»Meine teure Louisa«, begann Miß Tox, »da ich wußte, wie sehr Ihr in Sorgen seid, so bewog mich der Wunsch, sie Euch abzunehmen, nach der Entbindungsanstalt ›Königin Charlotte‹ für verheiratete Frauen zu eilen – Ihr wißt, daß Ihr jene Anstalt vergessen habt – und dort anzufragen, ob nicht jemand da sei, den man für passend halte. Die Antwort lautete nein. Ich kann Euch versichern, daß ich, als ich diese Erwiderung vernahm, um Euretwillen fast in Verzweiflung geriet. Es fügte sich aber, daß eine von den verheirateten Frauen der Anstalt, die die Anfrage hörte, die Vorsteherin an eine andere erinnerte, die bereits nach Hause gegangen sei und, wie sie meinte, wahrscheinlich den Anforderungen genügen dürfte. Sobald ich das und noch obendrein von seiten der Vorsteherin die Bekräftigung vernahm – vortreffliche Zeugnisse und unanfechtbare Empfehlung – ließ ich mir die Adresse geben und machte mich augenblicklich wieder auf den Weg.«
»Das sieht meiner lieben guten Tox ähnlich«, versetzte Louisa.
»Durchaus nicht«, entgegnete Miß Tox. »Sprecht nicht so. Als ich in dem Hause anlangte, – alles blitzsauber, meine Liebe, man könnte das Mittagessen auf dem Fußboden einnehmen, traf ich die ganze Familie bei Tisch: und da ich mich überzeugt fühlte, keine Berichterstattung darüber könne für Euch und Mr. Dombey nur halb so befriedigend sein, als wenn Ihr sie alle miteinander sehen würdet, so brachte ich sie mit. Dieser Gentleman«, fügte Miß Tox bei, indem sie auf einen Mann mit einem Apfelgesicht zeigte, »ist der Vater. Wollt Ihr so gut sein, ein wenig näher zu treten, Sir?«
Der Mann kam der Aufforderung augenblicklich nach und pflanzte sich kichernd und grinsend als Vorderster in der Reihe auf.
»Das ist natürlich seine Frau«, fuhr Miß Tox fort und zeigte auf die junge Frau mit dem Wickelkinde. »Wie geht es Euch, Polly?«
»Ziemlich gut – ich danke schön, Ma'am«, versetzte Polly.
Um sie zu ermutigen, hatte Miß Tox ihre Frage in dem herablassenden Ton einer alten Bekannten gestellt, so etwa, wie wenn man sich einige Wochen nicht mehr gesehen hat.
»Es freut mich, das zu hören«, erwiderte Miß Tox. »Die andere junge Frau ist ihre unverheiratete Schwester; sie wohnt bei ihr und könnte solange für die Kinder sorgen. Ihr Name ist Jemima. Wie gehts Euch, Jemima?«
»Ziemlich gut – ich danke schön, Ma'am«, entgegnete Jemima.
»Freut mich in der Tat sehr, das zu hören«, sagte Miß Tox. »Ich hoffe, es wird Bestand haben. Fünf Kinder. Das jüngste sechs Wochen. Der schöne kleine Knabe mit der Blase auf seiner Nase ist der älteste. Die Blase, hoffe ich«, fügte Miß Tox hinzu, indem sie ihre Augen über die Familie gleiten ließ, »ist nicht erblich, sondern zufällig?«
Der Mann mit dem Apfelgesicht brummte etwas wie Bügeleisen vor sich hin.
»Ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte Miß Tox, »was sagtet Ihr –?«
»Bügeleisen«, wiederholte er.
»O ja«, sagte Miß Tox. »Ja! Ganz richtig. Ich vergaß es. Die kleine Kreatur hat in Abwesenheit der Mutter an einem heißen Bügeleisen gerochen. Ist es nicht so, Sir? Als wir an der Tür unten anlangten, hattet Ihr die Güte, mir mitzuteilen. Ihr seiet von Gewerbe ein –«
»Schürer«, sagte der Mann.
»Ein Spürer?« entgegnete Miß Tox erstaunt.
»Schürer«, wiederholte der Mann. »Dampfmaschine.«
»O – h! ja!« versetzte Miß Tox, indem sie ihn gedankenvoll und mit einer Miene ansah, als habe sie noch nicht recht verstanden, was er sagen wolle. »Und wie gefällt es Euch, Sir?«
»Was, Ma'am?« fragte der Mann.
»Das«, erwiderte Miß Tox. »Euer Gewerbe.«
»O, schon recht, Ma'am. Die Asche kommt bisweilen hier herein«, er griff bei diesen Worten nach seiner Brust, »und ist Schuld daran, daß man, wie eben jetzt, ein bißchen rauh spricht. Es ist übrigens nur die Asche, Ma'am, keine Grobheit.«
Miß Tox schien es trotz dieser Erwiderung sehr schwer zu fallen, den Gegenstand weiter zu verfolgen. Mrs. Chick kam ihr jedoch zu Hilfe, dadurch daß sie ein genaues Privatverhör über Polly, ihre Kinder, ihr Ehestandszertifikat, ihre Zeugnisse usw. begann. Polly bestand diese Ordalie glücklich, worauf Mrs. Chick sich mit ihrem Rapport nach dem Zimmer ihres Bruders begab und zu nachdrücklicherer Bekräftigung desselben die zwei rosigsten kleinen Toodles mit sich nahm. Toodle war nämlich der Geschlechtsname der apfelgesichtigen Familie.
Mr. Dombey war seit dem Tode seiner Gattin auf seinem Zimmer geblieben und hatte Träume über die Jugend, die Erziehung und die seines neugeborenen Söhnleins gesponnen. Auf dem Grunde seines kalten Herzens lag etwas, kälter und schwerer, als sonst; aber es betraf mehr den Verlust des Kindes, als seinen eigenen – ein Gefühl, das sich fast zu einem ärgerlichen Leide steigerte. Sollte Leben und Gedeihen dessen, auf welchen er so große Hoffnung setzte, schon zu Beginn durch gemeinen Nahrungsmangel gefährdet werden? Der Gedanke, daß Sein und Nichtsein von Dombey und Sohn in den Händen einer Amme lag, war für ihn eine empfindliche Demütigung. Bei seiner stolzen Eifersucht war ihm der Gedanke furchtbar, gleich beim allerersten Schritt zur Erreichung seines heißersehnten Herzenswunsches auf eine gemietete Dienerin angewiesen zu sein, die – wenigstens vorläufig – dem Kinde alles das werden mußte, wozu sogar seine Gattin nur durch die Verbindung mit ihm gelangt war; er erfüllte ihn mit solcher Bitterkeit, daß ihm jede neue Verwerfung einer Bewerberin geheime Freude machte. Doch war jetzt die Zeit gekommen, die von ihm die Zurücksetzung dieser widerstreitenden Gefühle forderte, um so mehr, als ihm seine Schwester die Vorzüge von Polly Toodle unter vielen Lobeserhebungen auf die unermüdliche Freundschaft der Miß Tox aufs wärmste schilderte.
»Die Kinder sehen gesund aus«, sagte Mr. Dombey. »Aber wenn ich daran denke, daß sie eines Tages eine Art Verwandtschaft zu Paul geltend machen könnten! Nimm sie mit fort, Louisa! Ich will die Frau und ihren Mann sehen.«
Mrs. Chick entfernte das zartere Toodlespaar und kehrte bald mit dem derberen, dessen Erscheinen ihr Bruder gewünscht hatte, zurück.
»Meine gute Frau«, begann Mr. Dombey, indem er sich auf seinem Lehnstuhl wie eine Maschine und nicht wie ein Mann mit Gliedern und Gelenken drehte, »wie ich höre, seid Ihr arm und wünscht Geld zu verdienen durch die Pflege des kleinen Knaben, meines Sohnes, der so frühzeitig einen unersetzlichen Verlust erlitten hat. Ich habe nichts dagegen, daß Ihr die Einkünfte Eurer Familie auf diese Weise erhöhen wollt, und soviel ich sehen kann, scheint Ihr mir eine anständige Person zu sein; aber ehe Ihr in der gedachten Eigenschaft in mein Haus tretet, muß ich Euch eine oder zwei Bedingungen ans Herz legen. So lange Ihr Euch hier aufhaltet, müßt Ihr Euch den Namen – Richards beilegen; er ist gewöhnlich und passend. Habt Ihr etwas dagegen, Euch Richards nennen zu lassen? Es wird gut sein, wenn Ihr Euch mit Eurem Manne darüber beratet.«
Da ihr Mann aber fortwährend kicherte und grinste und sich beständig mit der rechten Hand über den Mund fuhr, um die Handfläche anzufeuchten, so machte Mrs. Toodle, nachdem sie ihn zwei- oder dreimal vergeblich mit dem Ellbogen angestoßen hatte, einen Knix und erwiderte, »wenn sie um ihren ehrlichen Namen kommen solle, so ließe sich dieser Umstand durch die Höhe ihres Lohnes vielleicht ausgleichen.«
»Das versteht sich«, entgegnete Mr. Dombey. »Ich wünsche sogar, danach den Lohn festzusetzen. Wohlan also, Richards, wenn Ihr mein mutterloses Kind verpflegen wollt, so dürft Ihr diese Bedingung nie vergessen. Ihr werdet ein anständiges Gehalt erhalten als Belohnung für die gewissenhafte Erfüllung Eurer Pflichten; ich wünsche übrigens noch, daß Ihr so wenig als möglich mit Eurer Familie zusammenkommt. Habt Ihr Eure Obliegenheiten erfüllt, so hört mit Zahlung des Gehalts jede weitere Beziehung zwischen uns auf. Versteht Ihr mich?«
Mrs. Toodle schien hierüber nicht ganz mit sich im klaren zu sein; bei ihrem Mann konnte davon aber nicht die Rede sein, da er mit seinen Sinnen ganz wo anders war.
»Ihr habt eigene Kinder«, sagte Mr. Dombey. »Zu unserm Vertrag gehört es durchaus nicht, daß Ihr Anhänglichkeit für mein Kind beweist, oder daß mein Kind sich