Malik. Lisa W. Barbara. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lisa W. Barbara
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748558941
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Es fröstelte mich ein bisschen in meinem kurzen schmal geschnittenen Kleid in schwarz. Früher hatte ich immer Farbe getragen. Vor allem rot und pink, da meine Mutter fand, dass das meine Haare zum leuchten brachte. Sie hatte meine Haare geliebt. Und ich hatte alles an ihr geliebt.

      Aber seitdem sie alle weg waren trug ich nur noch dunkle Farben. Natürlich einerseits, um meine Seriosität zu unterstreichen und andererseits, um auch noch das letzte bisschen Freude und Glück aus meinem Leben zu verbannen.

      Ich zündete mir eine Zigarette an. Normalerweise rauchte ich nie, aber ab und zu brauchte ich einfach eine. Und was das komische war, in der letzten Zeit öfter. Ich sollte unbedingt wieder zu meinem Psychologen gehen. Mist, warum hatte ich meinen Terminplaner nur zu Hause gelassen? Diese neue Unstrukturiertheit und Vergesslichkeit machte mich ganz wahnsinnig und verwirrte mich.

      Ich lehnte mich gegen mein Auto, zog an der Zigarette und antwortete Malik: ´Okay, und jetzt? Was erwartest du von mir?´

      Er kam sofort wieder online, las die Nachricht, aber antwortete wieder nicht. Ich stapfte wütend mit dem Fuß auf und steckte das Handy weg, während ich mich verstohlen umsah. Hoffentlich hatte keiner meinen kleinen Ausraster gesehen.

      Danach fuhr ich weiter zum Supermarkt, kaufte alles streng nach meinem Plan ein und fuhr wieder nach Hause. Es war fast ein Uhr nachmittags, als ich die Wohnungstür aufschloss. Also hatte ich doch noch ein bisschen Zeit, vor allem Zeit, um mich umzuziehen, denn irgendwie fühlte ich mich unwohl. Was sehr seltsam war, denn ich trug normalerweise nie was anderes als Businessoutfits und Bluse, Blazer, Röcke und Kleider in A-Linie und gerade geschnittene Hosen. Was war nur los mit mir? Lag das an diesem Malik?

      Ich überlegte sorgfältig, während ich die Einkäufe verstaute, dann das Kleid auszog und es in den Wäschekorb legte. Ich warf nie etwas, ich legte immer alles sehr sorgsam irgendwohin. Ich weiß, ich bin einfach nur seltsam, aber ich musste das tun. Nur nicht abweichen vom Plan.

      Aber dennoch, dieser Malik veranstaltete etwas in mir, obwohl wir nur ein paar Zeilen geschrieben hatten. War es vielleicht deswegen, weil sich seit Jahren mal wieder jemand richtig für mich interessierte? Klar, da waren Männer gewesen, die alles gegeben hätten, um nur ein Lächeln von mir geschenkt zu bekommen, doch ich ließ sie alle kalt abblitzen. Ein Mann war nicht das, was in meinen Plan passte.

      Immer noch ein bisschen verwirrt und in Gedanken versunken, besah ich mir die Post, die noch von gestern ungeöffnet auf dem Tisch lag. Es waren ein paar Weihnachtskarten von irgendwelchen Modegeschäften, eine von meiner besten Freundin Sina, Rechnungen. Ich legte alles auf den Tisch. Dann kam ein größerer Brief und es stand kein Absender drauf.

      Ich öffnete ihn und da war eine kleine Karte: Von Oma und Opa. Die Schrift passte nicht so recht zu der von meiner Oma und ich fragte mich ob mein Opa die Karte geschrieben hatte. Wieder sehr komisch das Ganze. Ich bekam von ihnen eigentlich nie Post. Ich kniff die Augen zusammen, als ich einen Gegenstand aus dem Umschlag nahm, eine Kette, eine wunderschöne silberne Kette. Der Anhänger war ein Fotoamulett und war vorne mit kleinen glitzernden Steinen bedeckt.

      Ich besah sie mir kurz, und Emotionen kochten auf einmal schlagartig in mir hoch. Das war sie. Die Kette meiner Mutter, die sie eigentlich immer hatte. Wie war das nur möglich? Ich erinnerte mich, dass sie sie auch an dem Abend getragen hatte, als sie ermordet wurde. Natürlich erinnerte ich mich daran. Ich erinnerte mich an jedes noch so kleine Detail aus dieser Nacht, obwohl ich so oft versucht hatte, es zu vergessen, was ich irgendwann enttäuscht aufgab. Ich kämpfte mit den Tränen, als ich mir die Kette ganz genau besah. Es musste die Kette sein.

      Irgendwie wusste ich nicht so recht, was ich tun sollte, also hängte ich sie mir ohne groß nachzudenken um. Es war ein komisches Gefühl, fast so als würde meine Mutter mit ihren Fingerspitzen über meine Haut streifen. Öffnen konnte ich sie nicht, das würde ich nicht verkraften. Ich schloss die Augen und stellte sie mir widerwillig vor, nicht wie sie an jenem Abend ausgesehen hatte, sondern wie sie früher war. So wunderschön mit ihren dichten schwarzen Locken und den schönen, eisblauen Augen. Ihr Lächeln. . . Ich riss die Augen wieder auf und merkte, dass ich weinte. So lange hatte ich nicht mehr geweint. Was war nur los mit mir?

      Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen, murmelte ich immer wieder vor mich hin, straffte dann die Schultern und ging kurz ins Bad, wusch mir das Gesicht und legte einen dezenten Nudelook auf. Für mehr hatte ich keine Lust. Ja, tatsächlich, keine Lust. Normalerweise versteckte ich mich immer hinter einem Haufen Make-Up, was mir irgendwie Sicherheit gab.

      Dann ging ich zum Schrank und wusste wirklich nicht, zum vielleicht ersten Mal seit Jahren, was ich anziehen sollte. Ich strich über die schönen, sorgfältig gebügelten Blusen, über meine Blazer. Ich musste doch irgendwo noch eine Jeans haben, das kann doch nicht sein. Hatte ich wirklich alle weggeworfen?

      Aber nein, so war ich nicht, denn ich hatte immer für alles einen Plan B. In diesem Fall bestand er aus einer bestimmt viel zu kleinen Jeans, die ganz unten im Stapel mit den Schlafanzughosen lag. Stimmt, die hatte ich mir mal von Sina geborgt.

      Ich zog sie heraus, dann über meine nackten Beine und irgendwie fühlte es sich gut an. Sie war zwar eng, sehr eng, doch erstaunlicherweise gab mir nun die enge Jeans Sicherheit, so wie meine ganzen Regeln. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und kürte in Gedanken diesen Samstag zum Tag der Ausnahmen, holte noch einen dunkelgrünen (wirklich sehr sehr dunkelgrünen, fast schwarzen) Pullover heraus, den ich ebenfalls anzog.

      Ich packte mein restliches Zeug zusammen, zog meinen schwarzen Mantel und meine schwarzen Stiefel an, überprüfte nochmals, ob ich alles hatte und schaute beim Rausgehen flüchtig in den Spiegel. Wer war das? Eine völlig fremde Person starrte mir entsetzt entgegen. Sie sah anders als ich aus, irgendwie gut, aber auch erschrocken und ein bisschen erstaunt. Die Röte auf ihren Wangen unterstrich ihre perfekt geformten Wangenknochen und die hellen Locken lösten sich aus dem sonst so strengen Dutt. Noch erstaunter sah sie mich an, als ich die Nadeln aus dem Dutt löste und den Kopf schüttelte, bis die Locken ihr leicht und ein bisschen zerzaust über die Schultern hingen.

      Fast ein bisschen stolz auf mich, dass ich mich getraut hatte, vom Plan abzuweichen, warf ich der Frau im Spiegel einen letzten Blick zu und verließ meine Wohnung.

      Ich war immer noch ein bisschen aufgeregt und musste immer wieder an mein Spiegelbild denken. Ich zuckte mit den Schultern. Was soll´s schon, einmal darf sogar ich das. Einfach mal frei sein und nicht ich sein. Irgendwie zauberte mir der Gedanke daran ein Lächeln auf die Lippen, sodass ich mir sogar erlaubte, mit der S-Bahn zu fahren. Ich fuhr sonst nie mit der S-Bahn. Nie, denn ich fand öffentliche Verkehrsmittel einfach nur ekelhaft und unpünktlich und ich hasste beides. Aber heute war ein anderer Tag.

      2

      Um kurz vor zwei in dem Café Red in der Innenstadt bei den Stachus Passagen traf ich Sina, meine beste Freundin. Sie war größer als ich, was ja auch nicht schwer war, und hatte dunkle Haare, die sich wild unter ihrer Mütze hervorkringelten. Ich hatte sie erst nachdem ich mein neues Leben begonnen hatte kennengelernt. Zuerst hatte ich sie gehasst. Ja, wirklich gehasst. Für eine Frau wie ich, die normalerweise keine Emotionen zuließ, war dieser Hass das Stärkste gewesen, das ich seit jener Nacht gespürt hatte.

      Doch sie wollte seltsamerweise mit mir befreundet sein und auch, als ich sie immer wieder kalt abblitzen ließ, wollte sie sich verabreden und irgendwann, zwischen Businessmeetings und Kaffee-über-meine-neue-Bluse-schütten wurden wir Freunde, was eigentlich die stärkste Bindung war, die ich seit der Ermordung meiner Eltern eingegangen war.

      Sie trug einen braunen Poncho und braune UGGS. Ich würde so etwas nie tragen. Nie. Und bei uns beiden war es wirklich so. Gegensätze ziehen sich an.

      Seltsamerweise erkannte sie mich erst, als ich direkt vor ihr stand und sie anlächelte.

      "Oh mein Gott, Phina. Was ist denn mit dir passiert?", rief sie laut, sie war immer so laut, sodass sich viele Leute nach uns umdrehten. Ich ignorierte das, ich war ja schließlich auch niemand, der nervös wurde oder sich so leicht von etwas aus der Bahn bringen ließ (außer seit heute) und grinste noch ein bisschen breiter.

      "Ich