Gertrud
Roman
von
Luise Reinhardt
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel.
Erstes Kapitel.
Erstes Kapitel.
Erstes Kapitel.
Erster Teil.
Erstes Kapitel.
D er Landstrich im mittleren Deutschland, welcher sich vom Elbstrome bei Dresden, westlich hinüber nach Kurhessen zieht, ist stets vorzugsweise von den bedeutendsten adeligen Familien bewohnt gewesen. Nirgends fand man so viele Barone, Grafen und Herzöge, wie dort, und auch das geistigere Leben schien sich in diese Landesdistrikte geflüchtet zu haben, als Deutschlands Genius sich zu regen begann.
Ohne auf einen wild romantischen Charakter Anspruch zu machen, ziehen sich die Ebenen voll fruchtbarer Üppigkeit, durchschnitten von einer Menge kleiner Flüsse und oftmals von Höhen unterbrochen, die teils mit uralten Waldungen gekrönt, teils mit Wein bebaut sind, von dem Elbestrand bis zu den Ufern der Werra und Fulda hin, und die Saale mit ihren anmutigen Ufern durchschneidet in fast lächerlichen Krümmungen das Land, bis sie sich einige Meilen vor Magdeburg in die Elbe ergießt.
In den anmutigen Tälern sowohl, als auf den waldumkränzten Hügeln lagen zerstreut die Wohnungen reicher und armer Edelleute, die in frühern Jahrhunderten bei weitem weniger als jetzt geneigt waren, die patriarchalische Würde gegen ein Hofamt oder gar gegen Militär- und Zivilkarrieren zu vertauschen. Sie thronten, bevorzugt und mit Privilegien aller Art ausgerüstet, als Herren auf ihren Edelsitzen und glaubten sich Könige. Was manchem an Reichtum abging, das hatte er dafür an Ahnen aufzuweisen, und die Zahl derselben, in unentweihter Reihenfolge, war wohl im Stande einen leeren Beutel und ein zerfallendes Schlossgebäude mit dem Glanze irdischer Hoheit zu verklären. Aber auch reiche Edelleute von untadelhaftem Stammbaume gab es in den Gauen des kleinen Landstrichs, den wir bezeichnet haben, und unter diesen zeichnete sich das Geschlecht Bünau von RittbergenNote 1) als ein von Gott reich gesegnetes und auch reich begabtes aus. Von allen Standesgenossen geachtet und von allen Untergebenen geliebt, lebte der Stammherr Reinhard Bünau von Rittbergen seit Jahresfrist mit seiner jungen, wunderschönen Schwester Margareth auf dem väterlichen Schlosse, das von alter Bauart, umgeben von den Trümmern einer stolzen und mächtigen Vergangenheit, dennoch nicht ohne Ansprüche auf Pracht war. Der Charakter der Landschaft, die Üppigkeit des Waldgrünes und der Wiesen, von einem kleinen, rasch rieselnden Gewässer verschönt, milderten das Raue und Altritterliche des Rittberg’schen Ahnensitzes, und die Überbleibsel einstiger Barbarei waren von der Hand der Zeit sowohl, als von der Mildherzigkeit der Mutter Natur so hinlänglich und entsprechend vorbereitet gewesen, dass es dem jungen Schlossherrn nur wenig Mühe und Geld gekostet hatte, um der ›Burg seiner Väter‹ zu einem bewunderungswürdigen Aussehen zu verhelfen. Das antike, mit Seitentürmen versehene Schloss lag gleichsam auf einem Vorsprunge des Gebirgszuges, der sich dicht hinter demselben, aber abgetrennt, in kühnen und hohen Bergrücken, schön bewaldet am westlichen Horizonte entlang zog, während der Osten eine freie Ebene mit Baumgruppen,