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hast.«

      Miß Blimber drückte ihre Ansicht über Pauls Unwissenheit mit einer gewissen düstern Wonne aus, als hätte sie ein solches Resultat erwartet und freue sich, zu finden, daß sie in stetigem Verkehr bleiben würden. Paul entfernte sich, wie ihm geheißen worden, mit dem ersten Buche und arbeitete in dem Schulzimmer drauflos. Hin und wieder war ihm jedes Wort darin gegenwärtig; dann vergaß er sie aber insgesamt wieder und alles andere mit, und als er es zuletzt wagte, wieder hinaufzugehen, um das Gelernte herzusagen, verlor sich fast alles wieder aus seinem Kopfe, noch ehe er angefangen hatte; denn Miß Blimber schloß das Buch und sagte: »Nur zu, Dombey!« – ein Verfahren, das so deutlich ihre Bekanntschaft mit dem Inhalt verriet, daß Paul die junge Dame bestürzt ansah, als sei sie eine Art gelehrter Guy Faux oder eine künstliche Vogelscheuche, mit schulgerechtem Stroh dick ausgestopft. Gleichwohl machte er seine Sache nicht übel, und Miß Blimber, die ihn wegen des verheißungsvollen Anfangs lobte, versah ihn sogleich mit dem Gegenstand B, von dem er noch vor dem Mittagessen zu C und sogar zu D überging. Daß er so bald nach der Mahlzeit seine Studien wieder aufnehmen sollte, kam ihm sehr hart vor, denn er fühlte sich schwindlig, verwirrt und schläfrig. Indes erging es sämtlichen jungen Gentlemen ebenso, und dennoch mußten auch sie an ihre Studien gehen – einiger Trost wenigstens, wenn man's so nennen kann. Es war ein Wunder, daß die große Uhr in der Halle stets nur auf ihrer ersten Frage beharrte und nie sagte: »Gentlemen, wir wollen jetzt unsere Studien aufnehmen«; denn diese Phrase wurde jedenfalls oft genug in ihrer Umgebung wiederholt. Die Studien machten ihren Umgang wie ein großes Rad, und die jungen Gentlemen waren stets darauf geflochten.

      Nach dem Tee fingen die Übungen abermals an, und bei Kerzenlicht wurden die Vorbereitungen für den nächsten Tag vorgenommen. Im Laufe der Zeit kam denn nun das Zubettgehen, und auf dem Lager fand man Ruhe und süßes Vergessen, wenn sich nicht die Wiederaufnahme der Studien in die Träume mischte.

      O Sonnabende! o glückliche Sonnabende, an denen Florence stets nachmittags kam und selbst beim schlechtesten Wetter nicht wegbleiben mochte, gleichviel wie sehr Mrs. Pipchin darüber schalt, knurrte und das arme Mädchen quälte. Diese Sonnabende waren neben der ganzen Judenschaft zugleich auch Sabbate für zwei kleine Christen und dienten dem heiligen Sabbatwerke, die Liebe eines Bruders und einer Schwester inniger zu knüpfen.

      Nicht einmal die Sonntagabende – die schweren Sonntagabende, deren Schatten den ersten erwachenden Lichtstrahl der Sonntagmorgen verdüsterten – konnten diese köstlichen Sonnabende vergällen. Paul kümmerte sich nicht darum, ob sie an der weiten Seeküste zugebracht wurden, wo sie beieinander saßen und miteinander lustwandelten, oder ob sie sich nur in Mrs. Pipchins öder Hinterstube befanden, wo sie ihm so sanft zusang, während er das schläfrige Köpfchen auf ihren Arm lehnte. Alles andere war ihm nichts – nur Florence sein einziger Gedanke. Wenn dann an Sonntagabenden die unheimliche Tür des Doktors offen stand, um ihn wieder für eine Woche zu verschlingen, so fand er nur noch Zeit zum Abschied für Florence, für niemand anders.

      Mrs. Wickham war nach dem Hause in London zurückversetzt worden, und Miß Nipper, nunmehr ein stattliches junges Frauenzimmer, hatte in Brighton ihre Stelle ersetzen müssen. Wie manchem Einzelkampfe mit Mrs. Pipchin widmete sich nicht Miß Nipper ritterlich, und wenn je erstere in ihrem ganzen Leben einen ebenbürtigen Gegenpart gefunden hatte, so war dies jetzt der Fall. Miß Nipper warf schon am ersten Morgen, den sie in Mrs. Pipchins Hause zubrachte, die Scheide ihres Säbels weg und verlangte ebensowenig Pardon, als sie ihn selbst gewährte. Sie sagte, es müsse Krieg sein, und so war es auch. Mrs. Pipchin lebte von Stunde an unter einem fortwährenden System von Überraschungen, Plackereien und Herausforderungen; ja, die Scharmützel trafen sie sogar von dem Flur aus in dem unbewachten Augenblicke der Hammelrippchen und vergällten ihr jede Röstschnitte.

      Als nach einem Abendgang mit Paul nach dem Hause des Doktors Sonntags Miß Nipper mit Florence nach Hause zurückkehrte, holte letztere aus ihrem Busen einen kleinen Papierstreifen hervor, auf dem sie einige Worte aufgezeichnet hatte.

      »Seht her, Susanna«, sagte sie. »Dies sind die Titel der kleinen Bücher, die Paul noch lernen soll, wenn er schon von den langen Übungen ermattet ist. Ich habe sie gestern abend aufgezeichnet, als er schrieb.«

      »O, seid so gut, es mir nicht zu zeigen, Miß Floy«, entgegnete Nipper. »Ich möchte ebensogern Mrs. Pipchin sehen.«

      »Ich möchte Euch bitten, Susanna, daß Ihr sie morgen früh für mich kauft«, sagte Florence. »Mein Geld reicht wohl.«

      »Ei, du meine Güte, Miß Floy«, erwiderte Miß Nipper, »wie mögt Ihr nur auch so sprechen, da Ihr schon Bücher über Bücher habt, und Lehrer und Lehrerinnen dazu, die Euch ohne Unterlaß alles lehren, obschon ich glaube, Miß Dombey, Euer Papa würde nie daran gedacht haben, Euch etwas lernen zu lassen, wenn Ihr ihn nicht darum gebeten hättet und er es deshalb nicht gut abschlagen konnte. Ja, Miß, es ist ein großer Unterschied, etwas zu tun, wenn man darum angegangen wird, und sich zu etwas unaufgefordert zu erbieten. Ich habe vielleicht nichts dagegen einzuwenden, wenn mir ein junger Mann Gesellschaft leistet, und sage vielleicht ja, falls er mich darum ersucht; dies ist aber etwas ganz anderes, als wenn ich sagen wollte: ›Mögt Ihr nicht so gut sein, mich gerne zu haben‹.«

      »Aber Ihr könnt mir ja die Bücher kaufen, Susanna, und Ihr werdet es auch tun, wenn Ihr wißt, warum ich sie wünsche.«

      »Gut, Miß; und warum wünscht Ihr sie?« versetzte Nipper und fügte dann in gedämpfter Stimme bei: »Handelt sich's darum, sie Mrs. Pipchin an den Kopf zu werfen, so will ich Euch eine ganze Wagenlast bringen.«

      »Ich glaube, Susanna, wenn ich diese Bücher habe, bin ich vielleicht imstande, Paul einige Hilfe zu leisten«, sagte Florence. »Möglich, daß ihm für die nächste Woche eine kleine Erleichterung dadurch kommt. Ich möchte es wenigstens versuchen. Kauft mir sie also, meine Liebe, und ich werde Euch diese Freundlichkeit nie vergessen.«

      Es hätte ein härteres Herz dazu gehört, als das von Susanna Nipper war, um die kleine Börse, die Florence ihr bei diesen Worten darbot, zurückzuweisen, oder dem flehenden Blicke, womit sie ihr Gesuch begleitete, zu widerstehen. Susanna nahm ohne Widerrede das Geld zu sich und machte sich unverweilt auf den Weg, um dem Anliegen zu entsprechen.

      Die Bücher waren nicht leicht zu bekommen, denn in den Buchläden lautete in der Regel die Antwort, sie seien eben erst ausgegangen, würden gar nicht geführt, haben sich im letzten Monat in großer Menge vorgefunden oder es würde nächste Woche reichlich Vorrat sein. Susanna war übrigens nicht so bald zu ermüden; denn nachdem sie einen weißhaarigen Jüngling in einer schwarzen Kattunschürze, der in einer ihr bekannten Buchhandlung angestellt war, veranlaßt hatte, sie bei ihrem Nachforschungsgange zu unterstützen, führte sie ihn auf eine Weise hin und her, daß er, nur um sie endlich loszuwerden, sein Äußerstes aufbot und sie dadurch in die Lage setzte, zuletzt einen triumphierenden Heimzug zu feiern.

      Nach Beendigung der eigenen täglichen Aufgaben setzte sich nun Florence abends mit diesen Schätzen nieder, um Pauls Fußstapfen über die dornigen Wege der Gelehrsamkeit zu folgen. Sie besaß von Natur gute Anlagen, und Dank sei es jenem wunderbaren Lehrer, der Liebe – es dauerte nicht lange, bis sie Paul nachgekommen und ihn sogar überholt hatte.

      Nicht eine Silbe hiervon verlautete zu Mrs. Pipchin. Aber manche Nacht, wenn alle andern Leute im Bett lagen und Miß Nipper mit aufgewickelten Locken und in sehr unbequemer Stellung an ihrer Seite schlummerte – wenn die Asche im Kamin kalt und grau, die Kerze aber fast niedergebrannt war, gab sich Florence so angelegentlich Mühe, für einen kleinen Dombey zu arbeiten, daß ihr Eifer und ihre Ausdauer ihr fast ein gutes Recht hätten erringen können, diesen Namen selbst zu tragen.

      Und wie groß war ihr Lohn, als sie eines Sonnabends, als der kleine Paul in der gewohnten Weise »seine Studien wieder aufnehmen« wollte, an seiner Seite Platz nahm und ihm zeigte, wie für ihn alles Rauhe geebnet und alles Dunkle klar und deutlich gemacht worden sei. Es war nur der Ausdruck der Verwunderung in Pauls bleichem Gesicht – ein Erröten, ein Lächeln – und dann eine innige Umarmung; aber Gott weiß, wie ihr das Herz hupfte bei dieser reichen Belohnung für ihre Mühe.

      »O Floy!« rief ihr Bruder. »Wie liebe ich dich! wie liebe ich dich, Floy!«

      »Und