Der Geldbeutel auf dem Gehsteig, das ist natürlich nur ein symbolisches Beispiel für die Frage, wie man mit plötzlichen Anklagen umzugehen hat. Aus dem Hinterhalt kommen die Prüfungsfragen, wie aus dem Nichts findet man sich auf der Anklagebank wieder. Oft klagt einen aber niemand an, täglich fährt man seinem Vordermann zu dicht auf die Stoßstange. In solch einem Fall kann man nur in Umfragen erkennen, dass etwas nicht stimmt.
Wer kennt es nicht? Es geht hoch her und man schimpft. Meinen edlen Lippen ist ein Fäkalausdruck entwichen? Ich kann es ja nicht glauben. Dabei will ich doch immer nur für alle das Beste...
Einmal ist keinmal. Na gut. Verziehen. Aber wenn es die Normalität werden sollte, dass man grundsätzlich nur alles, und jeden mit Dreck zu bewerfen versucht, dann sollte man sich schon mal Gedanken machen.
Oder man sollte sich mal Gedanken machen lassen. Es gibt dann nämlich Nachholbedarf. Wenn einen derartige Gedanken überfallen und wenn man sie dann auch noch ausspricht, dann hat man nämlich den Boden unter den Füßen verloren. Man ist sprichwörtlich aus dem Rahmen gefallen... Deswegen dieses Buch hier. Es soll den Rahmen aufzeigen. Die Grenzen. Bis hier her und nicht weiter. Für einen selber und auch für andere. Denn erst wenn man sich sicher im eigenen Bereich bewegen kann, erst dann kann man den einen oder anderen Zeitgenossen auch gerne an seinem Wissen etwas teilhaben lassen.
Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Vorbildfunktion. Man stellt wenig dar, wenn man von anderen dargestellt wird. Man macht sich zur Marionette, wenn die eigenen Fäden fremdgesteuert sind. Nicht der Zeitgeist und nicht die facebook-Freunde sind der Maßstab. Es ist immer das eigene Gewissen, was einen letztendlich verurteilt oder freispricht.
Anwälte, Psychologen und Medikamente. Psychiater, Therapien und Verhaltensregeln. Der freie Lebensweg eines gesunden Charakters, der sollte, auch in einer noch so irrsinnigen Zeit, auch ohne fremde Hilfe jedem Menschen möglich sein.
Ein soziales Gefüge ist eine Deutegemeinschaft. Jeder deutet Handlungen nach seinen eigenen Erfahrungen und Einschätzungen. Sei es die Handlung eines anderen oder die eigene. Der eine meint, die Musik ist zu laut, dem anderen ist sie noch nicht laut genug. Der eine hat lieber einen halben Tachoabstand Abstand, der andere meint, dass ein Viertel davon genügt. So werden sich nie zwei gleiche Charaktere finden. Immer wird es Differenzen geben. Und um ein solches Gefüge nicht zu zerstören, sollte jeder wirklich sehen, dass er den Rahmen nicht sprengt. Das Faustrecht gibt es nicht in unserer Gesellschaft. Nur weil der andere nichts sagt, deswegen muss noch lange nicht alles in Ordnung sein.
Man frage mal bei einem Psychologen nach einem Termin! Viele haben nur einen Anrufbeantworter laufen, Rückrufe finden so gut wie gar nicht statt. Es existieren zu viele Webfehler in den Menschen. Kaum einer findet sie, und wenn, dann werden die Fehler seltenst beseitigt. So fressen sich die Charakterfehler tiefer und tiefer in die Gesellschaft.
Auf neue Gesetze zu hoffen, das ist idiotisch. Es gibt schon genug. Die letzte Hoffnung ist einzig und allein, dass diejenigen, die ihren Fehler auf andere übertragen selbst erkennen, dass sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen. Viele äffen es ihnen nach und verlieren dabei den Halt. Vielleicht verlieren sie selbst einmal den Halt, aber bis dahin haben sie unzähligen Menschen einen überzogenen Maßstab vorgelegt.
Ob ein Charakter nun einen Fehler hat oder nicht, das kann keiner letztendlich je ermessen. Was man aber einschätzen kann, das ist, wenn jemand seinen Mitmenschen ein ungewolltes Schritttempo aufzwingt. Oder wenn der eine den anderen in die Enge treibt, oder wenn er einen Gesichtsverlust provoziert.
Auf alle Fälle sollte man wissen, dass man den eigenen Charakter pflegen und hegen muss. Es macht Mühe, wenn man einen guten Charakter haben möchte. Wer sich wenig Mühe macht und immer nur den leichtesten Weg geht, der muss auch das Ergebnis in Kauf nehmen. Einfach gestrickt und billig. Der gewöhnliche Pöbel und nicht die edle Persönlichkeit...
Ein wahrhaft großer Mann wird weder einen Wurm zertreten noch vor dem Kaiser kriechen.
Benjamin Franklin
Selbstkritik oder Selbstzweifel
Man könnte es wie ein zweischneidiges Schwert betrachten. Denn ein Schwert muss sein. Jeder fragt sich bewusst oder unbewusst, ob ihn das, was er tut, weiterbringt oder nicht. Wobei das „nicht“ unterteilt werden muss. Es bringt mich nicht weiter, ich trete auf der Stelle. Und da Stillstand gleich Rückschritt sein soll, kommt man ins Grübeln. Soll man weiter auf der Stelle treten, obwohl nur ein steter Tropfen den Stein höhlt? Ab und zu ist auch Durchhaltevermögen gefragt. Nicht immer klappt alles auf Anhieb. Von einem toten Gaul soll man absteigen. Diesen Spruch gibt es auch. Also, wenn sich zu lange gar nichts mehr tut, dann ist sehr wohl auch Selbstzweifel fällig. Aber auch wenn alles wie am Schnürchen funktioniert, ist Selbstzweifel zulässig. Denn es gibt Wege, auf denen man sich verrennt, sogenannte Holzwege.
Hier hilft nur noch, dass man seine Umwelt auf Verträglichkeit abklopft. Schadet es anderen, oder sprechen sie einem Mut zu? Ab und zu muss man auch externe Meinungen einholen, um sich nicht gar zu sehr zu verirren. Egal was man tut, es sind immer Fragen des Kopfes und des Bauches. Das Bauchgefühl kann einen aber auch belügen. Nicht nur die Durchdenkerei. Oft sprechen die rationalen Ergebnisse dagegen, und das Bauchgefühl sagt einem; Scheiße, ich mach es trotzdem.
Um noch mal auf das „nicht“, es bringt mich nicht weiter, zurück zu kommen: Manches scheint einen auch nach hinten zu werfen. Oft muss man einen Weg zurückgehen. Das ist natürlich im ersten Moment ärgerlich. Aber die Umstände lassen einen keine andere Wahl. Das heißt natürlich nicht in jedem Falle, dass der eingeschlagene Weg ein Irrweg ist. Ärger ist ein ganz normaler Bestandteil des Lebens. Hier geht es um das Ausreizen der Frustrationsgrenze. Da man nicht alleine auf der Welt ist, stehen meistens viele weitere Menschen vor ähnlichen Problemen oder Herausforderungen. Die einen können mit der Frustration besser umgehen als die anderen, weil sie es nicht als Ärger abgetan haben, sondern weil sie daran gewachsen sind.
Die Erkenntnis, dass nicht immer alles nach den eigenen Wünschen funktioniert, die sollte man nicht vom Tisch wischen. Immer wieder wird es Situationen geben, in denen man sich daran erinnern muss, dass es nicht schlimm ist, wenn man mehrere Anläufe benötigt. Das Prinzip ist nur, dass der Ärger irgendwann dermaßen groß wird, dass man seine guten Vorsätze irgendwann über Bord wirft. Dann kommt es so, dass man erst hinterher, aus dieser Situation, um eine Erkenntnis reicher wird. Ich hätte nicht so schnell verärgert sein sollen. Dann läuft alles mal wieder ein paar Tage gut, und währenddessen sinkt die Frustrationsgrenze wieder. So wie ein Muskel, den man nicht ständig trainiert.
Man tut sich keinen Gefallen, wenn man dem zweischneidigen Schwert der Selbstüberprüfung ausweichen will. Besser ist es, wenn man immer am Ball bleibt. Auch wenn alles gut läuft, dann muss man selbstkritisch die Ergebnisse überprüfen. Man muss jedes Handeln bedenken, ansonsten steht man letztendlich als hirnloses Opfer seiner niederen Beweggründe da. Man darf nicht bei jedem kleinen Hungergefühl zum Kühlschrank rennen. Man muss bei zum Beispiel jedem Appetit-Impuls mitdenken. Ich hab doch gerade gegessen. Und jetzt noch eine Tafel Schokolade anfangen? Die esse ich doch sowieso wieder ganz...
Diese Kämpfe gibt es auch im Großen. Noch mal zehntausend Euro in die Aktiengesellschaft investieren, die mir so viel Gewinn beschert hat? Gewinn macht süchtig. Schokolade löst auch Glücksgefühle aus. Aber wo ist das Ende der Fahnenstange? Um diese Frage beantworten zu können, muss man mit dem zweischneidigen Schwert an die Sache heran gehen. Auf der einen Seite die Kritik und auf der andern Seite Zweifel. Erst wenn eine Entscheidung diesem Dauerbeschuss aller Fragen standhalten kann, dann muss an der Sache was dran sein.
Es gibt das Wort Bedenkenträger. Dabei handelt es sich um eine Person, die an allem und jedem etwas auszusetzen hat. Irgendwas könnte immer und bei allem schief gehen. Unrecht hat dieser Mensch nicht. Nur, weit kommt er damit nicht. Es liegt aber nicht daran, dass er alles nur kaputtreden will. Dieses Wesen existiert nämlich nur in der Phantasie. Zweifler sind in Wahrheit nur auf dem falschen Spielfeld