Auf der Heimfahrt, auf dem Rücksitz des 4CV, bekam meine Zunge dann weiteren Unterricht. Dabei blickte Simones Schwester Steffi immer wieder grinsend in den Rückspiegel, drehte sich zu uns rum und sagte Sätze wie: „Nicht das Luftholen vergessen“ oder „Na das muss Liebe sein.“ Dazu jammerten glatt gebügelte Synthesizer-Klänge grausam durch den Wagen, es war unerträglich heiß und ich fühlte mich alles anders als wohl. Klar, dass wir knutschten war toll. Es war interessant, spannend, aufregend - das ja. Aber irgendwie auch viel zu hektisch und schnell und angestrengt. Dazu noch die Kommentare von Steffi und im Hintergrund Gedudel von Modern Talking. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Mitten in der Knutscherei spürte ich einen Schmerz in der Schulter. Es war nur ein kleiner Stich, aber stark genug, um mich aufspringen zu lassen und Simone von mir runter zu schieben. Ich griff mit der rechten Hand um meinen linken Oberarm und tastete nach einer Stelle an meinem Rücken.
„Oh, nein“, rief Simone. „Scheiße. Du hast dir eine von den Sitzfedern in den Rücken gepiekst.“ Sie wandte sich nach vorne. „Steffi, dein blödes Auto. Hier hinten gehen die Sitze jetzt auch kaputt.“
„Ehrlich? Ach Mist.“ Steffi klang ernsthaft in Sorge um ihren Wagen.
„Ist nicht so schlimm“, stammelte ich tapfer. Was stimmte und gleichzeitig auch nicht stimmte. Ich hatte vielleicht nur eine kleine Wunde abbekommen, aber das T-Shirt war ein Totalschaden. Aus dem kleinen Einschnitt war durch mein Zusammenzucken ein Riss geworden, der sich einmal quer über meinen Rücken zog. Und das war furchtbar.
„Das Shirt ist durch“, urteilte Simone.
Ich nickte.
„Ist nicht schlimm“, wiederholte ich dennoch. Und damit war für Simone genug geredet. Sie beugte sich wieder über mich und fuhr mit dem Unterricht fort. Immerhin kam es mir so vor, als ob sie jetzt ein wenig vorsichtiger wäre.
Als ich später dem kleinen, blauen Wagen hinterher winkte, war ich alles in allem sehr zufrieden. Ich hatte eine Verabredung hinter mich gebracht. Ich hatte einen fantastischen Film gesehen. Und vor allem: ich hatte geknutscht. Nur das mit dem T-Shirt war nicht gut. Basti würde ausrasten.
Aber als ich ihm am nächsten Morgen die Plastiktüte mit den Überresten seines geliebten Kleidungsstückes, zusammen mit einer Tafel Nussschokolade, in die Hand drückte und dabei aufrichtig gemeinte Entschuldigungen stammelte, beachtete Basti das Shirt kaum. Stattdessen legte er mir die Hand auf die Schulter und blickte mir tief in die Augen.
„Pete, jetzt beruhig dich mal und sag mir nur eins.“ So ernsthaft hatte ich meinen Freund selten erlebt. Sein Gesicht war vollkommen unbeweglich und ich hatte Mühe seinem bohrenden Blick Stand zu halten.
„Hast du’s gepackt?“
Wir starrten uns an. Ich überlegte, ob ich erzählen sollte, dass ich es eigentlich kolossal versiebt hätte. Dass ich überhaupt nichts gepackt hätte, wenn nicht Simone mich… Ich nickte.
Bastis Gesicht verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde in eine übermütige Grimasse. Mit einer ausholenden Bewegung schleuderte er die Plastiktüte mit dem Shirt hoch in die Luft und schrie: „Hallelujah!!“ Dann formte er seine Hände zu Trichtern und rief einer unsichtbaren Menschenmenge zu: „Er hat’s gepackt! Peter Boltenhagen hat’s gepackt.“ Ich sah ihm still lächelnd bei seiner Performance zu. Dann ging ich zwei Meter zurück, hob die Plastiktüte mit den Shirt-Resten auf und warf sie in einen Papierkorb.
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