmen. Vom Tatort Schrebergarten haben wir nichts. Alles verbrannt. Was übrig war, haben die Kollegen heute Nacht schon eingesammelt. Die DNA vom Opfer hatten sie bereits sichergestellt. Sie ist schon ausgewertet. Der Mann war mehrfach wegen kleinerer Drogendelikte vorbestraft.
Berendtsen winkte kurz. Sie wussten, dass sie sich entfernen durften.
»Auf Wiedersehen, Herr Kommissar.«
»Dann ist Anschrift auf dem Personalausweis des Opfers veraltet. Der Mörder kannte offensichtlich die neue Adresse nicht. Er hat – wie auch immer – die Daten in dem Verzeichnis des Schrebergartens eingesehen«, überlegte Berendtsen. Er griff in seine Jackentasche und zog Gummibärchen hervor. Hallstein hatte inzwischen auch Geschmack daran gefunden.
Hallstein vermutete, dass der Täter bereits vor dem Attentat die Laube nach irgendetwas Bestimmten durchsucht hat. »Er hat es nicht gefunden und deshalb dieses riesige