Der rote Champion. Marie Madeleine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Madeleine
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183168
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den Borndorf mit ,Rurik’ tadellos genommen hatte, machte ,sweet bieat’ einen Rumpler, der den roten Champion aus dem Sattel warf.

      Theas Hand, die das Fernglas gehalten, fiel schwer hernieder.

      Aus! — — Keine Chance mehr! — —

      Ihre schimmernden Zähne gruben sich tief in ihre Unterlippe.

      »Na, diesmal hat dein Borndorf gewonnenes Spiel!« sagte sie heiser zu ihrer Cousine.

      »Du! Hof ist ja wieder im Sattel!« Alice schrie beinahe vor Überraschung.

      Und durch die angestauten Menschenmassen ging ein wildes, verworrenes Rufen: »Hof!« »Der rote Champion.« Immer wieder wurde der Name des populärsten aller Herrenreiter geschrien, gebrüllt in allen Tonarten!

      Und immer geringer wurde der riesige Abstand zwischen ,Rurik’ und ,sweet beast’.

      Zwanzig Längen nur noch — — und schon waren es nur zehn — — — nur fünf.

      Bei der letzten Hürde lag nur noch eine Länge zwischen ihnen, und dann warf Hof mit übermenschlicher Gewalt sein Pferd vor, Borndorf weit hinter sich lassend. — —

      Und aller Augen sahen nur ihn, nur ihn, den roten Champion. Er hatte seine Mütze beim Sturz verloren; sein Haar hing ihm wie rotes Gold wirr in die Stirne hinein; aus einer Hautwunde an seiner linken Wange floss ihm ein breiter Streifen Blut am Gesicht herunter. Man sah nur ihn, — nur die weit ausholende Handbewegung, mit der er die Peitsche auf den Gaul niedersausen ließ, — — immer wieder, — mit automatischer Regelmäßigkeit klatschte sie nieder auf den schweißtriefenden Pferdeleib, — — und immer wieder — und noch einmal — — und bis durchs Ziel! — —

      Das aufgeregte Rufen schwoll brausend an, — wie ein Triumpflied auf den roten Champion war’s; — — dann aber drängte die Menge eilfertig auseinander, zur Restauration und zum Totalisator. — —

      Die Turfkomtess stand regungslos an der Barriere; sie erwiderte nichts auf die vielen Glückwünsche, die ihr dargebracht wurden.

      In ihrem totenblassen Gesicht leuchteten ihre Augen wie im Fieber.

      Später, — — als die Glocke schon zum neuen Rennen läutete, ging sie allein in die Box von ,sweet beast’.

      Die Stute lag, zum Tode erschöpft, auf der Erde; ihr Atem ging keuchend und stoßweise durch die weitgeöffneten Nüstern.

      Thea schickte den Stallknecht fort, der im Begriff war, das Pferd abzuwaschen.

      Sie blieb ganz allein mit dem röchelnden und erschöpften Tiere, dessen glatte Haut schweißbedeckt war, und an dessen Flanken das Blut hinunterrieselte.

      »Von seinen Sporen, —« sagte die Turfkomtess wie im Traume vor sich hin, und sie legte ihre kühlen, weißen Hände auf die heiße, rote Wunde.

      Das Pferd zuckte zusammen.

      Da schlang ihm Thea beide Arme um den Hals, und ein tränenloses Schluchzen schüttelte ihren schlanken Körper wie ein Krampf. — —

      II. Kapitel

      Die Wagen, die vom Rennen kamen, bewegten sich in langer Reihe, den schlangenförmigen Windungen des Weges folgend, hinauf zum ›Imperial‹, dem Hotel, in dem ›man‹ das Renndiner zu nehmen pflegte.

      Der Besitzer und der Direktor des Hotels standen schon zum Empfang bereit. Und sie kamen alle: — Mietswagen mit uneleganten Insassen, — ein paar anständig bespannte Jagdwagen von Gutsbesitzern aus der Umgegend, — das Automobil eines Kommerzienrats aus Berlin W., — der wundervolle Grauschimmel Viererzug des Prinzen Hachingen-Büttendorf, — das dogcart einer bekannten ›professional beauty‹, — die Krümperwagen der Kronprinzhusaren, deren Offizierskorps fast vollzählig aus der nahen Garnison herüber gekommen war, — alle diese so verschiedenartigen Gefährte fuhren langsam rechts um das Rasenrondell, in dessen Mitte ein Springbrunnen seine leuchtende Wassergarbe hoch in die blaue Luft hineinschleuderte, — hielten vor dem Portal und fuhren langsam weiter, nachdem die Insassen ausgestiegen.

      Bald herrschte ein buntes Gedränge aus der Terrasse des Hotels.

      Ein unruhiges Hin und Her entstand, bis jeder den ihm reservierten Tisch gefunden.

      Dann begann die Melodie des Speisens anzuschwellen: eine schwirrende, lachende Unterhaltung, zu welcher das Klingen der Gläser, das Klirren der Messer und Gabeln, die geflüsterten Fragen der Kellner den Begleitakkord bilden.

      Soweit man von der Terrasse aus sehen konnte, erblickte man sanft geschwungene Höhenzüge, von hohen, dunklen Tannen ganz überdeckt.

      Der untergehende Sonnenball tauchte den ganzen Himmel in Glut und Glanz und warf einen rosigen Widerschein auf die schwatzende, essende Menge.

      Nur eine war da, die nicht aß, nur manchmal wie im Traum den Sektkelch an die Lippen führte und geradeaus starrte — in die sinkende Sonne hinein.

      Man sah der Gräfin Thea Dahlweg keine Freude an über den ersten Sieg ihrer Stute, und der rote Champion schien etwas verstimmt darüber zu sein.

      Graf Dahlweg hatte ihn im Namen seiner Tochter, als der Besitzerin des siegenden Pferdes, für diesen Abend eingeladen.

      Er saß Thea gegenüber.

      »Sie sind mir wohl böse darüber, dass ‘sweet beast’ gesiegt hat?« fragte er sie in seiner brüsken Weise.

      Und dann, als Thea keine Antwort gab, ereiferte er sich förmlich. »Das passt Ihnen wohl nicht, dass ich den Gaul tüchtig ’rangenommen habe? Na, mit Glacéhandschuhen anfassen, das ist nicht meine Manier. Wenn Ihnen meine Manier nicht passt, dann kann Ihnen ja wer anders Ihre Gäule reiten.«

      Thea sprach noch immer nicht. —

      »Aber Sie haben ja wundervoll geritten, lieber Baron,« begütigte Graf Dahlweg, »geradezu wundervoll.«

      »Ganz kolossal!« bestätigten die beiden Leutnants, die noch mit am Tisch saßen, Graf Balz, der getreue Verehrer Alicens, und Herr von Meerenburg, ein Vetter der Dahlwegs, den man zufällig auf dem Rennplatz getroffen.

      Doch die allseitige Anerkennung der Herren schien dem Freiherrn von Hof nicht zu genügen; mit seiner schneidenden, tiefen Stimme fuhr er fort: »Nee, nee, dann lasst doch wer anders reiten,« — und ein ironisches Lächeln verzog seinen Mund, »vielleicht Borndorf.« —

      Alice, die bis dahin genauso schweigsam gewesen wie Thea, wiederholte »Borndorf« und seufzte.

      Dann fuhr sie fort in ihrer interessanten Beschäftigung, nach einem der Nebentische hinüber zu sehen, an welchem in größerem Kameradenkreise Borndorf saß.

      Der kleine Ulan saß und redete; wie ein lustig plätscherndes Bächlein floss ihm die Rede von den Lippen.

      Einige der andern hörten ihm zu, andere widmeten sich ganz der Pfirsichbowle, oder plauderten miteinander.

      Man konnte nicht sagen, dass der kleine Borndorf sich mit seinen Kameraden unterhielt, es war mehr ein Monolog zu nennen.

      Und manchmal drangen Bruchstücke dieses Monologs zu Dahlwegs Tisch hinüber: — — »und da merkte ich gleich, er pullt sich tot,« oder »es war natürlich Blech„Mayflower’ von einem Dreikilojungen reiten zu lassen — —«

      Mit schauerndem Entzücken lauschte Alice diesen Offenbarungen und nur mit Mühe unterdrückte sie einen Ausruf des Bedauerns, als Borndorf nach einem Blick auf die Uhr hastig aufsprang und sich zum Gehen rüstete.

      »Nanu? Doch nicht schon jetzt?« fragte einer der Kameraden entrüstet.

      »Jawohl, höchste Zeit, in die Klappe zu gehn,« sagte der kleine Ulan betrübt, »um viere muss ich auf die Bahn zur Morgenarbeit und ,Ach was’ ist einer der schwierigsten Gäule, die ich je