Kuckucksgeschwister. Helfried Stockhofe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helfried Stockhofe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754945575
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zwischen Mutter, Verlegerin und dieser Stadtbibliothekstante, ja eigentlich wehrte sie sich gegen das Drängen der Damen, weil es ihr unverständlich war. Dieses Mal hatte es die Mutter als einen besonderen Wunsch formuliert und hinzugefügt, dass sie in dieser Stadtbibliothek in jungen Jahren schon einmal gewesen sei und sie deshalb die Verlegerin gebeten habe, mit der ihnen beiden bekannten Bibliothekarin eine Lesung zu vereinbaren. Nostalgie nannte sie das, worauf ihre Tochter Vera meinte, dann solle sie doch selbst mal wieder hinfahren. Es blieb letztlich ein Rätsel, warum der Mutter so daran lag, dass sie dort ihr Buch vorstellte. Erstaunlich war auch, dass ihre Verlegerin so schnell einen Termin vereinbaren konnte. Frauenklüngel macht vieles möglich ...

      Vera las den Zeitungsartikel beim Frühstück und es gab ihr zu denken, dass es dieser Presse-Mann aus der ersten Reihe gewagt hatte, Vergleiche ihrer Romanfigur mit ihr als Autorin anzustellen. Mit seiner positiven Berichterstattung und dem Foto von ihr war sie aber sehr einverstanden. Sie fühlte sich gut getroffen. Der „Berichterstatter“ hieß Hans Wunderfeld und war kein Mitglied der Zeitungs-Redaktion, sondern schrieb Kulturberichte auf Honorarbasis. Das hatte sie auch schon seinem Visitenkärtchen entnommen, für dessen Übergabe er sich im Lesesaal extra angestellt hatte. Gerade als sie den Bericht ein zweites Mal lesen wollte, meldete sich erneut das Telefon. Sie schaute, wer es sein könnte, aber sie kannte die Nummer nicht. Ihre Handynummer war nur wenigen Menschen bekannt, deshalb wurde sie neugierig. Sie verließ den Frühstücksraum und nahm das Gespräch an. Der Gesprächspartner entschuldigte sich, er wolle auch nicht groß stören, rufe sowieso von seiner Arbeitsstelle an, habe ihre Nummer von ihrer Verlegerin, also der langen Rede kurzer Sinn: Er würde sie gerne noch einmal treffen, um ein Interview für die Zeitung mit ihr zu führen. Ach ja, er sei der Hans Wunderfeld, der Mann aus der ersten Reihe. Sie wüsste schon: der Mann bei ihrer Lesung am Samstagnachmittag … Er selbst habe aber heute leider erst ab 17 Uhr frei, ob es ihr denn passe und ob es ihr überhaupt angenehm sei, mit ihm kurz über ihr Buch, das er inzwischen gelesen habe, und über sie als Autorin zu sprechen. Sie stutzte, überlegte kurz und sagte ihm, dass sie zurückrufe. Sie überlegte nun länger, hin und her. War es so ein Interviewtermin wert, dass sie noch einen Tag bliebe? Der Frauenklub schien es zu befürworten, ihre Schwester sowieso. Und sie hatte Zeit. Sie rief zurück und vereinbarte mit dem Zeitungsmenschen einen Abendtermin im Restaurant ihres Hotels. Den Tisch – und es würde diesmal kein Katzentisch sein – wollte sie vorbestellen.

      Hans Wunderfeld, der Mann von der Führerscheinstelle, führte selten Interviews. Der Zeitung war diese Ausnahme sehr willkommen, Abwechslung war immer willkommen, und Lies schien es ein größeres Bedürfnis zu sein als bei all den anderen Gelegenheiten zuvor. Hans führte es darauf zurück, dass die anderen Lesungen in der Regel von Autoren aus der Region gehalten wurden, die ihre Bücher vorstellen und verkaufen wollten. Diese Autoren wurden ohnehin im Vorfeld schon für ihre neuesten Werke in der Zeitung gelobt und Lies befürchtete ein wenig, dass Hans deshalb eher einen Tick zu kritisch sein würde, wenn er sich mit dem Werk eines regionalen Autors beschäftigte. So war sie, nachdem sie es mit Hans ein Mal probiert hatte, nicht mehr auf Interviews von ihm scharf, auch nicht auf seine Berichterstattung von den Lesungen. Hans schmeichelte es, dass er gerade bei dieser prominenten Schriftstellerin von Lies angefragt wurde – er kam nicht auf die Idee, dass ganz etwas anderes dahinterstecken könnte.

      Veras Schwester Fritzi witterte gleich wieder eine gute Partnerfindungsgelegenheit und auch bei Vera blitzte mit dem Gedanken, dass der Interviewer ausnahmsweise ein Mann sein würde, sofort ein Warnlicht auf. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, dem zuzusagen? Andererseits reizte sie das auch, aber natürlich nicht, wie es eine Frau reizt, die auf der Suche nach einem Mann ist. Ihrer Mutter war das scheinbar egal. Sie freute sich ihr gegenüber, dass wieder einmal ein Interview in der Zeitung erscheinen sollte. Sie maß dem eine Bedeutung bei, die Vera seltsam vorkam. Vermutlich, so dachte Vera, will sie ihrem Frauenklub eine Freude machen. Bei aller Professionalität konnte es Vera nicht vermeiden, sich auch als Frau zu fühlen, die im Restaurant einem Mann begegnen würde. Sie überlegte, welche Kleidung und welches Make-up sie wählen sollte. Der Wunderfeld schien ihr kein besonders moderner Mensch zu sein, aber sein Äußeres könnte ja täuschen, denn sein Zeitungsbericht war auch überraschend für sie. Sie war sich unsicher, ob sie sich äußerlich anpassen oder ganz betont absetzen sollte. Mit der Schwester konnte sie darüber nicht reden, sonst käme die auf falsche Gedanken, doch sie wusste, was sie letztlich sagen würde: Du musst dich wohlfühlen! Sie entschied: Beim Essen muss es ohne Make-up gehen!

      Hans ärgerte sich, dass auch er über Äußerlichkeiten Gedanken verschwendete. Ja, er ging sogar noch einen Schritt weiter: Er schaute sich im Internet die Speisekarte des Lokals an und überlegte, was er bestellen sollte. Am meisten plagte ihn die Frage, ob er eigentlich die Rechnung zu übernehmen habe, nicht des Geldes, sondern des Anstands und der möglichen Interpretationen wegen. Endlich fand er eine Lösung: Er würde zahlen und sagen, dass die Zeitung eingeladen habe. In Wirklichkeit hatte ihn die Stadtbibliothekarin darauf gebracht, dass ein Interview doch sicher interessant sei. Und natürlich würde er keinen Cent von der Zeitung für das Essen fordern, denn für ein Interview braucht es kein Essen. Fachlich bereitete er sich selbstverständlich gründlich vor. Zuerst las er das Buch, dann recherchierte er im Internet, dann schrieb er sich einige Fragen auf und lernte diese auswendig – was ihm keine Probleme machte. Sie würden erst nach dem Essen zum Einsatz kommen, das wäre sinnvoll. Während des Essens wollte er so wenig wie möglich als Interviewer auftreten, sondern nur etwas warm werden mit der Berühmtheit. Er hatte aber keinerlei Hemmungen vor großen Namen, das hatte er noch nie gehabt. Dass andere Menschen Autogrammkarten sammeln oder Bücher und Utensilien signieren lassen oder sie gar gegen viel Geld erstehen, kam ihm völlig kindisch vor. Er brauchte keine Idole zum Anhimmeln und keine Gegenstände von denen, so wie er auch nicht irgendwelche Urkunden oder Orden für irgendwelche Verdienste haben oder aufhängen wollte. Wenn er daheim bei seinen Eltern Urkunden von Vereinen an der Wand hängen sah, fand er das lächerlich und genierte sich dafür. Urkunden für eine bloße langjährige Mitgliedschaft, wie lächerlich! In einer Vitrine hatten die Eltern auch kleine wertlose Pokale aufgehoben, die er als Kind für die Teilnahme an Fußballturnieren – nicht einmal für einen Erfolg - erhalten hatte. Sie waren heute noch stolz darauf!

      War es doch auch eine Form der Eitelkeit, dieses gute Gefühl, das er empfand, weil er eine bekannte Schriftstellerin interviewen durfte, nein, nicht nur interviewen, sondern auch noch zum Essen ausführen? Oder war es ganz etwas anderes? Er verspürte auch eine ungewohnte Nervosität. Warum wählte die Autorin eine so private Begegnungsform wie ein Abendessen? Er las sich noch einmal seinen Bericht zur Lesung durch. Vielleicht hätte er doch einiges anders schreiben sollen. Sie würde ihn fragen, was er mit der Parallele der Hauptfigur zur Autorin gemeint habe. Er würde sich herausreden, dass er ja das Buch erst nach seinem Bericht gelesen habe, jetzt sehe er es differenzierter. Sie würde aber nicht locker lassen und fragen, was denn das nun wieder heiße. Da würde er sich nur noch darauf zurückziehen können, dass er sie ja nicht kenne und deshalb es doch gut sei, sich bei einem Essen einmal kennen zu lernen. Damit wäre endlich das weitere Nachfragen gestoppt. Und wenn die Sprache auf ganz etwas anderes käme? Ich darf mir nicht die Initiative aus der Hand nehmen lassen!, nahm er sich vor.

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