Was verbirgt sich hinter dem begabten Fälschergenie? Konrad Kujau – landesweit bekannt als Meisterfälscher - fühlt sich gut. Ein bisschen Robin Hood muss sein, ein bisschen Robin Hood ist er gern. Ein Schlitzohr mit Herz gewissermaßen. So ganz einfach ist er nicht zu nehmen, dieser Konrad Kujau. Zu viele haben schon versucht auf seine Kosten ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Und ein bisschen eitel ist er ja auch - wenn da einer kommt, und ihn versucht nachzuahmen, fühlt er sich schon persönlich beleidigt.
Wie sehen sie aus, seine Erinnerungen? Nicht mal so sehr die an die Hitlertagebücher - das war sein Coup, das hat ihn aber auch einige Jahre seines Lebens gekostet, die er hinter Gittern verbringen musste. Vielmehr die an seine Jugend in Löbau. Damals, als er sich Postkarten von Ulbricht und Pieck besorgte, ihre Unterschriften fälschte und diese „Originale“ an Leichtgläubige verscherbelte.
„Hätten die nachgedacht, hätten sie wissen müssen, dass bei dieser Anzahl von Autogrammen was nicht stimmen konnte. Da hätten die in Berlin ja sagen müssen „He, heute schließen wir, lassen die Politik mal sein und unterschreiben dem Kujau ein paar Karten“, das war unmöglich“ sagte er einmal und lehnt sich zufrieden zurück. Oder wie er die Trottel ausgetrickst hat mit seinen Westfahrrädern: gebrauchte gekauft, Aufkleber in Berlin besorgt, aufgepeppt mit neuen Teilen aus Görlitzer Läden, verziert mit Originalaufklebern aus der Westzone und das ganze Stück für 300 Mark weitergegeben. Wer sich das leisten konnte – so seine Überlegung - der hatte es nicht anders verdient. Fälschen kann eine hohe Kunst sein. Das wissen Liebhaber des Schönen, Guten und Wahren spätestens seit 1983, als der kolossale Kopist Konrad Kujau Deutschland einen der folgenreichsten Fälscher-Skandal seiner an Klitterungen ohnedies reichen Geschichte bescherte.
Kurz vor seinem Tod wollte Kujau übrigens noch als Bürgermeister in seiner Heimatsatdt Löbau kandidieren. Gewählt hätten ihn sicherlich viele der braven Sachsen.
Zurück zu den Tagebüchern. Heidemann hatte diese also vom damaligen Militariahändler und Kunstmaler Konrad Kujau bekommen. Der hatte erzählt, dass DDR-Generäle die Kladden gegen harte West-Mark verkauften. Sie wären in Sachsen gefunden worden, wo die letzte „JU“ abgestürzt sei, die u. a. mit Hitlers Diener 1945 aus dem eingekesselten Berlin gestartet sei... Heidemann und führende „Stern“-Herren bissen an. Kujau machte - sich mit Spucke‚ Asche, Schleifpapier und seiner phänomenalen Fälscher-Begabung ans Werk: „Ich habe einfach drauf zu geschrieben.“ Das war der Illustrierten für eine lange Serie insgesamt 9,34 Millionen Mark wert. Oberflächliche Gutachten hatten die Kladden mit den seltsamen Initialen „FH“ (Führer Hitler) für echt befunden. So der britische Historiker Hugh Trevor-Roper,
der am 4. April 2003 im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Trevor-Roper verbürgte sich für die Authentizität der 60 Bände in Sütterlin-Schrift. Davon hat sich Trevor-Ropers Reputation nie mehr erholt. Seine Aussagen, gespickt mit Kommentaren wie „Muss für Eva noch Karten für die Olympischen Spiele besorgen“ sorgten europaweit für Heiterkeitserfolge.
63 angeblich von Hitler verfasste Tagebücher verkaufte er über Heidemann an den „Stern“. Übernacht avancierte der Filou zum Weltstar. Im anschließenden Prozess wurde er jedoch zu mehr als vier Jahren Gefängnis verurteilt. Von denen er aber nur 3 Jahre hinter Gittern zubrachte, da er sehr schwer an Kehlkopfkrebs erkrankte.
Konrad Kujau überwand die schwere Krankheit und lernte wieder sprechen. Stets umschwärmt von der internationalen Presse, stand er abwechselnd als Koch, Fernsehmoderator, Galeriebesitzer, Kneipenwirt und Buchautor im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Kujau vorwiegend als Maler in seinem Atelier. Gejagt zum Erfolg durch grenzenlose Kreativität, vergaß er völlig seine Gesundheit. Konrad Kujau starb am 12. September 2000 in Stuttgart nach einem schweren Krebsleiden.
Der listige Fälscher Konrad Kujau ist tot. Die Hinterbliebenen des Debakels schieben sich auch heute noch leidenschaftlich die Schuld zu. Da sind der erfolgsbesessene Reporter Gerd Heidemann, die vermarktungslüsternen Verlagsmanager und die eilfertigen Experten, die von der erhofften Bedeutung des Fundes ergriffen waren. Und da sind die Warner - die nicht gehört wurden.
Das Aktendepot Hitlers, ein geheimnisvoller Flugzeugabsturz, Heidemanns Einbildung von Bormanns Doppelgänger und Görings Yacht: Reale und irreale Zutaten der Affäre sind die eines Thrillers. Lag der Fehler in der Geheimhaltungs-Paranoia der Verantwortlichen?
Die aufkommenden Zweifel sollten ausgeräumt werden: Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin untersuchte Papier und textile Fasern. Das Ergebnis am 6. Mai 1983: Fälschung! Der New Yorker Graphologe Kenneth Rendell entlarvte die Fälschung mit einfachsten Mitteln innerhalb von wenigen Stunden. Der Stern hatte dafür über zwei Jahre Zeit gehabt. Wollte man, koste es was es wolle, an die journalistische Sensation des Jahrhunderts glauben? Eine nie dagewesene Blamage war die Folge.
Was wussten Geheimdienste schon vorher von dem drohenden Skandal? Zu beleuchten wäre da die Rolle des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann (CSU). Dieser wusste bereits vier Wochen vor der „Stern“-Veröffentlichung von der Fälschung. Aber da der „Stern“ eher linksgerichtet war, verschwieg Zimmermann tunlichst sein Wissen. Nach der Veröffentlichung schlug er aber mit einer Pressemitteilung dann geballt zu.
Am 21. August 1984 beginnt der Prozess vor dem Hamburger Landgericht der Illustrierten „Stern“ gegen Konrad Kujau, den Fälscher der 1983 veröffentlichten „Hitler-Tagebücher“, und den ehemaligen „Stern“-Journalisten Gerd Heidemann. Am 8. Juli 1985 das Urteil: Kujau bekam viereinhalb Jahre Haft, Heidemann zwei Monate mehr, der Ex-Reporter bekommt heute Sozialhilfe. Seine „Carin II“ wurde zwangsversteigert. Die Abfingung für die entlassenen Chefredakteure betrug 3,5 Millionen DM. Schulte-Hilten wechselte später in den Aufsichtsrat von Bertelsmann. Wo aber die fast 10 Millionen vom „Stern“ versilbert sind, ist bis heute noch ungeklärt. Doch es traf nicht nur den „Stern“. Hinterher waren auch andere blamiert, denn selbst Medienmogule wie Rupert Murdoch pokerten beim Ausverkauf von Hitlers angeblich weltbewegenden Aufzeichnungen mit.
Zum ersten Mal bekennen sich auch Vertreter von renommierten Blättern wie Sunday Times und Newsweek zu ihrer zweifelhaften Rolle bei dem Hitler-Veröffentlichungs-Geschäft. Des Führers 60 Kunstleder-Kladden „Hitlers Tagebücher“ zeigt darüber hinaus, dass schon vor 20 Jahren die Diskussion darüber eröffnet war, wieviel Raum die Medien der Hitler-Vermarktung geben sollten. Die Flut von Büchern, Filmen und TV-Dokumentationen spricht da eine deutliche Sprache.
„Publish“, so Rupert Murdoch, nachdem er bereits von der Fälschung erfahren hatte, und fügte danach hinzu: „after all we are in the entertainment business!“ – „Veröffentlichen! Schließlich sind wir im Unterhaltungs-Geschäft!“ Nach seiner Haftentlassung lebte Kujau gut mit ehrlicher Arbeit in Stuttgart. Hat seine Galerie, sein Restaurant, organisiert Modeschauen mit Dessous, die er sich selbst ausdenkt, schreibt Bücher. Manche Nacht malt oder zeichnet er drei Bilder, „fälscht“ Monet und Picasso, noch viel lieber aber produziert er Original-Kujaus. Wer den Lebensweg des Konrad Kujau beobachtet hat, weiß, dass es nicht nur eine Frage des Talents ist. Der Künstler ist nicht nur hochbegabt - ob als Maler