Schicksalhafter Kompromiss. Christine Feichtinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Feichtinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754178041
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und die fehlende Zuneigung und Liebe seines Großvaters schon als Kleinkind ersetzen musste. Obwohl sich seine Großmutter stets bemühte, aus ihm einen netten, anständigen Jungen zu machen, auf den sie stolz sein konnte, was Patrik immer versprach, war er vom rechten Weg früh abgeglitten.

      Großmutter ärgerte es maßlos, dass er seine Zeit sinnlos vergeudete und gerne mit Automaten spielte. Er hatte sich öfters von ihr Geld dafür geborgt und nicht zurückgezahlt. Und als er ihr Geld für das Spielen mit Automaten gestohlen hatte, kam es zum Streit.

      „Warum stiehlst du mir Geld? Ich habe dich zu einem anständigen Jungen erzogen und nun bestiehlst du mich, damit du das Geld verspielen kannst. Du bist ein schlechter Junge, du hast mich stark enttäuscht.“

      Seine Großmutter war eine sparsame, religiöse Dame, die alle Spiele als „Satansspiele“ abkanzelte. Er sei ein Fass ohne Boden, in ihn würde sie ihr Geld schlecht investieren, er zahle ihr nie etwas zurück. Ganz im Gegenteil, sie befürchte, dass sie ihn dadurch in seiner Spielleidenschaft noch unterstütze. Und Satans Spiele unterstütze sie nicht. Er sei nun alt genug, um sein Leben in den Griff zu bekommen, sie müsse sich ihr Geld genau einteilen und habe nichts zu verschenken und am wenigsten für die Automaten, hatte sie ihm vorgeworfen.

      „Willst du so abgleiten wie deine Mutter? Frieda, deine Mutter, hat mir bis zum heutigen Tag genug Kummer gemacht. Sie hat sich durch ihre Hirngespinste verirrt, mit düsteren Gestalten abgegeben und hat sich nach deiner Geburt einfach davongemacht und dich zurückgelassen.“

      Mit Schaudern erzählte ihm seine Großmutter oft, wie seine Mutter nach seiner Geburt abgehauen und monatelang nicht zuhause aufgetaucht war. Auf einmal hatte Großmutter festgestellt, wie sich Frieda verändert hatte. Sie wurde aufmüpfig und wusste plötzlich alles besser. Sie faselte von Esoterik, Wiedergeburt, betete und meditierte, sprach vom liebevollen Umgang mit der Schöpfung und den Naturelementen, schwärmte von ihren anders gearteten Lebenszielen, beschäftigte sich mit Ernährung, Homöopathie, Astrologie, Pendeln, Tarot, Reinkarnationstherapie und glaubte, ihr Leben und das Leben der anderen durch ihre persönliche Einstellung, Gebete, Rituale und Gedankenkraft beeinflussen zu können.

      „Dann etwas später behauptete sie, sie könne von Wasser, Licht, Sonne, Luft und Liebe leben wie ihr großes Vorbild Waliluso, welcher mit seiner weißen Toga, seinem Stirnkranz aus Olivenzweigen, seinem Hirtenstab und einem Apfel- im Sommer nur mit einem Schurz bekleidet- auf dem Wiener Naschmarkt Ansprachen über Gott und die Natur hielt und von seinen Visionen sprach. Sie aß immer weniger und wurde magersüchtig.“

      Anfangs glaubte Großmutter, es wäre nur eine Spinnerei, welche bald vorbeigehen würde. Frieda wurde ihrer Mutter fremd. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. Frieda lachte ihre Mutter ob ihrer Gläubigkeit, ihren alten Wertvorstellungen und Warnungen immer nur aus. Mit den Worten „Du bist altmodern und unbelehrbar. Ich kann so nicht leben“, verschwand Frieda eines Tages.

      Zuerst blieb Frieda ein paar Tage weg, kam für ein paar Tage heim und blieb dann immer länger weg. Patriks Großmutter hatte sie unter den Obdachlosen gesucht und gefunden, wo sie sich kurze Zeit mit den sonderbarsten, ausgemergeltsten Typen mit Tätowierungen am ganzen Körper in einem Zeltlager aufgehalten hatte. Dort sah sie sie unter Drogeneinfluss vor einem Feuer fast unbedeckt tanzen. Hilflos musste sie zusehen, wie sie sich von der bürgerlichen Welt verabschiedete und in die Welt der Drogen eingetaucht war.

      Gewissermaßen begann dort Friedas Abstieg, den Frieda selbst aber als Aus- und Aufstieg feierte. Mit traurigem Herzen musste Friedas Mutter zusehen, wie sich ihre Tochter von ihr und der vorherigen Welt verabschiedete und ihr den Einfluss und Zutritt in ihre Welt verwehrte.

      Wie oft drohte ihm seine Großmutter: „Wenn du weiter spielst und so weitermachst, kommst du auf die schiefe Bahn, so wie deine Mutter. Werde anständig und vernünftig. Du hast die Pflicht, ein braver Junge zu sein und mich für die Sorgen und den Kummer um deine Mutter zu entschädigen“, predigte sie. Der Kummer wegen Patrik wurde immer größer, sodass sie viele schlaflose Nächte gehabt hatte.

      „Du darfst mich nie wieder bestehlen und hör auf, mit den Automaten zu spielen“, schrie seine Großmutter gerade, als sie an jenem Tag sah, dass Patrik seine Sachen packte.

      „Bleib doch da, geh nicht weg. Mache mir keinen Kummer. Deine Mutter hat mir schon genug Kummer gemacht“, weinte sie.

      „Es ist mein Leben“, hatte Patrik trotzig geschrien, während er weiterpackte.

      „Wo ist meine Mutter?“

      Seine Fragen schmerzten sie wie Nadelstiche, denn auch sie vermisste Frieda schmerzlich jede Minute.

      „Sie lebt in Spanien.“

      Wie sollte sie Patrik erklären, dass seine Mutter so tief gesunken war und in einer Höhle lebte? Sie wollte ihm nicht sagen, dass sie einmal von einem Bekannten ihrer Tochter besucht wurde, der ihr schöne Grüße von Frieda ausrichtete und ihr sagte, Frieda wäre gesund, sie würde mit anderen Aussteigern, Künstlern, meist ohne Dokumente, in Andalusien am Sacramento vis-a-vis der berühmten Alhambra in der Nähe von Granada in einer der zahlreichen Höhlen mit ihren Tieren und Wildtieren, ohne Strom und Wasser, leben und unter den Gitarrenklängen der Gitanos von den Chipsys Flamenco tanzen lernen. Dass sie nicht in der besseren Schicht der gemeldeten Anwohner in den unteren Regionen, sondern hauptsächlich unter illegalen Siedlern in den oberen Bergregionen lebte, verschwieg er.

      Und wieder einmal schluchzte und weinte seine Großmutter. Zum wiederholten Male wünschte sie, er hätte eine Mutter und einen Vater, welche sich um ihn gekümmert und ihr die schwere Last seiner Erziehung von ihren Schultern genommen hätten. Ich kann den Jungen nicht bändigen, ich bin zu alt und zu schwach dafür, befand sie.

      „Wohin willst du gehen?“

      „Ich gehe meinen Vater suchen“, hatte er trotzig erklärt.

      Seinen Vater kannte er nicht. In der Schule wurde er oft deswegen gehänselt.

      Solange er sich zurückerinnern konnte, versuchte er sich vorzustellen, wer sein Vater war und wie er aussah. War er verheiratet? Hatte er Kinder? Warum hatte er sich nie bei ihm gemeldet?

      „Du wirst ihn nicht finden, bleib da. Du bist ein undankbarer Bengel. Wer wird sich um mich kümmern, wenn ich krank bin? Du bist es mir schuldig. Dein Großvater würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was aus dir geworden ist. Er war ein angesehener Beamter und wollte nur das Beste für dich“, weinte sie hemmungslos. Das war das Letzte, was Patrik hörte, nachdem er die Tür, in der Hand den Koffer mit seinen Habseligkeiten, zugeknallt hatte und sein unbekanntes Ziel anstrebte.

      Immer, wenn seine Großmutter nicht weiter wusste, redete sie ihm, so lange Großvater am Leben war, ins Gewissen, anständig zu sein und ebenso einen Beamtenberuf wie Großvater zu ergreifen oder drohte ihm mit Großvater. Ich werde ihm alles erzählen und dann wirst du schon sehen.

      Ja, mein Großvater war ein Beamter, aber auch ein Tyrann. Er behandelte dich von oben herab, befahl und du hattest zu gehorchen, denn er war der Brotverdiener und Patriarch, sinnierte Patrik. Das wolltest du nie wahrhaben, hast immer den schönen Schein nach außen hin bewahrt und jetzt verdrängst du es noch immer.

      Nach diesem Streit war Patrik lange Zeit verschwunden. Zurück ließ er seine besorgte Großmutter, die nun nicht nur wegen seiner Mutter, sondern auch seinetwegen einsam und verlassen oft weinte und betete.

      Patriks bittere Lehrjahre auf der Straße, auf sich allein gestellt, im Kampf um jede Begehrlichkeit, hatten ihn hart und unnachgiebig in seinem Bestreben gemacht. Damals, als er zum Mann reifte, die grenzenlose Freiheit genoss, hatte er für leicht verdientes Geld die verschiedensten Gelegenheitsjobs angenommen, in welchen er meist mit einem Bein im Gefängnis stand.

      Seine Devise war: Erlaubt ist alles, nur erwischen darf man sich nicht lassen. Dennoch hatte er sich bei einem Raubüberfall erwischen lassen und landete im Gefängnis. Er bezeichnete später diesen Raubüberfall, bei dem er Schmiere stand, immer als besoffene Geschichte und Jugendsünde. In einer Bar soff er mit einigen ihm unbekannten Kumpeln. Diese Kumpel luden ihn und Fredy, den er dort kennen lernte, ein, und zahlten ihre Zeche. Dann, zu später