Irgendetwas blitzte in seinen Augen auf. »Ihr Frauen steht doch drauf.« Er machte einen Schritt auf mich zu. »Auf selbstbewusste Männer, die zeigen, wo es langgeht.« Ein weiterer Schritt. »Wilder, hemmungsloser Sex, bei dem der Mann die Zügel in die Hände nimmt.«
Schluckend reckte ich mein Kinn. »Ich stehe nicht auf Fifty Shades of Grey.«
Er zeigte mir ein verschmitztes Grinsen. »Aber anscheinend auf einen echten Kerl.«
Obgleich ich solche aufgeblasenen, selbstverliebten Macker zum Tode nicht aushielt, hatte dieser etwas an sich, das mich erreichte. Irgendetwas, das in mich drang.
Eines war aber klar: Weder lag es an dem bescheuerten Gelaber, dem Aussehen, der Selbstsicherheit noch der Stimmlage.
Bloß, was genau –
Abrupt fiel es mir auf: Seine Wirkung hatte Schuld daran.
Zwar verhielt sich Mr. Bravo wie ein Macho. Seltsamerweise strahlte er das exakte Gegenteil aus: Loyalität, Achtung und Respekt.
Wie der Ausdruck in seinen Augen vorhin.
»Schon möglich.« Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Aber bestimmt nicht auf Sie!«
»Ganz sicher?« Ein weiterer Schritt.
Ich wich zurück. »Lieber einen George-Clooney-Waschlappen, anstatt einen draufgängerischen Macker.«
Ich durfte erst gar nicht anfangen, für diesen Sack Sympathien zu entwickeln – dies passierte mir nämlich jedes Mal ohne mein Zutun oder meine Einwilligung. So geschehen bei meinem Ex – und anderen männlichen Egoisten, die mich wie eine heiße Kartoffel hatten fallenlassen, ehe überhaupt etwas passiert war.
Johnny verzog das Gesicht. »O Mann! Ihr Weiber steht echt alle auf die gleichen Langweiler.«
»Besser für uns. Dann fallen wir wenigstens nicht auf aufgeblasene Machotypen herein.«
Sein Blick wurde giftig. Dies war äußerst gut an seinen hübsch geschwungenen sich bedrohlich nach unten ziehenden Brauen zu erkennen, durch welche seine strahlenden Augen eine längliche Form annahmen, was wiederum diesen verdammten Feschak nochmals attraktiver machte.
»Ist schon witzig. Auf der einen Seite verlangt ihr nach einem Macho, auf der anderen nach einem Softi, der mit euch In den Schuhen meiner Schwester ansieht und Heulkrämpfe erleidet. Ein solcher Mensch existiert in Wirklichkeit aber nicht. Also entscheidet euch besser einmal.«
Grundgütiger!
Ich unterdrückte einen aufwallenden Brechreiz.
Psychologische Weiberfilme und Drecksschnulzen, die im Cineplexx unter die Rubrik Ladys Night fielen, stellten für mich die größte Qual des Jahrhunderts dar – von Hämorrhoiden, Menstruationskrämpfen und Blasenentzündungen einmal abgesehen.
Ich zeigte ihm einen Vogel. »Wer zieht sich schon diese bescheuerten Schinken rein? Das ist ja Folter!«
Er gestikulierte zu mir. »Na du, wahrscheinlich.«
Ja, ging’s denn noch?!
»Erstens wissen Sie nichts über mich und zweitens sind wir noch lange nicht per Du!« Dies gesprochen machte ich auf dem Absatz kehrt und steuerte meinen Bungalow an.
Was bildete sich dieser Kerl ein?!
Mich als eine solche elendige, verweichlichte, heulende, nichtsnutzige Dreckstusse abzustempeln … am liebsten hätte ich ihm seine gut aussehende Fresse poliert!
Meine Wut wuchs und wuchs. Das Herz hämmerte, meine Wangen fühlte sich zunehmend heißer an.
Ich betrat den Holzsteg.
Das hatte mir gefehlt! Für die restlichen vier Tage mit diesem Volldouche bestraft zu werden!
Das durfte einfach nicht wahr sein!
Hörbar atmete ich durch, rieb mir über die Stirn und sammelte mich.
Nicht aufregen. Einfach nicht aufregen. Es hätte beträchtlich schlimmer kommen können.
Jetzt blieb einzig zu hoffen, dass dieser Arsch die meiste Zeit irgendwelchen sportlichen Aktivitäten frönte. Der Körperbau schloss jedenfalls darauf. Oder womöglich liebte er es, zu tauchen und zu schnorcheln.
Was auch immer er tat, Hauptsache er verbrachte den gesamten Tag nicht neben mir auf der Sonnenliege!
Theo konnte es noch immer kaum fassen. Das heiße Fahrgestell vom Wiener Flughafen! Und wie heiß! Verdammt heiß! Einem solchermaßen durchtrainierten Körper begegnete man äußerst selten. Und erst der sexy dunkelrote knappgeschnittene Bikini … ein einziger Männertraum. Konnte das tatsächlich Zufall sein? Oder war sie etwa ein Spion, den man auf ihn angesetzt hatte? Die letzte Aktion hatte ihm nicht eben Freunde eingebracht – weder in Dubai noch in anderen von Terroristennetzwerken umsponnenen Großstädten der Welt.
Wie Wien.
Diese Hauptstadt stellte – unmittelbar nach Berlin – eine inoffizielle Hochburg dar. Brüssel lag zwar an erster Stelle, wenn es um Terrorangriffe und Terroristendichte in Europa ging. Dessen ungeachtet wurde von allen Herren Ländern aus koordiniert.
War das Vollblutsweib womöglich ein Spitzel? War sie auf ihn angesetzt worden? Hatte sie ihn bereits von Wien aus verfolgt?
Nein.
Dann hätte sie nach ihm eintreffen müssen. Des Weiteren wusste niemand Bescheid über seinen Urlaub auf den Malediven – bis vor wenigen Stunden nicht einmal er selbst. Kurzfristiger hätte seine Auszeit niemals ausfallen können.
Er schüttelte den Kopf.
Was dachte er da überhaupt?
Hier gab es keine Terroristen!
Es wurde wirklich Zeit, auf andere Gedanken zu kommen und den Stresspegel abzubauen – die Seele baumeln lassen, schlafen, sich von einer hübschen, vollbusigen Schönheit massieren lassen …
Außerdem: Eine mauerverbeißende Zicke wie diese war niemals Agent, Spitzel oder Terrorist. Die war günstigstenfalls sexuell frustriert oder frisch geschieden.
Aber falls dies zutraf, was machte sie dann, in Gottes Willen, hier auf den Malediven?
Und was zum Henker tat er eigentlich hier?
Er blickte sich um.
Verliebte Pärchen und alte Säcke, wohin man sah …
Dabei wollte er Party und Sex!
Scheiße.
Und die einzige Möglichkeit eines One-Night-Stands musste selbstverständlich in Form dieser Furie daherkommen!
Fuck.
Weshalb musste das Leben stets derartig grausame Züge annehmen?
Seufzend machte er es sich auf seiner Liege bequem.
Mehr konnte er jetzt ohnehin nicht tun.
Doch!
Beten.
Beten, dass diese Frustrierte sich nicht jeden Tag auf dem Strand herumtrieb.
Da würde nämlich er liegen. Den ganzen Tag – und zur Abwechslung ein wenig Schwimmen und ein paar Eigengewichtsübungen absolvieren.
Hoffentlich liebte sie es zu tauchen und zu schnorcheln. Schließlich gab es genügend Möglichkeiten, wie sie ihre Freizeit verbringen konnte. Nur bitte nicht neben ihm am Strand liegen!
Bitte Gott!
Bis zum Abendessen vertrieb er sich die Zeit mit Schlafen.