Ich schätze seine Meinung und seine Arbeit. Er gehört zu den Männern in diesen Läden, auf die ich mich immer verlassen kann. Er würde nichts für sich behalten, nur um etwas besser dastehen zu lassen, als es eigentlich ist. Nein, er sagt jedem seine Meinung und macht sich damit nicht immer beliebt. Doch meistens interessiert es ihn nicht. Um genau zu sein habe ich es bis jetzt noch kein einziges Mal erlebt, dass es ihn interessiert hat.
Ein merkwürdiges Gefühl macht sich in mir breit, als ich an die Lieferung neuer Frauen denke, die in wenigen Tagen hier ankommen soll. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich darum kümmere. Doch dieses Mal kommt es mir so vor, als wäre es anders.
Ich kann es nicht genau beschreiben, doch das Gefühl ist da und lässt mich auch nicht mehr los. Und für gewöhnlich kann ich mich darauf verlassen.
1
Taylor
Immer wieder lasse ich ohne Unterbrechung die Fäuste auf die Schoner meines Bruders niederprasseln und reagiere mich so ab. Wie immer habe ich überschüssige Energie, die ich dringend loswerden muss. Und wie immer gibt es keinen besseren Weg für mich, als mit meinen Brüdern zu trainieren.
„Welche Laus ist dir denn über den Weg gelaufen?“, erkundigt sich Brad, als ich eine Pause einlege.
Schwer atmend stehe ich vor ihm und versuche meinen Herzschlag wieder zu beruhigen. Doch so leicht ist das nicht. Die letzten zehn Minuten habe ich ohne Unterbrechung auf ihn eingeschlagen und eingetreten.
Auch wenn ich ihn nicht ansehe, weiß ich dennoch, dass er mich aufmerksam betrachtet. Am liebsten würde ich die Augen verdrehen, doch das kann ich gerade noch verhindern. Es würde nur ein paar Kommentare nach sich ziehen, mit denen ich mich jetzt eindeutig nicht beschäftigen will.
Um genau zu sein weiß ich überhaupt nicht, ob ich das überhaupt irgendwann will.
„Wie kommst du darauf, dass etwas passiert ist?“, frage ich ihn stattdessen und hoffe, dass ich so das Thema wechseln kann.
Einige Sekunden beobachte ich ihn aus dem Augenwinkel, wie er mich einfach nur ansieht. Als ich mich nun doch in seine Richtung drehe, erkenne ich, dass er sich gerade noch so ein Lachen verkneifen kann. Die Fältchen, die sich um seinen Mund und seine Augen gebildet haben, verraten ihn eindeutig.
„Ich kenne dich. Daher weiß ich, dass du beim Training nur so abgehst, wenn etwas passiert ist. Also brauchst du gar nicht versuchen, dich herauszureden. Wie läuft es mit deinem Studium.“
„Habe ich abgebrochen.“
Brad bekommt große Augen und sein Mund öffnet sich ein Stück. Ich weiß, dass er normalerweise nie sprachlos ist. Doch gerade ist anscheinend genau das der Fall.
„Wann?“, bringt er schließlich heraus, als er wieder in der Lage ist, etwas von sich zu geben. Gleichzeitig höre ich die Überraschung in seiner Stimme.
Das kann ich verstehen. An seiner Stelle würde es mir auch so gehen. Doch ich gehe nicht näher darauf ein, da es eh nichts bringen würde. Ich wollte dieses Studium, doch vor ungefähr einem halben Jahr bin ich morgens aufgestanden und hatte das Gefühl, als würde ich in eine falsche Richtung laufen.
„Schon von ein paar Monaten“, antworte ich also.
Ich zucke mit den Schultern und signalisiere ihm so, dass es keine große Sache für mich ist. Und das ist es auch wirklich nicht. Doch in den letzten Monaten sind einige Dinge geschehen, die dafür gesorgt haben, dass ich noch einmal darüber nachgedacht habe. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass meine Familie mich braucht.
Ich habe zwar immer noch kein Interesse daran, dennoch ist es meine Familie und die kann ich nicht einfach im Stich lassen.
Und was soll ich sagen? Ich gehöre zu den Männern, die sofort handeln.
„Ich kann es nicht glauben“ erklärt er wieder und scheint ungläubig zu sein.
Noch immer steht er vor mir und scheint darüber nachzudenken, was er sagen soll. Doch weit kommt er nicht.
„Was kannst du nicht glauben?“, ertönt in der nächsten Sekunde die Stimme unseres älteren Bruders Cody von der Tür.
Neugierig drehe ich mich zu ihm und erkenne, dass er sich im Rahmen angelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt hat. Aufmerksam betrachtet er uns, als würde er so herausfinden wollen, worüber wir uns unterhalten.
„Unser Superstudent hat sein Studium aufgegeben“, verkündet Brad und grinst dabei von einem Ohr bis zum anderen.
Einen Moment sieht unser Bruder uns abwechselnd an. Doch dann stößt er sich von dem Türrahmen ab und kommt langsam auf uns zu.
„Du hast aufgegeben?“
Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an.
„Jetzt fang´ du nicht auch noch an“, seufze ich.
Ich fahre mir über das Gesicht und hoffe, dass sie den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen und mich damit in Ruhe lassen. Allerdings kenne ich meine Brüder und weiß daher, dass sie das sicherlich nicht machen werden.
„Womit? Ich interessiere mich nur für den Grund.“
Mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck sieht er mich an. Doch ich kenne Cody gut genug um zu wissen, dass er das eindeutig nicht ist.
„Es gibt keinen Grund. Es hat sich einfach nicht mehr richtig angefühlt.“
Ich knurre die Worte mehr, als das ich sie wirklich ausspreche. Meine Brüder lassen mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Ich erkenne das vergnügte Funkeln in ihren Augen und würde mich am liebsten auf sie stürzen. Und wenn ich ihre Gesten richtig deute, wissen sie das auch.
„Es hat sich also nicht mehr richtig angefühlt.“
Seine Worte sorgen dafür, dass es nicht mehr lange dauert, bis mir die Hutschnur platzt. Wütend sehe ich ihn an.
„Bist du ein verdammter Papagei?“, frage ich ihn mit angespannten Muskeln.
Cody antwortet nicht, sondern lacht nur.
„Seit wann bist du so empfindlich? Ich ziehe dich doch nur ein wenig auf. Die Hauptsache ist, dass es dir damit gut geht. Aber vielleicht willst du es mir trotzdem irgendwann verraten.“
„Es gab dafür keinen Grund. Auf jeden Fall keinen großen. Nach dem ganzen Drama mit Rachel war es einfach nicht mehr das Richtige. Ich habe das vorher schon gedacht. Aber man kann sagen, dass ich mir danach sicher war.“
Ich zucke mit den Schultern. Meine Brüder sehen sich an, als würden sie etwas sagen wollen. Doch dieses Mal komme ich ihnen zuvor.
„Wie waren eure Flitterwochen?“, erkundige ich mich stattdessen.
„Such dir ein Mädchen, heirate sie und fahr mit ihr in den Urlaub. Dann wirst du wissen, wie Flitterwochen sind“, erwidert Cody grinsend.
„Später vielleicht, jetzt muss ich mich erstmal um die neuen Mädchen für den Club kümmern, die heute Abend ankommen“, verkünde ich genervt.
„Weißt du, es gibt Momente, da bin ich froh, dass du angeboten hast, dich um die Läden zu kümmern. Ich hätte keine Lust dazu. Ganz davon abgesehen bin ich mir sicher, dass Rachel auch nicht begeistert davon wäre.“
Nun verzieht Cody das Gesicht, sodass Brad und ich lachen müssen.
„So ist das, wenn man verheiratet ist. Die Frauen haben uns an der kurzen Leine und bestimmen unser Leben. Das ist der Grund, wieso ich niemals eine feste Beziehung eingehen werde“, erklärt Brad.
„Ich bin mir sicher, dass es da draußen auch keine Frau geben wird, die es mit dir aushält“, verkünde ich nun.
„Eigentlich bin ich relativ pflegeleicht.“
Mit