Ebenfalls wichtig zu beachten ist die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Einnahmen und Ausgaben.
Unter ordentlichen Einnahmen sind alle Steuern und Abgaben zu verstehen, welche alljährlich durch königliche Autorität vom Volk erhoben werden.
Zu den ordentlichen Ausgaben meint Necker: „Was die ordentlichen Ausgaben betrifft, so sind die einen fixiert durch Edikte oder Deklarationen, wie etwa die ständigen Renten und die Leibrenten, die Zinsen der Inhaber von Scheinen, die Gagen für die Ämter, etc.; die anderen sind festgelegt durch Ratsbeschlüsse, und wiederum andere wurden ganz einfach durch einzelne Entscheidungen des Königs autorisiert.“
Ordentliche Einnahmen und Ausgaben konnten demnach auf verschiedenen Wegen zustande kommen, doch entscheidend war, dass sie alle bis zu einem gewissen Grad ständig und fixiert waren. Necker selbst gab zu, dass es zu weniger Verwirrung geführt hätte, wenn man sie nicht mit „ordentlich“, sondern mit „fix“ benannt hätte.
Es war eine damals unbestrittene buchhalterische Maxime, dass ordentliche Ausgaben durch ordentliche Einnahmen gedeckt werden sollten, was im Endeffekt nichts anderes heißt, als dass man strukturell ausgeglichene Finanzen anstrebte. Ausgaben für unvorhergesehene und temporäre Ausgabe wie z. B. für Kriege oder für die Bewältigung von Naturkatastrophen durften und mussten sogar mit Krediten gedeckt werden, weil sie die Höhe des ordentlichen Budgets oftmals bei weitem überstiegen. Entscheidend bei diesem buchhalterischen Konzept war, dass die Schuldzinsen auf alle Fälle zu den ordentlichen Ausgaben gerechnet wurden. Denn solange der Schuldendienst durch ordentliche Einnahmen getragen werden konnte, fand keine Überschuldung statt. Konnten die ordentlichen, fixen Ausgaben und der Schuldendienst jedoch nicht mehr durch die ordentlichen, alljährlichen Einnahmen gedeckt werden, dann war zu befürchten, dass der Staat mehr und mehr Kredite aufnehmen musste und die Schuldenspirale sich unkontrolliert zu drehen begann. Aus diesen Überlegungen heraus waren in Neckers Compte rendu nur die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt, denn ausgeglichene ordentliche Finanzen galten als ein guter Indikator für gesunde Staatsfinanzen. Alle außerordentlichen Finanzen, insbesondere die Kriegskosten oder die Kreditaufnahmen waren daher im Compte rendu nicht zu finden.
Titelseite, Compte rendu au Roi, 1781
Dieser ist eine Zeitpunktrechnung. Er besaß nur Gültigkeit für den Januar 1781 (als er dem König vorgelegt wurde) und partiell für den Februar 1781 (als er veröffentlicht wurde), danach nicht mehr, denn die Einnahmen- und Ausgabenstruktur wurde laufend verändert. Bereits im selbigen Februar und dann im März wurden zwei neue Kriegskredite aufgenommen, welche die Zinslasten erhöhten und damit den am 19. Februar veröffentlichten Compte rendu obsolet machten. Er war also kein Budget, welches die Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 1781 fest einplante, sondern nur der momentane Einnahmen-Ausgaben-Stand zum Zeitpunkt der Publikation. Er war eine Art Fixstern, welche dem Finanzminister anzeigte, wie die momentane finanzielle Lage seines Landes war und ob es sich neue Kredite leisten konnte, oder ob zunächst Einsparungen vorgenommen werden mussten. Ein Compte rendu war also nur eine Zeitpunktrechnung, und nach jeder neuen Kreditaufnahme, nach jedem neuen Reformschritt, nach jeder neuen Änderung der Einnahmen- und/oder Ausgabenseite war er logischerweise nicht mehr aktuell und musste durch einen neuen ersetzt werden. Neckers Zahlen vom Februar 1781 wollten also nicht aussagen, dass am Ende des Jahres auch tatsächlich ein ordentlicher Überschuss realisiert würde, sondern bloß, dass momentan im Februar 1781 ein geplanter Überschuss vorhanden war, der zur Aufnahme neuer Kredite verwendet werden konnte.
Trotz wohlklingender Worte und vielen Zahlen war klar, dass zum Zeitpunkt des Bastillesturms kein flüssiges Geld da war und das Volk hungerte.
Das Volk lehnt sich auf
Hungrig und frierend fordert das Volk nun Arbeit und Brot. Zwei Wochen vor dem Sturm auf die Bastille kommen sechzehn Regimenter des Königs und umzingeln die Stadt. 30.000 bewaffnete Männer sollen einen Aufstand verhindern. Die Bevölkerung gerät in Panik.
Die Truppen des Königs sind ringsum positioniert. Das schafft eine Atmosphäre des Schreckens und der Gefahr. Man hat Angst vor einer Militäroffensive gegen Paris. Die Truppen, unter dem Kommando von Kommandant Bernard-René Jordan de Launay, haben den Befehl, unter Gewaltandrohung und Gewaltanwendung für Ordnung zu sorgen.
Regimenter des Königs umzingeln die Stadt
Die Nacht vom 13. Auf dem 14. Juli. Einige Bewohner schließen sich ein. Andere errichten im Schutz der Dunkelheit auf den Straßen Barrikaden gegen mögliche Angriffe der Kavallerie.
Das Volk verhält sich zunächst defensiv, wegen der Truppen wollten sie sich schützen, daher auch die Barrikaden. Aber vor allem wollen sie sich bewaffnen, Waffen zum eigenen Schutz besorgen.
Der Morgen des 14. Juli, gegen 10 Uhr. Eine Menschenmenge zieht durch die Straßen von Paris, bewaffnet mit Heugabeln und Spitzhacken. Ihr Ziel ist das Hôtel des Invalides, hier sind kriegsversehrte, berufsunfähige Soldaten und Offiziere untergebracht.
Das Gebäude entstand zur Lösung des Problems, was mit den heimatlosen, arbeitslosen oder verwundeten Soldaten nach einem Krieg geschehen sollte. Nicht nur aus Gründen der Humanität fühlten sich Herrscher verpflichtet, für die Soldaten zu sorgen, die ihr Leben riskiert und oft ihre Gesundheit beschädigt hatten. Auch aus Gründen der staatlichen Sicherheit empfahl sich eine solche Maßnahme, denn unbeschäftigte, aber waffenkundige Soldaten konnten gefährlich werden, wenn sie als marodierende Banden unkontrolliert durch das Land zogen. Schon im 12. Jahrhundert dachte Philipp Augustus deshalb an eine Art Hospital. Lange kamen alte Soldaten in Klöstern unter, wo sie häufig Unruheherde bildeten, weil sie sich nicht den strengen Mönchsregeln unterwerfen wollten.
König Ludwig XIV. sorgte mit dem Hôtel des Invalides für eine umfassende Lösung, bei der er für die Architektur die äußere Gestalt des spanischen Escorial zum Vorbild nahm und für die soziale Organisation die Tradition des Klosters. Die Anlage ist eine gewaltige militärische Gedächtnisstätte mit einem riesigen zentralen Innenhof, einem Kreuzgang vergleichbar, der von vier Nebenhöfen mit Wohntrakten umgeben war. Die alten und gebrechlichen Soldaten sollten hier ein geregeltes Leben führen. Ihre Tage waren mit Gottesdiensten und handwerklichen Betätigungen ausgefüllt.
Hôtel des Invalides
Die Aufständischen haben es auf die Waffen in den Kellerräumen abgesehen. Die dortigen Soldaten sind kein Hindernis, die Menschen brechen die Türen auf und ergreifen die Waffen. 32.000 Gewehre und 12 Kanonen sind hier eingelagert. Das Arsenal wird vollständig von den Aufständischen geleert. Bei aller Freude über den neuen Besitz merken sie, dass etwas fehlt. Es gibt kein Schießpulver. Die Gewehre und Kanonen sind somit nicht einsatzfähig.
Sie haben also Gewehre, die sie nicht nutzen können, also müssen sie einen Ort finden, wo es Pulver gibt, sonst nützen ihnen die Waffen nichts.
Schießpulver und Munition gibt es in großen Mengen an einen ganz bestimmten Ort, in der Bastille, dem Staatsgefängnis im Osten von Paris. Die Strecke vom Hôtel des Invalides bis zur Bastille ist schnell überwunden. Die Pariser wissen genau, dass es dort Schießpulver gibt. Es geht also bisher nicht um einen Gewaltakt, sondern darum, an das Schießpulver zu gelangen.
Um 10 Uhr 30 Minuten denkt noch keiner der Aufständischen daran, die Bastille anzugreifen. Ihre Haltung wird sich radikal ändern.
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