Im Jahre 2017 konnten wir wieder viele Eseleien erleben, die Sie in diesem Sammelband noch einmal in komprimierter Form durchleben dürfen.
Viel Freude beim Lesen,
Ihr Roger Reyab im Januar 2018
13 Prozent
Nein, leider nicht. Es hat mich weder Frau Weidel noch Herr Gauland, nicht Herr Meuthen und auch sonst keiner angerufen und sich bedankt. Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Keiner der Protagonisten, die mit einer furiosen Wahl in den Bundestag katapultiert wurden, hat sich bei dem kleinen Roger bedankt. Nun hatte ich damit auch nicht gerechnet. Denn ich bin ja nur ein kleiner Schmierfink, der seit Jahren nichts anderes tut, als sich über die Themen der Republik einen eigenen Reim zu bilden. Diesen Reim haben sich nun aber auch ein paar andere gemacht. Es war Wahl, wie wir wissen und die Deutschen sind diesmal zumindest im Ansatz etwas aufmüpfig und schnippisch gewesen. 13 % der Deutschen, was immerhin 87 % nicht sind, also eben diese kleine und verschworene Gemeinschaft von merkwürdigen Freaks haben sich tatsächlich diesmal geäußert.
Nun kann man das in viele Richtungen interpretieren. Die Mainstream-Medien sind da sehr einfallslos. Sie lernen einfach nicht, dass man manchmal auch Argumentationen etwas verändern muss, um noch interessant und vor allem treffend zu bleiben. Das hört sich dann immer gleich an: Einige Menschen haben Angst und sind alt und männlich, und haben vielleicht auch sonst Probleme, und diese Menschen schreien ihren Frust heraus, obwohl sie eigentlich lieber CDU wählen würden. Das klingt nicht nur merkwürdig - es ist es auch. Wenn es solche Wähler tatsächlich geben sollte, dann möchte ich die nicht kennenlernen. Das ist aber die liebste Interpretation der Mainstreampolitexperten. Wie man sich nicht erst seit gestern des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Experten in der politischen Arena eigentlich alle nicht sehr viel von Politik verstehen. Oder anders gesagt: Sie nehmen Dinge einfach stoisch nicht wahr, die ansonsten alle wahrnehmen. Diese merkwürdige Wahrnehmungsstörung vieler Experten, die sich auch jetzt wieder beflissen über die Wahlergebnisse hermachen, hören sich allesamt sehr unwahrscheinlich an. Es sind Konstruktionen, die erhebliche Mängel in der Frage der Kausalität von Ursache und Wirkung aufweisen.
So hörte ich, dass man sich den Wahlerfolg der AfD damit erklärt, dass die meisten Wählerinnen und Wähler eben Protest gewählt haben. Eigentlich lieben sie im tiefsten Innern Frau Merkel oder Herrn Schulz, aber sie haben sich diesmal eben aus reinem Trotz zu einem Seitensprung entschieden. Sie sind morgens aufgestanden, haben gefrühstückt und geduscht und sind dann trotzig in die Wahlbüros der Republik gestolpert, um Frau Merkel jetzt einmal richtig zu betrügen.
Finden Sie diese Sichtweise wahrscheinlich?
Unsere Experten schon.
Ich glaube eher, und da widerspreche ich den Seitensprungtheorien, dass die meisten nicht deshalb AfD gewählt haben, weil sie Frau Merkel auf den richtigen Weg zurück bringen wollen, sondern ich vermute, dass die meisten dieser Wähler mit Frau Merkel abgeschlossen haben. Ich will damit sagen, dass es schon einer zynischen Selbstwahrnehmung bedarf, um als geschiedener Mann zu behaupten, dass die Frau sich nur aus Trotz hat scheiden lassen, weil sie damit ihren Protest ausdrücken wollte. Würden Sie so einen Mann ernstnehmen? Ich nicht.
Nun erwarten unsere Politclowns in den Sendern aber genau das. Sie halten es für wahrscheinlich, dass die AfD-Wähler alle noch Frau Merkel lieben. Es scheint in ihr gesamtes politisches Korsett eben nicht zu passen, dass es einen gesunden und nicht geisteskranken Menschen in der Republik gibt, der Frau Merkel nicht liebt und deshalb im Höchstfall eine negative Kontaktaufnahme durch Trotzhandlungen vollbringen kann. Die hoch bezahlten Politexperten dieser Republik behaupten dann, dass die AfD am rechten Rand Seelen gefischt hat und sich als Lamm im Wolfspelz etabliert. Sie gehen davon aus, dass die Angst, die angeblich alle Menschen umtreibt und sie dann zu Überreaktionen nötigt, dass diese phobische Angst vor allem Neuen, Innovativen und eben Fortschrittlichen, die Triebfeder der Verwirrung der seelisch gestörten Wähler verkörpert.
In endlosen Talkshows analysieren und orakeln sie; sie unterstellen der AfD rechtsradikale Umtriebe und entblöden sich auch nicht, den alten Hitler immer wieder aus der Schublade zu zerren, um die AfD zum tausendsten Mal dazu zu nötigen, eine insgeheime und lang vermutete Nähe zum „Führer“ zuzugeben. Am liebsten würden sie hören, dass Gauland auf die Knie geht und zugibt, dass er daheim einen Schrein mit Steuergeldern errichtet hat, der nur dem Zweck der geheimen Götzenverehrung von Nazi-Devotionalien dient. Wenn Gauland dann sagt, dass er kein Nazi ist, wenn das Weidel und Meuthen sagen, dann wird die Stirn kraus gezogen und man sieht die Menschen an, als ob sie gerade die längste Pinocchio-Nase im Gesicht hätten.
Die Parteien haben ihrer Ansicht nach alle wieder gewonnen. Selbst die SPD tut so, als ob die Wähler etwas an den Ohren haben. „Wir haben da etwas nicht deutlich genug gemacht …“ oder die liebste Variante „Wir müssen das besser kommunizieren.“
Nein danke. Ihr braucht nichts besser kommunizieren. Wir haben schon verstanden. An den Taten sollt ihr sie erkennen, hat schon der alte Jesus gesagt.
Als Frau Merkel den Abschluss ihres Wahlkampfes in München gab, konnte man im Fernsehen kaum ein Wort verstehen. Das lag aber nicht an der einfach strukturierten Rede der Kanzlerin, sondern an den Pfeifchören, die ihren Unmut ausdrückten. Die angeblich von allen Himmelsrichtungen angekarrten Jubel-AfDler und sonstige Chaoten verschafften einem ein Déjà-vu-Erlebnis. Es erinnerte irgendwie an die Jahresfeier der DDR zum vierzigjährigen Bestehen. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass Frau Merkel damals noch nicht Kanzlerin war.
Als am Sonntag die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme tickerten, gab es eine große Überraschung. Man hätte niemals damit gerechnet, dass Frau Merkel wieder Kanzlerin wird. Zwar hatte sie in allen Umfragen die Nase vorn, aber man konnte es sich dennoch nicht vorstellen. Man war also absolut überrascht durch diese super spannende Wahl. Wer hätte gedacht, dass es Frau Merkel noch mal schafft? Eigentlich jeder und es erinnerte an einen Krimi, bei dem man den Mörder schon ganz am Anfang entlarvt und danach nur noch über Bodeneruptionen im kaukasischen Meer berichtet.
Nun taten die Journalisten aber so, als gäbe es doch eine Überraschung.
Man war nämlich doch etwas erstaunt, dass es die kleine Splitterpartei AfD mit 13 % in den Bundestag schaffte und damit dritte Kraft wurde. Im Osten der Republik war sie sogar die zweite und manchmal auch erste Kraft.
In der Elefantenrunde bemühte man sich dann auch um Schadensbegrenzung.
Obwohl die AfD eigentlich als einzige Partei, außer der FDP, nichts verloren aber viel gewonnen hatte, redeten wieder nur die anderen. Das kennt man aber schon und ist es gewohnt. Man erinnert sich an die Zeiten der Flüchtlingskrise, in der die AfD nirgendwo eingeladen wurde und dennoch alle über sie in Abwesenheit sprachen. Dieses Vorgehen scheint sich nun auch nicht grundlegend geändert zu haben, nur mit dem Unterschied, dass die AfD jetzt dabei sitzen darf. Sobald die AfD dann aber etwas sagen will, reden alle dazwischen und die Sendeleitung kann sich kaum zurückhalten, den gesamten O-Ton mit einem lauten Piepen zu übertönen. Wenn man dann dennoch einen zusammenhängenden Satz verstehen kann, sitzen alle wie die Aasgeier mit aufgerissenem Mund um das Opfer, das von allen Seiten mit Häme und Abscheu überschüttet wird. Wenn der mit Pech und Schwefel überzogene Redner der AfD sich etwas reinigen möchte, schüttet man ihm gleich zwei weitere Kübel Gülle über den Kopf. Nach Luft schnappend und dem Erfrierungstod nah, hört der Zuschauer dann noch ein unverständliches Krächzen, das aber sofort von irgendeinem Publikum totgebuht wird. Man konnte das sehr eindrucksvoll in einigen Talkshows beobachten, in denen man nicht ein Wort von der AfD hören konnte, ohne dass die Moderatorin oder der Moderator das Thema blitzartig wechselte und den Redner mitten im Satz unterbrach. Applaus gibt es bei der AfD nie oder nur so spärlich, dass man sich an eine fehlgeschlagene Premiere einer Zwölftonoper erinnert fühlt.
Während die Dauerredner der Volksparteien ohne Volk sich dann in epischen Kindheitsbetrachtungen ergehen können und auch die unwesentlichsten rhetorischen Klimmzüge vom Publikum frenetisch und orgiastisch mit Standing Ovations gefeiert