„Ich bin ganz Ohr“, erwidere ich, auch wenn ich eigentlich keine Lust habe, mich schon wieder darüber zu unterhalten.
„Ich gehe mal davon aus, dass du dir keinen Ärger aus Deutschland mitgebracht hast. Deswegen kann es nur einen Grund für all das geben.“
Ich warte darauf, dass sie weiter spricht, doch das macht sie nicht. Katie liebt die dramatischen Pausen. Ich hingegen hasse sie. Und in dem Fall sogar noch mehr.
„Jetzt sag schon“, fordere ich sie auf, nachdem sie auch nach mehreren Sekunden noch nichts von sich gegeben hat.
„Es kann nur sein, dass du mit jemanden in Kontakt gekommen bist.“ Ich kann das Stöhnen nicht für mich behalten, was sich einen Weg meine Kehle hinauf sucht. Außerdem verdrehe ich die Augen, wobei ich aber froh bin, dass sie das nicht merkt.
„Ich habe die ganze Fahrt über mit niemandem gesprochen und ich habe nichts in meinen Taschen gefunden, die dort nichts zu suchen haben. Sonst hätte ich es schon längst entdeckt und meinem Dad gegeben. Und nein, mein Koffer wurde auch nicht vertauscht, falls das deine nächste Frage wäre.“
Es ist ruhig in der Leitung. Vor meinem inneren Auge kann ich beinahe sehen, wie sie das Gesicht verzieht und über meine Antwort nachdenkt. Sie sucht nach einer anderen Lösung für das Problem.
„Hör zu, ich freue mich darüber, dass du eine Lösung versuchst zu finden. Aber das musst du nicht. Ich bin mir sicher, dass die Polizei schnell herausfinden wird, wer es war. Und es wurde in beiden Fällen ja nichts geklaut.“ Die letzten Worte murmle ich mehr vor mir her, als das ich sie wirklich sage.
Während ich spreche, fällt mein Blick auf einen dunklen Geländewagen, der dem, den ich vor unserem Haus und in der Stadt beobachtet habe, verdammt ähnlich sieht. Sofort bleibe ich stehen, als wären meine Füße plötzlich mit dem Boden verwachsen. Er fährt gerade um eine Ecke und ist schon bald verschwunden. Doch genauso, wie ich mir vorhin sicher war, dass es nicht der Wagen war, so bin ich mir jetzt sicher, dass er es ist.
„Harley? Bist du noch dran?“, fragt mich Katie und zieht meine Aufmerksamkeit so auf sich.
„Ja“, murmle ich.
„Bist du dir sicher? Du scheinst plötzlich ganz woanders zu sein.“
„Erinnerst du dich noch an den schwarzen Geländewagen, der am Strand war?“ Meine Stimme klingt vorsichtig, doch meine Augen beobachten noch immer die Stelle, an die der Wagen verschwunden ist.
„Ja, es ist ja erst zwei Tage her“, antwortet meine Freundin.
„Er ist wieder da.“
„Was?“ Ihre Stimme ist so schrill, dass ich mein Handy ein Stück entfernt halten muss, da ich die Befürchtung habe, dass ich sonst einen Hörschaden bekomme. „Wo bist du? Ich komme sofort.“
„Musst du nicht arbeiten?“
„Nein, heute habe ich ausnahmsweise mal einen freien Tag. Dafür habe ich die letzten drei Wochen aber auch durch gearbeitet.“
„Genieße ihn. Du brauchst nicht extra zu kommen. Ich bin mir sicher, dass ich mich nur vertan habe. Schließlich gibt es zahlreiche Autos in der Stadt. Sie ist zwar nicht riesig, aber dennoch groß genug, damit hier mehr als zwei Autos herumfahren, die sich ähneln.“
„Du spielst die Detektivin und ich soll meine Auszeit genießen. Dir ist schon klar, dass das nicht sehr fair ist, oder?“
„Ich spiele nicht.“ Ich versuche meinen Einwand so laut und sicher wie möglich von mir zu geben. Aber sogar ich merke, dass das nicht klappt. Katie und ich haben uns in den letzten Jahren nicht sehr oft gesehen. Doch wir haben uns jeden Tag geschrieben und regelmäßig miteinander telefoniert. Deswegen bin ich mir sicher, dass sie durchaus merkt, dass ich mit meinen Gedanken eigentlich ganz woanders bin.
„Der Vater ist ein Cop und sie will mir wirklich vormachen, dass sie nicht spielt. Schick mir eine Nachricht und wir treffen uns da.“ Kaum hat sie ausgesprochen, legt sie auf. An dem Ton ihrer Stimme kann ich erkennen, dass es auch gar nichts bringen würde, wenn ich ein Argument dagegen vorbringe.
Deswegen schicke ich ihr meinen Standort, auch wenn ich mir sicher bin, dass es nichts bringen wird.
Dennoch muss ich zugeben, dass die letzten Sekunden wieder den Gedanken in mir heraufbeschworen haben, dass etwas nicht stimmt. Mein Verstand sagt mir, dass ich es nicht vor meinem Dad verheimlichen sollte. Aber ich will nicht, dass er sich Sorgen macht, wo wahrscheinlich nicht einmal ein Grund ist. Deswegen schiebe ich die Möglichkeit entschieden zur Seite.
Und sollte es doch so sein, kann ich es immer noch machen.
7
„Ich glaube, ich habe mich geirrt“, räumt Katie vorsichtig ein.
Überrascht über ihre Worte schaue ich sie an. Ich kann es nicht für mich behalten, doch das will ich auch überhaupt nicht.
„Wobei?“ Ich kenne die Antwort auf meine Frage, doch ich will sie aus ihrem Mund hören. Zusammen sitzen wir auf einer Bank direkt an der Straße und beobachten die vorbeifahrenden Autos. Doch obwohl wir uns nun seit zwei Stunden hier befinden, ist der Wagen nicht wieder aufgetaucht.
„Du hattest recht und ich habe übertrieben. Aber ich fand die Vorstellung cool, dass endlich mal etwas passiert. Ich liebe die Stadt, doch manchmal kann sie extrem langweilig sein, vor allem im Vergleich mit anderen.“ Sie verzieht ein wenig das Gesicht.
„Ich bin mir sicher, das noch mehr passieren wird. Und du wirst dich in der ersten Reihe befinden. Allerdings etwas, was vielleicht nicht ganz so abenteuerlich und auch gefährlich ist“, erwidere ich, greife nach meinem Kaffeebecher und stehe auf.
„Aber das ist doch gerade das, was den Reiz ausmacht.“
Ich lasse es mir nicht anmerken, doch innerlich muss ich ihr zustimmen. Auch wenn mir nicht gerade wohl ist, mich mit Verbrechern anzulegen.
Ich behalte es aber für mich. Stattdessen drehe ich mich um und gehe in die Richtung ihres Wagens. Schweigend folgt sie mir.
„Na gut, wenn wir hier schon nicht weiterkommen, werden wir uns jetzt auf die Suche nach einem Wagen für dich machen“, bestimmt sie.
„Bist du dir sicher, dass du nicht vielleicht den falschen Beruf gewählt hast? Für mich klingt das so, als wärst du bei der Polizei besser aufgehoben.“
„Nein, dann muss ich es ja machen. Und das wiederum würde dafür sorgen, dass es langweilig wird.“
„Privatdetektivin“, schlage ich vor.
„Ne.“ Katie verzieht das Gesicht und bringt mich so zum Lachen. Gleichzeitig muss ich aber auch wieder an Zane denken. Ich behalte es für mich, dass sie ja auch Kopfgeldjägerin werden könnte.
Als ich drei Stunden später mein Elternhaus betrete, habe ich noch immer kein Auto. Dafür hatte ich eine Menge Spaß mit meiner Freundin, wenn ich mal von den zwei Stunden absehe, in denen wir darauf gewartet haben, dass der Wagen wieder auftaucht. Obwohl wir uns nicht einmal einen Plan dafür zurechtgelegt haben, falls er doch wieder aufgetaucht wäre.
Da er das aber nicht ist, war es die Bestätigung für mich, dass ich es mir nur eingebildet habe. Gedankenverloren gehe ich in den Flur und will meine Schuhe ausziehen. Doch bevor ich so weit kommen kann, fliege ich über ein Hindernis, was mir im Weg steht. Ich schaffe es nicht mehr, mich festzuhalten, sodass ich der Länge nach auf den harten Boden falle und schmerzhaft das Gesicht verziehe.
„Verdammt“, fluche ich leise, während ich den Gegenstand begutachte, über den ich gestolpert bin.
Wie sich herausstellt, befindet sich an der Stelle, an der ich gerade noch gestanden habe, ein riesiger Karton.
„Harley“,