»Nein, das wäre ihr zu viel Nähe, hat sie gemeint. Sie brauchte ihren Freiraum. Aber sie war ihren Lovern gegenüber immer großzügig.«
»Ihren Lovern?«
Ein lautes Lachen erklang auf die verstörte Frage von Mercédès. »Sabrina liebte die Liebe. Nicht nur in ihren Büchern. Glauben Sie mir, sie war kein Kind von Traurigkeit.«
»Gab es neben Herrn Meinfeldt aktuell noch andere?«
»Nicht soviel ich weiß. Doch ich denke, auf Mallorca muss was sein ...«
»Warum?«
»Weil Sabrina nicht der Typ war, fünfmal hintereinander ein und dasselbe Feriendomizil aufzusuchen. Es musste sie dort etwas besonders gereizt haben. Leider weiß ich nicht, was oder wer es war ...«, seufzte die Hartig.
Mercédès musste lächeln. Frauenfreundschaften. So ganz ohne Eifersüchtelei lief das wohl nie ab. Deshalb hatte sie auch keine beste Freundin, dafür einen besten Freund. Josef, ein schwuler Richter aus München, den sie seit Kindertagen kannte. Der Nachbarsjunge, von dem alle erwartet hatten, sie werden mal heiraten, weil sie immer so unzertrennlich waren. Auch ihr Weggang aus München hatte an der Freundschaft nichts geändert. Ihr hatte er als erste seine Homosexualität anvertraut. Aber sie hatte es schon früher gespürt. Denn er war der einzige Junge in der Schule, der nicht versucht hatte, sie an ihren gut entwickelten Brüsten zu berühren.
»Gibt es sonst etwas, dass Ihnen in letzter Zeit aufgefallen ist? Oder hat Frau Schneider irgendetwas erwähnt, dass Sie stutzig werden ließ?«
»Bei unserem letzten Gespräch vor zwei Tagen meinte sie, die Vergangenheit habe sie eingeholt. Aber mehr wollte sie dazu nicht sagen.
»Die Vergangenheit habe sie eingeholt?«, echote Mercédès und schwieg dann eine Weile. »Können Sie sich vorstellen, was sie damit gemeint hat?«
»Nein, keine Ahnung. Hat wohl mit ihrem Leben vor Berlin zu tun«, kam es leicht bitter.
»Gut Frau Hartig, das wäre es erst mal. Doch es könnten sich noch weitere Fragen ergeben.«
»Kein Problem. Ich helfe gerne. Wann kann ich Sabrina beerdigen?«
»Sie?«
»Ja, wir haben gegenseitig vereinbart, unseren letzten Willen zu unterstützen. Und ich werde mein Wort natürlich halten.«
»Was ist denn der letzte Wille von Frau Schneider?«
»An Ort und Stelle verbrannt und über ein Meer verstreut zu werden. Das dürfte ja wohl kein Problem werden. Das Mittelmeer bietet sich an ...«
»Ich lasse Sie wissen, wenn es soweit ist«, und Mercédès legte gedankenverloren auf. Sabrina Schneider und sie hatten viele Ähnlichkeiten. Nicht nur den letzten Willen.
»Und?«, wollte Miquel neugierig wissen. Kurz berichtete sie über das Erfahrene.
»Dann hätte unser junger Lover also ein Motiv?«
»So schaut´s aus. Den werde ich mir noch mal vornehmen.«
Nach einer Weile fügte sie an: »Die Fichtelhubers sind doch auch aus Rosenheim, oder?« Denn mitten im Gespräch mit der Hartig war ihr eingefallen, dass die Fichtelhubers Sabrina aus Rosenheim kannten. »Wir sollten mit ihnen sprechen. Vielleicht kennen sie ja diese Manuela oder wissen was über eine unglückliche Liebe von Sabrina Schneider. Frau Fichtelhuber ist doch die typische Klatschtante, der nichts entgeht.«
Miquel nickte mit dem Kopf und lachte. »Seh ich wie du. Aber dafür ist morgen Zeit. Wir wissen ja noch gar nicht, ob definitiv Fremdverschulden vorliegt.«
»Doch du bist genauso davon überzeugt wie ich, stimmt´s?«
Wieder nickte er nur mit dem Kopf. Doch diesmal lachte er nicht.
»Herr Meinfeldt, ich hätte da noch ein paar Fragen an Sie«, sagte Mercédès, als Jens Meinfeldt die Tür seines Apartments nur ein Stück öffnete, an die Mercédès am späteren Nachmittag erneut geklopft hatte. »Darf ich hereinkommen?«
»Ich wollte gerade einen Spaziergang machen. Kommen Sie mit?«, und er schlüpfte geschwind aus der Tür und zog sie sofort wieder zu und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss um. Diesmal war er bekleidet. Mit einer hautengen Jeans, die mindestens genauso ein Hingucker war wie beim ersten Gespräch sein ...
Von dem Haus, in dem sein Apartment lag, führte ein schmaler Trampelpfad direkt durch den Pinienwald auf die Klippen. Es stand zwar ein Schild am Eingang zum Resort, dass dieser Bereich nur für Gäste zugelassen war, aber jeder konnte ungehindert und ungesehen in das Resort gelangen, registrierte Mercédès. Doch sie vergaß das sofort wieder, als sie oben angekommen war und den herrlichen Ausblick auf nichts als Meer und Pinienwald wahrnahm. Prachtvoll. Ein kleiner ovaler Tisch mit Steinmosaiken, der von einer weißen, gemauerten Bank mit Rückenlehne umgeben war, lud zum Verweilen ein. Mercédès und Jens ließen sich dort nieder. Niemand sagte etwas, Mercédès war von dem Ausblick so gefangen, Jens hing seinen Gedanken nach. Er wirkte unruhig. Zerstreut.
»Was wollen Sie von mir?«, eröffnete er das Gespräch dann doch.
»Wir haben mit Frau Hartig in Berlin gesprochen.«
»In Berlin?«, fragte er überrascht nach.
»Ja, wo denn sonst?«, war Mercédès verblüfft.
»Nichts, nur so. Was hat sie gesagt?«
»Dass Frau Schneider die Beziehung zu Ihnen beendet hat. Sie gebeten hat, aus Ihrem Apartment auszuziehen und auch Ihre persönlichen Sachen aus Ihrer Wohnung zu entfernen. Warum haben Sie das heute Morgen nicht erwähnt?« Ein schräger Blick traf ihn.
»Weil ich dabei war, Sabrina umzustimmen. Sie konnte doch nicht ohne mich sein. Nicht ohne den wundervollen Sex, das hat sie mir immer wieder versichert. Nein, Sabrina hätte mich nie gehen lassen.« Dabei schüttelte er den Kopf, wie zur Bestätigung.
»Frau Hartig meinte, dass Sabrina Schneider genug von Ihren Affären mit jungen Frauen hatte und sie nicht weiter hintergangen werden wollte.«
»Das ist doch Bullshit. Sabrina hatte gar nichts gegen meine Liebesbeziehungen mit jungen Mädels. Ganz im Gegenteil«, begehrte Jens auf.
»Wie darf ich das verstehen?«
»Ich brachte hin und wieder eine Freundin für Spielchen zu dritt mit, wenn Sie verstehen, was ich meine. Das nahm Sabrina als Anregung für ihre Geschichten. Sie animierte mich sogar, mich mit anderen einzulassen und ihr dann davon zu erzählen. Vor allem, wenn sie unter einer Schreibblockade litt.«
»Warum dann jetzt das Aus?«, war Mercédès verwirrt.
»Weil ich mit Renate Hartig ein Verhältnis begonnen hatte.«
Interessiert hob Mercédès den Kopf. Davon hatte die Hartig nichts erwähnt.
»Sabrina war auf einer längeren Lesereise. Mir ging das Geld aus. Ich wusste, dass Renate verrückt nach mir war. Also habe ich sie besucht«, grinste er. »Und als ich sie am Morgen verließ, war ich um ein paar Hunderter reicher. Und so wurden meine Besuche häufiger.«
»Und als Sabrina zurückkam von der Lesereise?«
»Lief alles noch gut. Ich besuchte die Damen abwechselnd, manchmal hintereinander. Doch Renate setzte mir immer mehr zu, ich solle doch Sabrina verlassen. Sie würde gut für mich sorgen. Ich könne auch bei ihr einziehen. Doch Renate bedeutete mir nicht das Geringste. Sie ging mir mit ihrer klettenhaften Art immer mehr auf die Nerven. Und eines Tages servierte ich sie ab.«
»Und?«, fragte Mercédès gespannt.
»Und sie informierte Sabrina. Erzählte von der großen Liebe zwischen ihr und mir und dass Sabrina uns nicht im Wege stehen sollte. Sabrina war wütend, dass ich sie mit ihrer besten Freundin betrogen habe, wütend auf mich, aber keineswegs auf Renate. Können Sie das verstehen?« Er blickte sie mit großen Augen an. Doch Mercédès reagierte nicht. »Sabrina gab mir einen