Als Lilly schlief. Ivy Bell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ivy Bell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086089
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und heute fragt da sowieso keiner mehr nach.

      Jan und Mia unterhalten sich, Jan hält meine Hand. Ich würde sie so gerne drücken, aber es geht nicht. »Ob sie uns gerade hören kann?«, fragt Mia Jan. Ich möchte schreien: »Ja, ja, ich kann alles hören, ich möchte so gerne mit euch sprechen, ich bin hiiier!!!!!«, aber ich kann mich nicht bewegen, überhaupt nicht. Obwohl ich versuche, meine Muskeln anzuspannen. Jan, der eben noch mit dem Daumen über meine Finger gestreichelt hat, hält kurz inne. »Ich glaube, Lilly hat gerade ein wenig ihre Hand bewegt, ganz leicht.« Mia und Jan sind ruhig, ich kann förmlich vor mir sehen, wie sie mich mustern und auf eine Regung von mir warten. Aber alle Anstrengung nützt nichts, ich kann mich kein Stück regen, so sehr ich es auch möchte. Ich bin eingesperrt in meinem Körper, der mir nicht mehr gehorcht. »Ich muss langsam gehen«, meint Mia. »Ich sitze auch schon seit 4 Stunden hier, ich muss mal etwas Essen gehen«, erwidert Jan. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und streicht mir über die Stirn. »Schlaf schön Lilly, werde gesund, und dann wach doch bitte, bitte auf, wenn ich nachher wieder komme«, flüstert Jan mir ins Ohr. Die beiden verlassen das Zimmer und ich bin alleine.

      Sophie steht im Badezimmer vor dem Spiegel und grinst. So erleichtert war sie schon lange nicht mehr. Ganz von alleine hat sich die Frage, ob sie sich in ein paar Monaten um ein drittes Kind würde kümmern müssen, erledigt, ohne Test. Sie war einfach ein wenig überfällig. Sie hätte ein weiteres Baby mit Sicherheit bekommen, sie ist zwar keine Abtreibungs-Gegnerin, aber sie selber könnte das nicht. So fühlt sie sich aber viel besser. Kein weiteres Kind, das heißt, sie kann endlich überlegen, wie ihr Leben weitergeht und womit sie zukünftig vielleicht auch etwas Geld verdienen möchte.

      Sophie geht aus dem Bad und sieht Oliver im Flur stehen, mit der Apothekentüte und dem Test in der Hand. Oliver fährt hektisch zu ihr herum »Schatz, du weißt, ich würde nie in deinen Sachen wühlen, aber Felix wollte seinen Teddy haben, der war in deiner Tasche und da ist diese Tüte heraus gefallen. Als ich sie aufgehoben habe, fiel ein Schwangerschaftstest heraus…. Na ja …nun frage ich mich natürlich, ob wir noch ein Kind bekommen…«. Er grinst schief und Sophie rutscht das Herz in die Hose. Er freut sich, und sie ist doch so erleichtert, dass sie um diese Sache herumgekommen ist. Das war eigentlich auch nie ein Thema, aber Oliver hat selber drei Geschwister und fand das immer toll. Sophie geht auf ihn zu. »Nein, ein drittes Kind bekommen wir nicht. Ich hatte den Test vor dem Unfall gekauft, das hat sich nun jedoch erledigt und ehrlich gesagt bin ich darüber auch ganz erleichtert.« Oliver seufzt »Ein wenig gefreut habe ich mich tatsächlich.« Sophie wuschelt Oliver durch die Haare. »Ich weiß, dass du Kinder liebst und ein super Vater bist, aber ich finde es so genau richtig, zwei Kinder und ein ungezogener Hund, das reicht doch, oder?« »Da hast du Recht, und jetzt muss Felix sich auch erst einmal wieder erholen.« Wie aufs Stichwort rasen Nele und Felix durch den Flur, beide mit einem Steckenpferd. Nele jagt hinter Felix her, Sophie sieht ihr an, dass sie extra langsamer ist als sonst, damit Felix sich nicht zu sehr anstrengt, aber der hat den Unfall erstaunlich gut weggesteckt. Seit er zu Hause ist, blüht er richtig auf. Seinen Teddy hat er sich unter den Arm geklemmt. Sophie hofft bloß, dass Frau Hartung sich nicht gleich wieder beschwert. Ihre Kinder rennen wirklich selten durch die Wohnung, aber wenn sie mal, so wie jetzt, durch den Flur hüpfen, dann wird meistens sofort von unten energisch mit einem Besenstiel gegen die Decke geklopft. »Diese Frau ist bestimmt schon erwachsen auf die Welt gekommen«, murrt Sophie. Sie läuft in die Küche und fängt an, Äpfel für einen Kuchen zu schneiden. Dabei summt sie vor sich hin. Backen entspannt sie immer sehr. Oliver sitzt am Küchentisch, lächelt sie an und schaut ihr zu. »Vielleicht hättest du damals doch Bäckerin werden sollen statt Buchhalterin. Das macht dir wenigstens richtig Spaß, und deine Kuchen sind die Besten, die ich kenne.« »Du bist befangen, das zählt nicht.« Sophie freut sich aber trotzdem über das Kompliment. Sie bekommt tatsächlich auch von Freunden immer wieder begeisterte Reaktionen auf ihre Backwerke. Sie liebt es, Rezepte ein wenig abzuwandeln, so dass die Kuchen gleich noch etwas besser schmecken. Nele und Felix stürmen in die Küche. Felix kuschelt sich an seinen Vater, in der Hand hält er einen Block und ein paar Stifte, im Arm seinen Teddy. Er kann die vielen Sachen gerade so halten. »Papa, malst du mit mir?«, bittet er und schenkt Oliver einen so treuherzigen Augenaufschlag, dass dieser nicht nein sagen kann.

      Nele schleicht um ihre Mutter herum. »Darf ich den Teig mit dir anrühren«?, fragt sie. Sophie freut sich und lässt ihre Tochter die Zutaten in eine Schüssel geben. Sie erklärt ihr genau, wie viel Mehl, Zucker, Eier usw. sie für den Kuchen brauchen. Dann knetet Nele den Teig, den sie schließlich in die Form füllen, mit den Äpfeln belegen und in den Ofen schieben. Nele ist begeistert »Mama, das macht so einen Spaß und du kannst viel besser erklären als Frau Voigt, die blöde Musiklehrerin.« Sophie schaut ihre Tochter an. »Also Musik ist ja auch was anderes als backen, warum magst du diese Lehrerin nicht?« »Eigentlich ist sie mir egal, der Unterricht ist bloß so langweilig und die Frau hat so eine heisere Stimme. Wahrscheinlich, weil sie in der großen Pause immer heimlich vor der Schule rauchen geht. Aber wir haben sie ausspioniert und das entdeckt.« Nele hat gerade Sommerferien, wird bald 8 und geht eigentlich gerne zur Schule. Sie ist stolz, dass sie nach den Ferien schon in die dritte Klasse kommt. Nur die Musiklehrerin ist ein ewiges Thema, sie ist langweilig, sie ist blöd, der Unterricht ist öde, das ist allerdings nicht nur Neles Meinung, sondern auch die ihrer Freundinnen. Aber vielleicht hat sie ja Glück und bekommt im neuen Schuljahr eine andere Musiklehrerin. Nele hüpft wieder in ihr Zimmer, Felix im Schlepptau, der genug gemalt hat. In der Küche duftet es herrlich nach Apfelkuchen, Fleck liegt in seinem Körbchen und nagt an einem Hundekuchen und Sophie ist endlich mal rundum glücklich. Allerdings spukt ihr die Aussage ihrer Tochter durch den Kopf, dass sie so gut erklären kann, viel besser als ihre Musiklehrerin. Vielleicht lässt sich damit in der Zukunft ja noch etwas anfangen?

      Eva ist sehr nervös. Es ist 17 Uhr, also noch nicht zu spät, um bei einer Familie mit kleinen Kindern zu klingeln. Am liebsten möchte sie die Treppe wieder herunterspringen und sich einfach in ihrer Wohnung verkriechen, aber das hieße ja, dass sie erneut in ihr altes Muster verfallen würde. Nein, sie muss ihr Leben endlich in die Hand nehmen, ein Leben, das sich auch so nennen darf. Nicht dieses Dahinvegetieren der letzten Jahre.

      Eva drückt entschlossen auf den Klingelknopf. Hinter der Tür bellt der Hund, dann hört sie eine Männerstimme. »Ruhig Fleck, setzt dich in dein Körbchen«, es raschelt und die Tür wird geöffnet. Herr Schulz guckt verdutzt. »Ja bitte, was möchten Sie?« Eva räuspert sich. »Ich würde gerne kurz mit Ihrer Frau sprechen.« Oliver dreht sich um, in dem Moment kommt Sophie schon zur Tür, sieht Eva und stutzt. »Entschuldigung, kennen wir uns?«, fragt Sophie. Eva glaubt erst, das sei die Rache für ihr schlechtes Benehmen in der letzten Zeit, ach was, in den zurückliegenden Jahren, aber dann wird es ihr schlagartig bewusst: Frau Schulz erkennt sie nicht. Sie war beim Friseur, hat sich die Haare färben und schneiden lassen, und trägt sie nun offen, haselnussbraun und halblang. Ein pfiffiger Pony fällt ihr weich in die Stirn, sie hat Make-up aufgelegt und ein Sommerkleid angezogen. Wie soll Frau Schulz sie da auch wieder erkennen, sie hat sie immer nur mit biestigem Gesichtsausdruck, den ewig praktischen, langweiligen Hosen und einem braun-grauen Zopf gesehen. Eva grinst und hält Sophie die Blumen hin, die sie noch besorgt. »Eva Hartung, ich wohne unter Ihnen und ich möchte mich wirklich entschuldigen für den ganzen Stress, den Sie mit mir hatten. Es tut mir ehrlich leid, vielleicht haben Sie mal Zeit und ich kann versuchen, Ihnen meine Situation zu erklären, aber …«, Eva gehen die Worte aus. Ihre Nachbarin mustert sie und sie hat keine Ahnung, was sich hinter der Stirn der hübschen Frau gerade abspielt. »Manchmal müsste man wirklich Gedanken lesen können«, denkt Eva. Sophie schaut zu Boden. »Das mit der Hexe tut mir sehr leid, das war nicht fair«, flüstert sie. Sophie lächelt breit. »Und jetzt passt es zumindest optisch auch gar nicht mehr zu Ihnen.« Die beiden Frauen sehen sich an und müssen grinsen. Sophie geht einen Schritt zur Seite und bittet Eva