Ich blickte versonnen in die Glut des vergehenden Feuers. Vielleicht war ITZ ja doch nicht wuki. Ja, er kam von weit her. Davon zeugt auch seine dunkle Haut, die bis jetzt auch nicht bleicher geworden war. Ja, auch viele von uns werden in der Sonne dunkel. Manche, vor allem die mit hellen rötlichen Haaren, bekamen nur eine rote Haut und Schmerzen, als ob sie sich verbrannt hätten. Doch wenn wir nicht mehr in der Sonne sind, verblasst unsere Haut relativ schnell. ITZ war noch immer ganz dunkel obwohl er kaum in der Sonne war. Es war nicht, dass er die Sonne gemieden hätte, nur in letzter Zeit hatte sich die Sonne kaum gezeigt. Gelegentlich regnete es, aber der Himmel war fast immer mit Wolken verhangen. Unsere Anführerin beteuert, dass dies normal sei. Ich war ja bisher immer mit den Rentieren gezogen. Nur dieses Mal waren ich mit ihr und einigen anderen im Winterlager geblieben, aus diesem Grund war uns das Wetter fremd. Auch ERU, der einmal wegen einer Verletzung hierbleiben musste, beteuert, dass dies für diese Gegend normal sei. Wegen des Regens wuchsen auch die Bäume so schnell. Vor vielen Jahren war weit um unser Winterlager nur Gras zu sehen. Jetzt wuchsen Büsche und junge Bäume bis zu unseren Behausungen. Meine Überlegungen wurden durch die Ankunft von ORDU unterbrochen.
Er hebt die Hand zum Zeichen der Begrüßung, wie es in den alten Zeichen der Jäger üblich war. ITZ erwidert den Gruß, was ORDU lächeln lässt. Ja langsam begriff ITZ auch die Zeichen der Jäger. Mein Gefährte hatte einen Hasen erlegt. Außerdem hatte er in ein großes Blatt eingewickelt einige Handvoll rote Beeren mitgebracht. Während wir die Beeren verzehren zeigt ITZ ORDU sein Werk. Ich beginne den Hasen zum Braten herzurichten. Währenddessen versuchte ITZ mit ORDU eine Diskussion über das neue Erzeugnis. ITZ nannte es Netz. ORDU war weniger an Fischen interessiert, sondern dachte eher damit größere Tiere zu fangen. Da die Sprache noch versagte rissen sie bei ihrer Besprechung einige Fäden entzwei. Das fand ich gar nicht lustig. Um das zu reparieren, muss ich die Verdrehung lösen, die Haare erneut zerzupfen, und neu verdrehen. Kurz entschlossen nahm ich ihnen die Wolle weg. Darauf begannen sie mit Stäbchen am Boden zu zeichnen. In der Zeit konnte ich den Hasen endlich über das Feuer bringen. Bevor der Hase fertig war, brachte ITZ noch eine große Menge Feuerholz. Nach dem Essen verabschiedete sich ITZ mit dem Gruß der Jäger.
Kapitel 3
ORDU begab sich am nächsten Tag zu unserer Anführerin. Er wollte das Netz, wie ITZ es nannte, für die Jagd auf Schweine bekommen. Doch ATOA ist eine kluge alte Frau. „Dafür ist die Wolle sicher zu schwach, lass dir etwas anderes einfallen.“ Sie kam, über ihr ganzes faltiges Gesicht lächelnd zu mir. Ich musste ihr über meine Fortschritte beim Spinnen der Wolle genau berichten. Dann lachte sie. „Wir wollen einmal sehen, wie sich das sogenannte Netz sich bei den Fischen bewährt. Wie weit bist du?“ Darauf wusste ich keine Antwort, da ich den Bedarf von ITZ nicht kannte. Nach kurzem Stottern sagte ich: „Ich kenne die Größe des Netzes nicht.“ Ich dachte an so etwas wie einen Beutel, in dem die Fische eingeschlossen werden sollten. Da ich aber mit ITZ noch nicht darüber gesprochen hatte, was nicht nur auf seine Schwierigkeiten mit unserer Sprache zurückzuführen war, sondern weil mit der Zubereitung eines Hasen beschäftigt war, zuckte ich die Schultern. Übrigens, auch ein Zeichen der alten Jägersprache. Die Falten im Gesicht unserer Anführerin hüpften beim Lachen auf und ab. „Wolle für ITZ, aber keinen Faden für ORDU. Hast du mich verstanden?“ Ich bejahte und unsere ATOA verließ mich.
ORDU war nicht begeistert, als ich ihm Wolle verweigerte. Da ATOA beschlossen hatte, dass ITZ das Netz möglichst rasch fertig stellen sollte, war ITZ fast immer bei uns. Auch am Abend als ORDAIA schon schlief knotete ITZ noch an dem Netz. ORDU oder ich mussten ihm zu Hand gehen. Das Ding wurde immer länger und ich hatte Mühe die benötigte Wolle zu spinnen. Also musste vor allem ORDU ihm bei allem Weiteren helfen. Ich spürte, wie sich eine Spannung aufbaute. Doch ich muss zugeben, wenn mir ITZ das alte Zeichen der Jäger gegeben hätte, wäre ich mit ihm in die Büsche gegangen. In unserem Heim wohnen wir nur unseren Gefährten bei, doch im Freien sind wir nicht so gebunden. Wie dem auch sei, ITZ beherrschte entweder die alte Sprache noch nicht, oder er wollte mich nicht. Jedenfalls wurde das Netz geknüpft.
Als es fertig war, gab es einen sehr verärgerten ORDU. Auch ich war nicht in bester Stimmung. ORDU wohnte mir schon seit Beginn der ganzen Zusammenarbeit mit ITZT nicht mehr bei und auch ITZ machte keine Anstrengungen in diese Richtung. ORDAIA half ITZ mit großem Eifer, worauf ORDU seine Tochter nun auch kaum mehr beachtete. Das belastete mich sehr. An einem Morgen traf ich ATOA. Die Falten in Ihrem Gesicht lächelten mir zu. „ORDA, dies ist sicher nicht leicht für dich. Willst du reden?“ Ja, das wollte ich. Aus mir brach all die aufgestaute Frustration hervor. ATOA hörte nur zu. Dann sagte sie nach einigem Überlegen: „ORDA es ist schön für eine Frau von zwei Männern begehrt zu werden.“
Das war nicht mein Problem und da mir nichts einfiel schwieg ich. „Nun ja, dann hast du das andere Problem. Keiner will dich.“ Das traf den Punkt zwar nicht genau, aber war in die richtige Richtung. Also nickte ich leicht. „ORDA, wenn Männer nichts zu tun haben, sind sie hinter jeder Frau her. Wenn sie glauben eine Aufgabe zu haben, zum Beispiel eine Jagd, dann blenden sie alles andere aus. Wohnt dir ORDU vor einer Jagd bei?“ „Nein, das tut er nicht.“ „Dann sieh es so. Dies kann eine neue Art der Jagd bedeuten. Es ist wichtig für den Clan. Warum glaubst du, sind wir nicht den Rentieren nachgezogen.“ „Das weiß ich eigentlich nicht. Ich hätte auch auf der Wanderung Wolle spinnen können.“ „Gute Überlegung. Aber wie hätten wir neue Schaffelle bekommen können? Wie hätte uns der Nachbarclan gefunden?“ „Sicher im nächsten Winter, wenn wir wieder in unser altes Lager zurückgekehrt wären. Vorher eher nicht.“ „Eben.“ ATOA sagte zu mir: „ITZ braucht nur noch zwei geflochtene Fäden, dann können wir das Netz erproben. Also lassen wir ihn machen.“ Wir machten es, wie es sie es uns empfohlen hatte.
Dann kam der große Augenblick, als wir das Netz zum ersten Male probierten. ITZ rammte einen Holzpflock nahe dem Ufer in den Boden. Dann spannte er das Netz bis die obere geflochtene Schnur straff im Wasser lag. Er bedeutete ORDU einen weiteren Pflock zu bringen. Mit diesem spannte er das Netz. ITZ tauchte unter, dann bedeutete er uns, dass er Steine brauche. Irgendwie befestigte er diese am Netz. Zufrieden stieg er dann aus dem Wasser. Mir fiel auf, dass er, obwohl das Wasser ihm fast bis zur Brust ging, watete, und nicht zu schwimmen versuchte. Mit wenigen unbeholfenen Brocken unserer Sprache und einigen Zeichen teilte er uns mit: „Morgen Fisch essen.“ ATOA hob die Hände geöffnet zum Himmel. „So DONI will.“
Schon beim ersten Morgengrauen wollten wir zum Weiher eilen, doch ITZ schüttelte den Kopf. Er bedeutete uns, dass bei diesem Licht, die Fische die Maschen des Netzes noch nicht sehen könnten, also wären noch einige Fänge zu erwarten. Als sich die Sonne am Himmel hob, führte ITZ uns zum Weiher. Er stieg ins Wasser, dabei schüttelte er sich. Vermutlich war ihm kalt. Er löste die Schnur vom Pflock und deutete ORDU das Netz einzuziehen. Tatsächlich waren einige Fische darin. Sie hingen mit den Kiemen im Netz fest. Allerdings waren sie alle nicht besonders groß. Auf diese Beute hätten wir mit der Harpune nicht geworfen. Vorsichtig löste ITZ sie aus dem Netz. Dann spannte er mit ERU das Netz zwischen zwei Bäumen auf. In dem Netz waren drei große Löcher. Dies schien ITZ jedoch zu erfreuen. Er bedeutete uns, dass auch noch große Fische für unsere Harpunen da seien. Die ausgelösten Fische schnitt ITZ mit einem Steinmesser auf. Er schaute sich die Eingeweide an. Dann zeigte er auf ATOA. Diese sah sich die Eingeweide an. Ich denke zuerst hat sie wohl auch auf eine Schau in die Zukunft gedacht, aber dann zeigte ITZ auf die Eier im Fisch. Er nickte mehrmals. Dann deutete er auf den Fisch und machte das Zeichen für das Beiwohnen. Unsere Anführerin bekam zuerst einen roten Kopf, doch dann nickte sie. Sie erklärte uns. „Diese Fische können sich vermehren, sie sind alt genug um uns als Nahrung zu dienen. Wir schlachten auch keine jungen Rentiere, sondern nur solche, die ausgewachsen sind.“ Dann zeigte ITZ auf einen langen Fisch. Dort war nichts für uns Auffälliges zu sehen. Mühsam erklärte er uns, dass wir diesen Fisch, würde er noch leben, besser freigelassen hätten.
Die gebratenen Fische waren ein seltener Festschmaus. Alle waren zufrieden, bis auf unsere ATOA. Denn warum hätte sie sonst zu einem Ting gerufen? Nachdem ein Feuer in der Mitte